Ein Blick hinter die Kulissen der Parteiwirtschaft der SED

Ende 1989, als die Bürger der DDR den Triumph über das diktatorische Regime feierten, begann für die alte SED – bald umbenannt in SED-PDS – ein Wettlauf um den Erhalt eines immensen Vermögens. In der aktuellen Folge der „Mittler-Geschichtsstunde“ liefert Historiker und Publizist Kai-Axel Aanderud einen scharfen und prägnanten Überblick über die Machenschaften, mit denen die Partei versuchte, ihren Reichtum zu sichern und vor den politischen Umbrüchen zu verstecken.

Politischer Neuanfang und strategische Weichenstellungen
Im Dezember 1989 versammelten sich über 2.100 SED-Delegierte in der Ostberliner Dynamo-Sporthalle. Dort wurde der 41-jährige Rechtsanwalt Gregor Gysi mit rund 95 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. In einer Rede, die den Grundstein für einen radikalen Neuanfang legen sollte, machte Gysi unmissverständlich klar: „Genossen, wir haben nichts zu verschenken.“ Mit diesem Satz stellte er die Weichen für ein Vorgehen, das den Erhalt des Parteivermögens in den Vordergrund stellte – und die SED auf einen schmalen Grat zwischen Umstrukturierung und Eigentumsschutz führte.

Finanzielle Konstruktionen und intransparente Transaktionen
Die Partei verfügte Ende 1989 über ein beachtliches Vermögen: rund 6 Milliarden Mark, 1.700 Immobilien und Hunderte von Unternehmen machten die SED-PDS zu einem der reichsten politischen Akteure Europas. Um den Zugriff auf diese Vermögenswerte zu sichern, entwickelte Gysi ein System aus zinslosen Darlehen und Treuhandverhältnissen. Treue Parteimitglieder wurden verpflichtet, Geld in festgelegte Unternehmensbeteiligungen zu investieren – immer mit dem Vorbehalt, dass im Bedarfsfall das Kapital an die Partei zurückfließen sollte. Diese Konstruktion sollte nicht nur den Bestand des Vermögens garantieren, sondern auch Angriffe von außen verhindern.

Die Enthüllungen der UKPV und juristische Auseinandersetzungen
Die undurchsichtigen Finanztransaktionen ließen jedoch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise. Im Juli 2006 legte die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) ihren Abschlussbericht vor. Die Kommission, die ursprünglich von der Regierung de Maizière eingesetzt worden war, dokumentierte, dass die SED-PDS nur unzureichend kooperierte – vielmehr mussten wiederholt rechtliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen zu erzwingen.

Besonders brisant waren die sogenannten „Putnik-Transaktionen“, bei denen fingierte Rechnungen und fiktive Altforderungen dazu dienten, Gelder in „schwarzen Kassen“ anzulegen. Der Druck nahm zu, als die Ermittler auch Transaktionen mit der Moskauer Firma Putnik aufdeckten, die in Zusammenarbeit mit der kommunistischen Partei der Sowjetunion abliefen. Immer wieder gerieten die Machenschaften der Partei ins Visier der Justiz, was in mehrfachen Durchsuchungen der PDS-Zentrale und einer Reihe langwieriger Gerichtsverfahren gipfelte.

Vermächtnis und aktuelle Bedeutung
Heute steht der verschwundene Milliarden-Schatz der SED als Symbol für eine Ära, in der politische Macht und finanzielle Ressourcen in undurchsichtigen Netzwerken verstrickt waren. Trotz zahlreicher juristischer Aufarbeitungen bleibt vieles im Dunkeln – und das Karl-Liebknecht-Haus, heute Sitz der Partei DIE LINKE, ist nahezu der einzige Zeuge der Geschichte dieser subversiven Finanzstrukturen.

Kai-Axel Aanderud gelingt es in seiner „Geschichtsstunde“, die komplexen Zusammenhänge und die Folgen der damaligen Entscheidungen verständlich und pointiert darzustellen. Der Beitrag zeigt eindrucksvoll, wie politische Umbrüche und wirtschaftliche Interessen oft untrennbar miteinander verbunden waren – und wie die Schatten der Vergangenheit noch heute nachwirken.