Angesichts der angespannten internationalen Sicherheitslage rückt der Schutz der Zivilbevölkerung verstärkt in den Fokus. Während bundesweit Überlegungen zu einem neuen Schutzraumkonzept laufen, stellt sich die Frage, wie es in Thüringen um Schutzräume, alte DDR-Bunker und mögliche Fördermaßnahmen für Neubauten bestellt ist. Die Situation ist komplex und gibt Einblick in den Stand der zivilen Verteidigung – oder den Mangel daran.
Schutzräume in Thüringen: Keine öffentlichen Anlagen vorhanden
Das Thüringer Innenministerium bestätigte, dass es im Freistaat derzeit keine anerkannten öffentlichen Schutzräume gibt. Viele der noch aus DDR-Zeiten stammenden Anlagen wurden nach der Wiedervereinigung nicht in die Zivilverteidigungskonzepte der Bundesrepublik integriert. „Entsprechende Anlagen sind nicht in die Verteidigungskonzepte übernommen worden“, so ein Sprecher. Auch Förderungen des Bundes für den Bau oder Ausbau solcher Anlagen hat es in Thüringen nicht gegeben.
Die letzte Phase des Schutzraumbaus in Deutschland lag in den 1980er Jahren, als der Bund öffentliche Schutzräume errichtete und förderte. Diese Anlagen wurden teilweise bis Ende der 1990er Jahre fertiggestellt. Seitdem hat sich die Lage verändert: „Ob noch geeignete kommunale Schutzräume im Freistaat existieren, ist uns derzeit nicht bekannt“, so das Innenministerium weiter.
Nutzung von Mehrzweckanlagen als Schutzräume
Heutzutage werden Schutzräume oft als Mehrzweckanlagen konzipiert. Tiefgaragen oder Kellerräume öffentlicher Gebäude dienen in Friedenszeiten anderen Zwecken und sollen im Ernstfall als Schutzraum aktiviert werden. Dennoch gibt es in Thüringen – ebenso wie in vielen anderen Bundesländern – keine konkreten Vorgaben oder finanzielle Unterstützung für solche Bauvorhaben. Weder für private Schutzräume noch für öffentliche Anlagen gibt es aktuell Zuschüsse oder steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten.
Der Stand auf Bundesebene: Schutzraumkonzept in Arbeit
Bundesweit ist die Lage ebenfalls angespannt. Von den ursprünglich rund 2.000 Schutzräumen, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden, sind heute nur noch 579 vorhanden. Diese bieten nach aktuellen Angaben Platz für etwa 480.000 Menschen – eine geringe Zahl im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Deutschlands. Das Bundesinnenministerium kündigte jedoch an, Eckpunkte für ein neues Schutzraumkonzept auszuarbeiten. Diese sollen systematisch festlegen, welche Einrichtungen als Flucht- und Schutzräume in Frage kommen. Dabei werden Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und geeignete Kellerräume als mögliche Alternativen betrachtet.
Eine wesentliche Anforderung des neuen Konzepts ist die Erreichbarkeit der Schutzräume. „Es geht darum, dass diese Räumlichkeiten für Menschen schnell erreichbar sein müssen“, betonte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Künftig sollen Bürgerinnen und Bürger mithilfe von Apps oder Smartphones den nächstgelegenen Schutzraum ausfindig machen können.
Zusammenarbeit auf Länderebene: Thüringen ist beteiligt
Thüringen ist an der Entwicklung eines bundesweiten Schutzraumkonzepts beteiligt. Eine Arbeitsgruppe, die von der Innenministerkonferenz ins Leben gerufen wurde, befasst sich mit der flächendeckenden Schaffung von Schutzräumen. Grundlage dieser Überlegungen ist das 2023 entwickelte „Gesamtszenario zur Umsetzung der Konzeption Zivile Verteidigung“, das die Bundesregierung ins Leben gerufen hat. Dabei wird insbesondere geprüft, wie bestehende Keller kurzfristig als Schutzräume ertüchtigt werden können.
Erinnerung an DDR-Bunker: Was ist übrig geblieben?
In Thüringen existieren noch Überreste von DDR-Bunkern, die einst für den Zivilschutz und militärische Zwecke genutzt wurden. Diese Anlagen sind jedoch häufig ungenutzt und oft baulich oder technisch nicht mehr zeitgemäß. Die Nachnutzung solcher Bunker scheitert oft an hohen Instandsetzungskosten und der fehlenden Integration in die aktuellen Verteidigungskonzepte. Trotzdem könnten einige dieser Standorte potenziell reaktiviert werden, sofern finanzielle Mittel bereitgestellt und Anpassungen vorgenommen würden.
Schutz für die Bevölkerung: Ein teures Unterfangen
Die Wiederbelebung oder der Neubau von Schutzräumen ist mit erheblichen Kosten verbunden. Neben gestiegenen Baukosten wirken sich auch erhöhte Anforderungen der Banken auf die Finanzierung von Bauvorhaben aus. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur öffentliche Institutionen, sondern auch private Bauherren. In Thüringen bleibt die Frage offen, wie ein umfassender Schutz für die Bevölkerung gewährleistet werden kann.
Die Diskussion um Schutzräume zeigt, dass in Thüringen wie auch bundesweit erheblicher Nachholbedarf besteht. Während alte DDR-Bunker weitgehend ungenutzt bleiben und Förderungen für den Bau neuer Anlagen fehlen, arbeitet die Bundesregierung an einem Konzept, um die Bevölkerung besser auf Krisensituationen vorzubereiten. Ob dies jedoch schnell genug geschieht, bleibt abzuwarten. Thüringen wird sich als Teil der bundesweiten Arbeitsgruppe einbringen müssen, um langfristig Lösungen für den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger zu finden.