Karl-Marx-Stadt, 1982 – In einem seltenen O-Ton von Addi Jacobi wird der Alltag des VEB Stadtwirtschaft eindrucksvoll dokumentiert. Der Beitrag gewährt einen detaillierten Blick auf die umfassenden Aufgaben eines Betriebes, der weit mehr leistete als nur den Unterhalt der Stadt.
In der einstigen Arbeitermetropole Karl-Marx-Stadt, heute bekannt als Chemnitz, war der VEB Stadtwirtschaft ein zentraler Akteur bei der Gestaltung sozialistischer Lebensbedingungen. Mit rund 1.100 Beschäftigten stellte der Betrieb sicher, dass 560 Kilometer Straße in Schuss gehalten, 600 Hektar Grünanlagen gepflegt und zahlreiche weitere Dienstleistungen erbracht wurden – von der Straßenreinigung bis hin zur Abfallentsorgung.
Vielfältige Aufgaben im Dienst der Gemeinschaft
Der Bericht zeichnet ein facettenreiches Bild des Betriebsalltags:
- Instandhaltung und Sauberkeit: Im Frühjahr und Herbst unterzogen die Mitarbeiter das Hauptstraßennetz einer Generalreinigung. Moderne Geräte wie die neueste Kehrmaschine des VEB Spezialfahrzeugbau Berlin kamen zum Einsatz, um ein Höchstmaß an Ordnung zu gewährleisten.
- Grünanlagen und Umweltpflege: Über 190 Mitarbeiter des Direktorats Grünanlagen kümmerten sich um die Stadtwälder, Parks und Brunnen. Sogar jugendliche Arbeitskollektive wurden in Projekte zur Pflege öffentlicher Erholungsstätten eingebunden – etwa in der Anlage Pelzmühle oder am Schlossteich.
- Innovative Arbeitsorganisation: Der Betrieb setzte auf Rationalisierungslösungen, etwa bei der Optimierung von Touren für die Abholung von Papierkörben und Containern. Dabei wurden nicht nur Ressourcen geschont, sondern auch die Arbeitsbelastung der Beschäftigten verringert.
Sozialistische Gemeinschaftsarbeit und technische Raffinesse
Addi Jacobi erinnert in seinem O-Ton daran, wie eng die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Direktoraten organisiert war. Vom technischen Dienst, der Reparaturen an Straßenbeleuchtung und Spezialfahrzeugen vornahm, bis hin zur Abteilung für Siedlungsabfallbeseitigung, die auch rechnergestützte Tourenplanoptimierung nutzte – der Betrieb war ein Musterbeispiel für die sozialistische Planwirtschaft.
Besonders eindrucksvoll sind die Zahlen: So wurden in nur einem Jahr rund 1,3 Millionen Mülltonnen und 530.000 Container erfasst, was den enormen logistischen Aufwand unterstreicht. Auch in speziellen Projekten, wie der Umstellung von Gas- auf elektrische Straßenbeleuchtung, zeigte sich der Innovationsgeist der Zeit.
Zwischen Tradition und Fortschritt
Der Beitrag vermittelt eindrucksvoll, wie der VEB Stadtwirtschaft nicht nur für die Erhaltung der urbanen Infrastruktur sorgte, sondern auch als sozialer Ort fungierte. So dienten Einrichtungen zugleich als Jugendclubs und Treffpunkte, in denen täglich etwa 500 Gespräche vermittelt wurden. Die enge Verknüpfung von Arbeit und sozialer Verantwortung prägte das Selbstverständnis der Beschäftigten – ein Selbstverständnis, das auch in der harten Realität des sozialistischen Alltags seinen Ausdruck fand.
Ein Erbe, das nachhallt
Heute blicken Historiker und Zeitzeugen auf diese Ära zurück, um das komplexe Zusammenspiel von Technik, Organisation und sozialer Verantwortung im sozialistischen System zu verstehen. Der Bericht über den VEB Stadtwirtschaft Karl-Marx-Stadt aus dem Jahr 1982 liefert dabei nicht nur Zahlen und Fakten, sondern auch emotionale Eindrücke aus einer vergangenen Epoche – ein Erbe, das den Diskurs über städtische Organisation und Gemeinwohl auch in der Gegenwart prägt.
Mit diesem facettenreichen Porträt wird deutlich: Hinter den nüchternen Verwaltungszahlen verbarg sich ein lebendiger Organismus, der das tägliche Leben von Hunderttausenden prägte und den Anspruch verfolgte, für alle Bürger eine saubere und lebenswerte Umgebung zu schaffen.