Neubrandenburg. Am Vorabend des 80. Jahrestags des Kriegsendes versammelten sich heute Morgen zahlreiche Bürgerinnen und Bürger am Mahnmal Die Trauernde vor dem Regionalmuseum Neubrandenburg, um der Befreiung der Stadt und der angrenzenden Außenlager des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück zu gedenken. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Fraueninitia6tive Neubrandenburg, die mit einem Schwerpunkt auf dem Schicksal der in den Lagern eingesperrten Frauen aus Osteuropa und Frankreich an das Leid von mehr als 6.000 Zwangsarbeiterinnen erinnerte.
Erinnerungsort und Programm
Pünktlich um 8:40 Uhr eröffnete Dr. Katharina Lange, Vorsitzende der Fraueninitiative, die Gedenkfeier. „Am 29. April 1945 befreite die Rote Armee unsere Stadt und beendete hier ein System des Unrechts, das vor allem Frauen aus Polen, der Tschechoslowakei und Frankreich inhaftiert und ausgebeutet hat“, erklärte Lange in ihrer Ansprache. Neben einem stillen Gedenken mit Kerzen und Gebeten standen Lesungen von Zeitzeugentexten sowie musikalische Beiträge auf dem Programm.
Nach den Ansprachen legten Vertreterinnen der Fraueninitiative gemeinsam mit Stadträtin Dr. Eva Sommer und Angehörigen von Überlebenden Kränze und Blumen am Sockel der steinernen Figur nieder. Die Trauernde – eine in sich gekehrte Frauenfigur – symbolisiert seit 1965 nicht nur den persönlichen Schmerz, sondern auch die kollektive Verantwortung für das Bewahren der Erinnerung.
Fokus auf weibliches Leid
Die Fraueninitiative Neubrandenburg setzt sich seit ihrer Gründung 2010 dafür ein, in der Erinnerungskultur den oft vernachlässigten Blick auf die Opfer weiblichen Geschlechts zu richten. „Wir wollen deutlich machen, dass Frauen im Konzentrationssystem nicht nur passive Opfer waren, sondern als Zwangsarbeiterinnen in Munitionsfabriken, Steinbrüchen und Textilbetrieben zur Arbeit gezwungen wurden – unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne ausreichende Nahrung oder medizinische Versorgung“, schilderte Projektleiterin Maria Weiss.
Besucherinnen und Besucher hatten außerdem die Gelegenheit, an einer Fotoausstellung teilzunehmen, die erstmals bislang unveröffentlichte Aufnahmen aus einem verborgenen Album der Lagerverwaltung zeigt. Die schwarz-weiß-Fotografien dokumentieren Barracken, Arbeitskommandos in einem Werksgelände und den entkräfteten Zustand vieler Gefangener unmittelbar nach ihrer Befreiung.
Historischer Kontext
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück wurde 1939 errichtet und war das einzige größere Lager ausschließlich für Frauen im Reichsgebiet. In über 40 Außenlagern – unter anderem bei Neubrandenburg, Fürstenberg und Demmin – mussten Häftlinge bis April 1945 unter Zwangsarbeit leiden. Nach jüngsten Forschungen zogen sowjetische Truppen am 29. April 1945 ab, am nächsten Tag erreichten sie die letzten Lagerkomplexe und befreiten die Überlebenden.
Ausblick und Verantwortung
Oberbürgermeisterin Dr. Martina Krüger, die ein Grußwort sandte, betonte in ihrem Schreiben: „Das Gedenken an den 29. April 1945 ist Mahnung und Versprechen zugleich: Es darf nie wieder geschehen. Wir tragen Verantwortung, den Opfern eine Stimme zu geben und künftigen Generationen die Hintergründe dieser Verbrechen zu vermitteln.“
Auf Einladung der Fraueninitiative werden in den kommenden Wochen mehrere Stolperstein-Verlegungen in der Innenstadt stattfinden, zudem plant die örtliche Volkshochschule eine Vortragsreihe über die Rolle der Frauen im Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft.