Bei der SID2025 warnte Klimaforscher Udo Engelhardt in einem eindringlichen Vortrag vor den unumkehrbaren Folgen der aktuellen Klimakrise und forderte ein sofortiges, gesamtgesellschaftliches Handeln. Die Rede, die am 12. Februar 2025 stattfand, liefert alarmierende Zahlen und prognostiziert weitreichende ökonomische und ökologische Kollateralschäden.
In seinem Beitrag „Eine Welt, ein Klima und eine (letzte) Chance – Welche Zukunft wählen wir?“ machte Engelhardt unmissverständlich deutlich: Die 2020er Jahre seien das Jahrzehnt der Entscheidung. Bereits heute zeigten Messungen, dass Deutschland mit Temperaturanstiegen von rund 2,5 bis 3 °C deutlich über dem globalen Durchschnitt liegt. „Wir haben letztens die 1,5-Grad-Grenze überschritten – und das ist erst der Anfang“, warnte er. Diese Schwelle markiert laut Klimawissenschaft den Eintritt in den Bereich selbstverstärkender, irreversibler Prozesse, sogenannte Kipppunkte, etwa bei der Eisschmelze oder dem Zusammenbruch wichtiger Ökosysteme.
Engelhardt erläuterte, dass sich unser Sprachgebrauch – von „globaler Erwärmung“ über „Klimawandel“ hin zur „Klimakrise“ – mittlerweile auch in der wissenschaftlichen Bewertung widerspiegele. Neu seien Phänomene wie der massive, unerklärliche Anstieg der Meerestemperaturen zu beobachten, der sich seit April 2023 manifestierte. Rund 70 % dieses Anstiegs ließen sich physikalisch erklären, während 30 % weiterhin Rätsel blieben – ein deutliches Signal, dass bislang unbekannte Mechanismen in Gang gekommen seien.
Ein weiteres zentrales Thema war die dramatische Verschlechterung der natürlichen Kohlenstoffsenken. Wälder, Moore und vor allem die Ozeane, die bislang einen Großteil der von uns freigesetzten Emissionen absorbierten, verlieren zunehmend ihre Fähigkeit, CO₂ zu binden. So wies Engelhardt auf Messungen der berühmten Mauna-Loa-Station hin: Während die globalen Emissionen nur moderat anstiegen, verzeichnete man vor Ort einen Zuwachs von 86 %. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Dürren, Brände und andere klimatische Extreme nicht nur die Umwelt, sondern auch die natürlichen Puffermechanismen nachhaltig schädigen.
Die Folgen dieser Entwicklungen bleiben nicht ohne ökonomische Konsequenzen. Studien, etwa aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, prognostizieren, dass die Weltwirtschaft künftig jährlich nahezu 20 % ihres Bruttosozialprodukts an Schäden verkraften muss – allein zur Kompensation der durch fossile Energien verursachten Verluste. Ein Vergleich macht die Dramatik deutlich: Während in Europa aktuell lediglich 60 bis 70 Euro pro Tonne CO₂ als Abgabe entrichtet werden, bezifferten Experten den tatsächlichen Schaden auf über 1000 US-Dollar pro Tonne.
Besonders kritisch beleuchtete Engelhardt auch die strukturellen wirtschaftlichen Probleme, die aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen resultieren. Er zitierte unter anderem den ehemaligen EZB-Chef Draghi, der Europa als größten Gasimporteur weltweit bezeichnete und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents massiv gefährdet sieht.
Nicht zuletzt warf der Vortrag einen Blick über den Tellerrand der reinen Klimawissenschaft: Rückversicherer und Institutionen wie der Financial Stability Board (FSB) warnen vor einer drohenden „planetaren Insolvenz“. Versicherungsunternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Vorhersehbarkeit von Risiken basiert, zeichnen ein düsteres Bild – ein globaler Zusammenbruch, der weit über die Finanzkrise von 2008 hinausgehen könnte.
Angesichts dieser alarmierenden Lage appellierte Engelhardt eindringlich an Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft: „Die Energiewende muss jetzt entschlossen vorangetrieben werden.“ Er rief dazu auf, nicht länger auf Wundertechnologien zu hoffen, sondern über Nacht einen umfassenden Wandel einzuleiten. Besonders betonte er die Rolle kommunaler Akteure und Stadtwerke, die – analog zu einem gallischen Dorf, das sich gegen Übermacht behauptet – als Vorreiter in der Transformation gelten könnten.
Mit den Worten eines bekannten Zitats von Helmut Schmidt schloss Engelhardt seinen Vortrag: „Wenn du nicht an Wunder glaubst, dann bist du kein Realist.“ Der Appell war klar: Nur durch den Glauben an die Möglichkeit eines grundlegenden Umdenkens und durch entschlossenes Handeln könne die drohende Katastrophe – das Climate Breakdown – noch abgewendet werden.
Die Rede macht unmissverständlich deutlich: Die Uhr tickt, und es bleibt kaum Zeit. Die Frage, welche Zukunft wir wählen, ist nicht länger abstrakt, sondern drängt uns im Hier und Jetzt zu handeln – für eine Welt, ein Klima und unsere gemeinsame Zukunft.