Ein Traum aus Leidenschaft – Die Europapokalsaison 1980/81 des FC Carl Zeiss Jena

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Die Saison 1980/81 gehört zu den glorreichen Kapiteln der Fußballgeschichte des FC Carl Zeiss Jena. In einem Jahr, das von spektakulären Wendungen, unerschütterlichem Teamgeist und dem unbändigen Willen, sich gegen übermächtige Gegner zu behaupten, geprägt war, schrieb die Mannschaft aus Jena Geschichte – trotz des schmerzlichen Endes im Finale.

Ein denkwürdiger Auftakt und das Pokalfinale im Sommer 1980
Die Erfolgsgeschichte begann bereits im Sommer 1980, als im legendären Finale des DDR-Pokals erstmals ein Thüringen-Derby ausgetragen wurde. Vor rund 50.000 begeisterten Zuschauern im Stadion der Weltjugend setzte sich der FC Carl Zeiss Jena gegen Rot-Weiß Erfurt durch. Tore von Lothar Kurpieweid und Dietmar Sengewald sicherten den verdienten Sieg, der die Zeiss-Elf ins europäische Rampenlicht katapultierte und die Qualifikation für den Europacup der Pokalsieger ermöglichte.

Die Begegnung gegen AS Rom – Ein Spiel der Extreme
Im September 1980 reiste die Jenaer Mannschaft als Außenseiter in die italienische Hauptstadt, wo sie im Olympiastadion auf den prestigeträchtigen AS Rom traf. Bereits in der fünften Minute erzielte Pruzzo das erste Tor – umstritten und von vielen als Handspiel interpretiert. Trotz intensiver Bemühungen blieb das Spiel zunächst zugunsten der Römer, die mit 0:3 gewannen. Die erste Begegnung hinterließ einen bitteren Nachgeschmack und sollte zunächst als aussichtsloser Rückschlag gewertet werden.

Doch das Schicksal hatte noch eine Überraschung parat. In einer mitreißenden Rückspielpartie verwandelte sich die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Entschlossen, das Unmögliche möglich zu machen, starteten die Thüringer mit ungebrochener Energie. Bereits in der 26. Minute fiel das erlösende Tor durch Andreas Krause, und nach einem mutigen Wechsel brachte der 21-jährige Neuzugang Andreas Bielau – bislang in der Oberliga eher unauffällig – mit seiner ersten Berührung das 3:0. Nur wenige Minuten später gelang ihm der zweite Treffer. Der fulminante 4:0-Ausgleich ließ nicht nur AS Rom sprachlos zurück, sondern verhalf der Mannschaft auch zu einem historischen Sieg, der in den Annalen des europäischen Fußballs als Sensation verankert ist.

Mut, Taktik und der Kampfgeist gegen Valencia und Newport County
Den Erfolg gegen AS Rom folgte eine weitere Herausforderung. Im nächsten Duell wartete der Titelverteidiger FC Valencia, beflügelt von Superstar Mario Kempes. Vor heimischer Kulisse überzeugte die Jenaer Mannschaft mit einem souveränen Auftakt und einem frühen Führungstreffer von Diekmar Sengewald. Trotz der späten Führungstreffer der Gäste gelang es Jena, mit einer geschlossenen Defensivleistung – allen voran der heldenhafte Torwart Hans-Ulrich Grapentin – den knappen Rückstand zu verkürzen und die Sensation fortzusetzen.

Auch im Viertelfinale sollte sich der Kampfgeist der Mannschaft erneut beweisen. Gegen Newport County, einen Drittligisten aus Südwales, der den walisischen Pokal gewonnen hatte, drohte der Traum zu zerplatzen. Nach einem spannenden Hinspiel, das in den letzten Minuten dramatisch zugunsten des Ausgleichs endete, musste die Mannschaft im Rückspiel in Wales alles geben. Mit beeindruckenden Paraden und klugen Zweikämpfen, vor allem vom Torwart Hans-Ulrich „Sprotte“ Krapentin, gelang es Jena, in einem harten Kampf das Halbfinale zu erreichen.

Das Halbfinale und der bittere Abschied im Finale
Im Halbfinale traf die Mannschaft erneut auf starke Gegner – diesmal Benfica Lissabon. Bereits im ersten Spiel setzte Andreas Bielau früh das Zeichen und ebnete den Weg für einen 2:0-Erfolg, der die Hoffnungen auf einen historischen Europapokal-Triumph weiter nährte. Im Rückspiel in Lissabon, das zu einer regelrechten Abwehrschlacht mutierte, sicherte sich Jena trotz intensiver Angriffe den knappen Vorsprung und zog ins Finale ein.

Das große Finale am 13. Mai 1981 in Düsseldorf, ein Duell zweier Ostblock-Mannschaften – FC Carl Zeiss Jena gegen Dynamo Tbilisi – sollte den Traum jedoch abrupt beenden. Trotz dominanter Phasen und taktischer Disziplin gelang es den Tbilisianern, in der Verlängerung den entscheidenden Treffer zu erzielen. Das 1:2 im Endspiel schmerzte, doch der Weg dorthin, geprägt von historischen Siegen und dem unerschütterlichen Glauben an den eigenen Erfolg, bleibt unvergessen.

Hans Meyer und die Helden von Jena
Hinter diesem Erfolg stand Trainer Hans Meyer, der die Mannschaft seit 1971 prägte und zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten des DDR-Fußballs wurde. Spieler wie Lothar Kurpieweid, Jürgen Raab, Andreas Bielau und Torhüter Hans-Ulrich Krapentin wurden zu Helden, deren Namen noch heute in Jena mit Stolz genannt werden. Die Leistungen dieser Saison zeigten, dass Glaube, Mut und der Zusammenhalt einer Mannschaft auch die scheinbar unüberwindbaren Hürden der europäischen Elite überwinden können.

Ein Vermächtnis, das weiterlebt
Die Europapokalsaison 1980/81 bleibt ein leuchtendes Beispiel für die Ambition und den unerschütterlichen Willen des FC Carl Zeiss Jena. Auch wenn der erhoffte Pokal triumphierend ausblieb, so ist die Erinnerung an diese außergewöhnliche Saison – die Sensationen gegen AS Rom, FC Valencia und die nervenaufreibenden Duelle in Wales – bis heute lebendig. Bei einem Jubiläumstreffen 35 Jahre später wurde den Helden jener Zeit eine späte, aber längst überfällige Ehrung zuteil, die das Vermächtnis dieser denkwürdigen Ära weiterträgt.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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