Die Olympischen Spiele 1972 in München sollten ein Fest der Völkerverständigung sein – heiter, friedlich, modern. Doch die Welt hielt den Atem an, als am 5. September palästinensische Terroristen des „Schwarzen September“ die israelische Mannschaft überfielen. Der brutale Anschlag endete mit dem Tod von elf israelischen Sportlern, fünf Terroristen und eines deutschen Polizisten. Die DDR-Sportler erlebten diese Tragödie hautnah – doch in ihrem Staat wurde das Geschehen ganz anders interpretiert.
Die DDR und die Spiele: Bühne für den Sozialismus
Für die DDR waren die Olympischen Spiele von München eine Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Zum ersten Mal traten ost- und westdeutsche Athleten nicht mehr in einer gemeinsamen Mannschaft an. Die DDR wollte sich als eigenständige sozialistische Sportnation präsentieren – mit Erfolg. 20 Goldmedaillen, 23 Silber- und 23 Bronzemedaillen machten die DDR zur drittstärksten Nation hinter der Sowjetunion und den USA.
Hinter den Kulissen wurde nichts dem Zufall überlassen. Die DDR-Funktionäre kontrollierten ihre Athleten streng, Stasi-Mitarbeiter überwachten die Sportler und sorgten für ein einheitliches Bild in der Öffentlichkeit. Die Spiele waren nicht nur ein Wettkampf um Medaillen, sondern auch ein ideologischer Kampf – Ost gegen West, Sozialismus gegen Kapitalismus.
Terroranschlag: Die DDR zwischen Mitgefühl und Propaganda
Während der Anschlag weltweit Entsetzen auslöste, blieb die Reaktion der DDR-Führung kühl und distanziert. Offiziell sprach man nicht von „Terror“, sondern von einem „tragischen Vorfall“. Während westliche Medien die Tat als brutalen Akt verurteilten, berichteten DDR-Medien kaum über die Hintergründe. Die palästinensischen Täter wurden nicht als Terroristen bezeichnet, sondern als „Kämpfer für die nationale Befreiung Palästinas“.
Intern war das DDR-Regime in Alarmbereitschaft. Sportler wurden angewiesen, keine öffentlichen Aussagen zu machen. Einige Athleten berichteten später, dass sie angewiesen wurden, sich nicht zu nah an Fenster oder Balkone zu stellen, um jede Verbindung mit der israelischen Mannschaft zu vermeiden. Doch hinter der Fassade war die Angst spürbar.
Politische Instrumentalisierung des Terrors
Die DDR nutzte die Tragödie auch, um ihre ideologische Linie zu stärken. Der Westen wurde für die Eskalation des Nahostkonflikts mitverantwortlich gemacht. Gleichzeitig versuchte man, sich als sicherer und stabiler sozialistischer Staat darzustellen. Während in der Bundesrepublik Trauerveranstaltungen stattfanden, hielt sich die DDR mit offiziellen Gedenkbekundungen zurück. Das Thema sollte nicht zu viel Raum einnehmen, um die Erfolge der DDR-Sportler nicht zu überschatten.
Ein Wendepunkt für den Sport und die Sicherheit
Die Spiele von München veränderten den Sport für immer. Nie zuvor war eine Olympiade so massiv von Gewalt überschattet worden. Das Konzept der „heiteren Spiele“ war gescheitert, und Sicherheitsvorkehrungen für Sportveranstaltungen wurden weltweit verschärft.
Für die DDR blieb Olympia 72 dennoch ein Triumph. Die sportlichen Erfolge wurden propagandistisch ausgeschlachtet, die Tragödie um die israelische Mannschaft hingegen wurde in eine ideologische Erzählung eingewoben. Der Umgang mit dem Anschlag zeigt, wie Sport in der DDR nicht nur als Wettkampf, sondern als politisches Instrument genutzt wurde – ein Spiegel der weltpolitischen Spannungen jener Zeit.