Wilhelm Domke-Schulz: Eine Stimme für die DDR und die ostdeutsche Identität

Die Ampelkoalition erinnerte mich gar nicht an die DDR | Wilhelm Domke-Schulz

Als Wilhelm Domke-Schulz vor einigen Monaten ein Interview gab, zog er viele in seinen Bann. Seine klaren Positionen zur DDR, seiner Identität und dem „Anschluss“ an die Bundesrepublik polarisierten stark. Während viele Ostdeutsche seine Sichtweise als erfrischend empfanden, sahen Westdeutsche darin häufig eine überzogene Kritik. Jetzt legt der Filmemacher mit weiteren Einblicken nach. Seine Gedanken zur DDR, der Bundesrepublik und dem Wiedervereinigungsprozess sind radikal und werfen Fragen auf, die viele verdrängt oder längst als beantwortet angesehen haben.

Die DDR als Teil seiner Identität
Domke-Schulz definiert sich nicht durch seinen Pass, sondern durch seine Herkunft und seine Prägung. Für ihn bleibt die DDR mehr als ein Staat, der 1990 aufhörte zu existieren – sie ist ein Teil seiner Identität. „Ich bin ein DDR-Bürger, mental und kulturell“, betont er. Während andere das Ende der DDR als Befreiung feiern, sieht er in der Wiedervereinigung eine „feindliche Übernahme“. Besonders provokativ ist sein Beharren darauf, den 7. Oktober, den Gründungstag der DDR, als einen bedeutenden Feiertag zu würdigen. Für ihn symbolisiert die DDR einen Friedensstaat, der im Gegensatz zur Bundesrepublik nie einen Krieg geführt habe.

Der steinige Weg zum Filmemachen
Seine Karriere zeigt, wie eng persönliche Träume mit den Möglichkeiten der DDR verwoben waren. Der Weg zum Filmemacher führte ihn über das DEFA-Kopierwerk und ein Fachschulstudium hin zu seinem Ziel, das in der DDR durch den staatlich regulierten Zugang zu kulturellen Berufen stark eingeschränkt war. Dennoch schätzt er die systemischen Unterschiede zwischen Ost und West und sieht die Einschränkungen der DDR weniger als repressiv, sondern als notwendige Struktur eines sozialistischen Staates.

Kritische Analyse der Wiedervereinigung
Für Domke-Schulz ist die Wiedervereinigung kein Erfolg, sondern ein kultureller und wirtschaftlicher Schock für die Ostdeutschen. Er schildert, wie westdeutsche „Experten“ den Osten durch Arroganz und Unwissenheit dominierten. „Es war keine Wiedervereinigung, sondern eine Annexion“, stellt er klar. Besonders scharf kritisiert er die Zerstörung der DDR-Wirtschaft, die aus seiner Sicht absichtlich durch westdeutsche Interessen sabotiert wurde. Der Niedergang von Betrieben wie Kali-Ost oder der Kühlschrankfabrik DKK Scharfenstein sieht er als Beispiele für wirtschaftliche Feindseligkeit.

Medienkritik und Meinungsfreiheit
Seine Ansichten über die Medienlandschaft der Bundesrepublik sind nicht minder provokant. Die ARD nennt er „Besatzungsfernsehen“, das seiner Meinung nach eine westdeutsche Ideologie verbreitet und Ostdeutsche systematisch benachteiligt. Er berichtet von Situationen, in denen ostdeutsche Perspektiven gezielt ausgeklammert wurden – ein Vorwurf, der nicht nur die Medien, sondern die gesamte Gesellschaft betrifft. Domke-Schulz sieht Parallelen zwischen der DDR und der heutigen Bundesrepublik, insbesondere in Bezug auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Wirtschaftliche Perspektiven der DDR
Ein zentraler Punkt seiner Argumentation ist die Überlebensfähigkeit der DDR-Wirtschaft. Trotz bürokratischer Überregulierung sieht er im sozialistischen System eine Grundlage, die Bestand gehabt hätte. Die DDR bot Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und eine Gemeinwohl-orientierte Wirtschaftsordnung, die er der profitorientierten Marktwirtschaft der Bundesrepublik entgegenstellt. Er wirft der westdeutschen Exportpolitik vor, weltweit Arbeitslosigkeit zu verursachen, und betont, dass die DDR-Betriebe weltweit konkurrenzfähig gewesen seien.

Politische und gesellschaftliche Provokation
Eine seiner gewagtesten Thesen ist die Behauptung, dass die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sei. Zwar gab es Repressionen, doch sieht er diese als Maßnahmen eines jeden Staates, um seine Gesetze durchzusetzen. Diese Perspektive steht im starken Gegensatz zur vorherrschenden westdeutschen Geschichtsschreibung, die die DDR oft als totalitäre Diktatur darstellt. Domke-Schulz wendet sich auch gegen die westdeutsche Einmischung in internationale Konflikte und kritisiert die Beteiligung der Bundesrepublik am Kosovo-Krieg.

Szenario ohne Wiedervereinigung
Domke-Schulz stellt sich die Frage, wie die DDR ohne die Wiedervereinigung ausgesehen hätte. In einem alternativen Szenario hätte die DDR seiner Meinung nach durch einen „demokratischen Sozialismus“ reformiert werden können. Die Bevölkerung hätte die Wahl gehabt, die Stärken des Systems zu bewahren und Schwächen zu überwinden. Doch er sieht die Verlockungen des Westens – Bananen, Konsumgüter und D-Mark – als entscheidenden Faktor, der die Menschen zu einem schnellen Systemwechsel bewegte.

Ein unbequemes Erbe
Die Positionen von Wilhelm Domke-Schulz sind unbequem, denn sie fordern eine neue Betrachtung der Wiedervereinigung und der DDR. Seine Kritik an der westdeutschen Dominanz, der Zerstörung der DDR-Wirtschaft und der Ausklammerung ostdeutscher Perspektiven zeigt auf, wie tief die Gräben zwischen Ost und West auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch sind. Ob man seinen Thesen zustimmt oder nicht – sie werfen Fragen auf, die nach wie vor gesellschaftlich relevant sind.

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