In der Geschichte der Schmalspurbahnen Deutschlands gibt es viele Geschichten von einst blühenden Verkehrsadern, die heute kaum noch jemand kennt. Eine dieser fast vergessenen Strecken war die Randower Kleinbahn, die zwischen Stettin (heute Szczecin), Ueckermünderheide und Neuwarp (obecnie Nowe Warpno) verkehrte. Trotz des geringen Bekanntheitsgrades und der fehlenden Überreste ist diese Bahnstrecke ein faszinierendes Stück Eisenbahngeschichte.
Die Geburtsstunde der Randower Kleinbahn
Die Randower Kleinbahn wurde am 11. Mai 1897 eröffnet und verband zunächst Stöwen Kleinbahnhof mit Glashütte. Die Strecke war 48,7 Kilometer lang und verlief über eine sanft ansteigende Strecke, die bis zu einer maximalen Steigung von 17 Promille erreichte. Anfänglich vor allem für den Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Glaswaren und Brennstoffen genutzt, erwies sich die Bahn schnell als bedeutende Lebensader für die Region.
Mit einer Spurweite von 1435 mm und einer maximalen Geschwindigkeit von 40 km/h galt sie als relativ modern für die damalige Zeit. Während der ersten Jahrzehnten dominierte der Dampfbetrieb, später wurde die Strecke durch Dieselloks und schließlich durch den berühmten Wismarer Schienenbus „Molli“ (im Volksmund als „Molle“ bekannt) betrieben. Der Schienenbus, der vor allem in den 1930er Jahren eingesetzt wurde, sorgte für eine effizientere Personenbeförderung, musste aber im Zweiten Weltkrieg aufgrund von Treibstoffmangel seinen Dienst einstellen.
Wirtschaftlicher Aufschwung und tragische Wendungen
Die Randower Kleinbahn trug maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei. Besonders bemerkenswert war die Tatsache, dass das Gebiet entlang der Strecke eine Vielzahl von Industrien und landwirtschaftlichen Betrieben versorgte. Glaswaren aus Glashütte und der berühmte Neuwaber Aal wurden per Bahn transportiert, was einen wirtschaftlichen Aufschwung für die gesamte Region zur Folge hatte.
Doch der Erfolg der Kleinbahn war nicht von Dauer. Ab den 1930er Jahren begannen die Umsätze zu sinken. Die Schließung der Stolzenburger Glashütte 1929 und der zunehmende Verkehr mit Omnibussen führten dazu, dass der Gütertransport drastisch zurückging. In den 1940er Jahren versuchte man, mit touristischen Angeboten wie Ausflugsfahrten in die Gömmener Heide den Betrieb zu stabilisieren. Doch auch dies konnte die fortschreitende wirtschaftliche Schieflage nicht aufhalten.
Der Zweite Weltkrieg und die endgültige Stilllegung
Mit dem Einzug der Kriegsfront im Jahr 1945 kam die Randower Kleinbahn zum Erliegen. Der Verkehr wurde zunächst eingestellt, später aber unter schwierigen Bedingungen wieder aufgenommen. Doch der endgültige Kahlschlag folgte: Am 8. August 1945 stellte die Bahn ihren Betrieb endgültig ein, und das Gleis wurde bis 1947 abgebaut – zum Teil als Reparationsleistung.
Die polnische Staatsbahn übernahm die restlichen Streckenabschnitte, doch auch diese wurden bis Ende des 20. Jahrhunderts stillgelegt. Der Abschnitt von Dobra bis Neuwarp, der noch bis 1972 Personenverkehr erlebte, wurde 2000 schließlich vollständig eingestellt. Heute existiert an vielen Stellen der ehemaligen Strecke nur noch wenig – ein paar verwitterte Gleisreste oder der Verlauf von Radwegen, die die alte Bahntrasse nachzeichnen.
Von der Industrialisierung zum Tourismus
Trotz der jahrzehntelangen Stille ist die Randower Kleinbahn heute nicht ganz vergessen. Insbesondere im polnischen Teil der Strecke, um Neuwarp, profitiert man mittlerweile vom Tourismus. Die Region hat sich zu einem beliebten Ziel für Naturfreunde entwickelt, die entlang des Oder-Neiße-Radweges unterwegs sind. Doch die Bahn, die einst als Wirtschaftsfaktor diente, lebt nur noch in den Erzählungen und wenigen erhaltenen Fotografien weiter.
Ein Stück Geschichte im Vergessen
Die Randower Kleinbahn ist ein faszinierendes Beispiel für die vielen kleinen, aber bedeutenden Bahnstrecken, die das Gesicht einer Region prägten und später in der Geschichte der Eisenbahn untergingen. Der wirtschaftliche Aufstieg und Fall der Strecke spiegelt die Industrialisierung und die Veränderungen in der Mobilität des 20. Jahrhunderts wider.
Trotz der zerschlagenen Pläne für einen Wiederaufbau und der kaum noch existierenden Überreste bleibt die Erinnerung an die Randower Kleinbahn lebendig – als Erinnerung an eine Zeit, als die Schmalspurbahnen noch das Rückgrat der regionalen Infrastruktur waren und das Leben in den kleinen Dörfern entlang der Strecke maßgeblich beeinflussten.