Wenn DDR-Offiziere in Moskau eintreffen, ist es kein gewöhnlicher Besuch – es ist ein Auftrag im Sinne des Bündnisses zweier Staaten, das sich nicht nur als militärische Kooperation, sondern als weltanschauliche Schicksalsgemeinschaft versteht. In den 1980er-Jahren war es fast alltäglich, dass Angehörige der Nationalen Volksarmee (NVA) über den Flughafen Sheremetyevo in die sowjetische Hauptstadt reisten – und doch war jeder Aufenthalt ein Baustein in der Festigung eines Systems, das militärisches Denken, ideologische Schulung und politische Loyalität eng miteinander verzahnte.
Rund 3.000 DDR-Offiziere haben bis zum Ende der DDR an sowjetischen Militärakademien studiert – ein Studium, das mehr bedeutete als den Erwerb strategischer Fähigkeiten. „Wir sind hier, um das Bündnis unserer Völker zu stärken und uns zu erarbeiten, was friedliche Arbeit heute mehr denn je braucht: den sicheren Weltschutz“, hieß es in einem zeitgenössischen Beitrag über das Leben an der Moskauer Militärakademie Frunze.
Vom Fallschirmjäger zum Diplomierten Kommandeur
Einer von ihnen war Klaus-Dieter Krug. Als junger Hauptmann kam er an die Akademie Frunze, wo vor allem zukünftige Truppenkommandeure ausgebildet wurden. Heute erinnert er sich als Major an die besondere Atmosphäre der Lehranstalt: „Das riesengroße Glück war, an der ältesten Militärakademie der Sowjetunion zu studieren – und direkt an der Praxis zu lernen.“ Gemeint war die Praxis des Gefechts, der Führung unter realitätsnahen Bedingungen, stets unter dem Primat der sowjetischen Militärdoktrin.
Für Krug bedeutete das Studium nicht nur Taktik und Technik, sondern auch den ideologischen Schulterschluss: „Ich kann einschätzen, dass das, was wir an Theorie dort gelehrt bekommen haben, ausreichend war, um die Aufgaben zu erfüllen.“ Doch auch er räumt ein: Die eigentliche Herausforderung wartete in der Heimat, „insbesondere in der Menschenführung im Truppenteil“.
Militär, Politik und persönliche Netzwerke
Ein zentraler Aspekt der Ausbildung in Moskau war die politische Erziehung. Ziel war es, nicht nur Fachleute heranzubilden, sondern „charakterlich und politisch gefestigte Persönlichkeiten“. In einer Welt, in der das Militär stets auch Träger der sozialistischen Idee war, musste jeder Kommandeur auch ideologischer Vorbild sein.
Diese Schulung hinterließ Spuren – auch im persönlichen Verhältnis zu sowjetischen Offizieren. Krug beschreibt die Freude, nach seiner Rückkehr in DDR-Kasernen auf Kameraden aus der Studienzeit zu treffen: „Das Verständnis bei der Ausbildung im Leben und – wenn es sein muss – auch im Gefechtsfeld ist dadurch gegeben.“
Rituale der Zugehörigkeit
Den Abschluss dieser engen Verbindung zwischen Militär und Staat bildeten symbolische Akte wie die alljährliche Parade am 7. Oktober, dem Tag der Republik. „Diese 24 Sekunden der Vorbeifahrt entschädigen für die viele Arbeit“, so Krug, der mehrfach an der Parade teilnahm – als Offizierschüler, als Leutnant, als Oberleutnant. „Es ist ein Gefühl der Freude, aber auch des Stolzes, dort mit den anderen Truppenteilen die Geschlossenheit unserer Armee zu demonstrieren.“
Rückblick auf eine vergangene Welt
Heute, im Rückblick, erscheint diese Welt fern – nicht nur räumlich, sondern auch geistig. Die Sprache, die Bilder und das Pathos solcher Berichte wirken wie aus einer anderen Zeit. Und doch erlauben sie einen tiefen Einblick in das Selbstverständnis einer Armee, die sich als Teil eines größeren Ganzen verstand – des Weltsozialismus unter sowjetischer Führung.
Das Beispiel von Major Krug steht stellvertretend für ein Kapitel deutsch-sowjetischer Militärgeschichte, das – fernab von Manövern und Marschmusik – auch eine Erzählung von Loyalität, Ausbildung und gegenseitigem Vertrauen war. Und von einem Anspruch, der weit über das Gefechtsfeld hinausging.