Monika Maron im Interview: „Pausenlos urteilt der Westen über den Osten!“

„Das wichtigste ist Autonomie“: Monika Maron im Gespräch

Monika Maron beleuchtet in dem Interview die Diskrepanz zwischen einem Gefühl der Ohnmacht und dem gleichzeitigen Wunsch nach konstruktiver politischer Auseinandersetzung, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in der DDR und der Nachwendezeit. Dieses Gefühl der Ohnmacht, das viele Ostdeutsche empfinden, resultiert aus der Erfahrung, dass ihre Meinung, ihre Geschichte und ihre Lebensleistung nicht ausreichend gewürdigt werden. Die Wiedervereinigung brachte zwar politische Freiheit, aber auch tiefgreifende Veränderungen mit sich, die viele Menschen im Osten vor große Herausforderungen stellten. Der Verlust von Arbeitsplätzen, die Abwanderung junger Menschen und das Gefühl, von den Westdeutschen nicht ernst genommen zu werden, führten zu Frustration und Resignation.

Dieser Zustand der Ohnmacht wird durch die ihrer Ansicht nach zunehmende Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen und die Einschränkung der Meinungsfreiheit noch verstärkt. Maron kritisiert die vorherrschende Diskussionskultur, die ihrer Meinung nach von moralischer Überlegenheit und der Ausgrenzung Andersdenkender geprägt ist. Wer nicht der Mehrheitsmeinung entspricht, läuft Gefahr, diffamiert und ausgegrenzt zu werden. Diese Intoleranz und der Mangel an Bereitschaft zum offenen Dialog führen dazu, dass sich viele Menschen entmutigt und ohnmächtig fühlen, ihre Meinung zu äußern.

Trotz dieser negativen Erfahrungen und der empfundenen Ohnmacht bleibt der Wunsch nach einer konstruktiven politischen Auseinandersetzung bestehen. Maron betont die Bedeutung des Dialogs und der gegenseitigen Achtung als Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie. Sie plädiert dafür, auch unpopuläre Meinungen zuzulassen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, anstatt sie zu ignorieren oder zu unterdrücken.

Maron sieht in der Fixierung auf die AfD und die Fokussierung auf deren Abgrenzung ein Symptom für die Defizite der politischen Kultur in Deutschland. Statt sich auf die Suche nach Lösungen für die drängenden Probleme der Zeit zu konzentrieren, wie z.B. die Folgen der Migration oder die Energiekrise, würden die anderen Parteien ihre Energie darauf verwenden, die AfD zu bekämpfen. Dieser Ansatz führe zu einer Verengung des politischen Diskurses und verhindere eine sachliche Auseinandersetzung mit den Themen, die die Menschen tatsächlich bewegen.

Maron appelliert an die Eigenverantwortung des Einzelnen und plädiert für mehr Mut, eigene Meinungen zu vertreten und sich aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen. Sie sieht in der Kunst und Kultur einen wichtigen Raum für kritische Reflexion und die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen. Gleichzeitig warnt sie vor zu starker staatlicher Einflussnahme auf die Kunst, die ihrer Meinung nach die Autonomie und Kreativität der Künstler einschränkt.

Die Diskrepanz zwischen Ohnmacht und dem Wunsch nach konstruktiver Auseinandersetzung ist somit Ausdruck einer gesellschaftlichen Krise, die durch Intoleranz, mangelnden Dialog und eine Abkehr von demokratischen Grundwerten gekennzeichnet ist. Maron ruft dazu auf, diese Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und sich für eine offene und tolerante Gesellschaft einzusetzen, in der unterschiedliche Meinungen ihren Platz haben.

zur Person – Monika Maron, 1941 in Berlin geboren, arbeitete nach ihrem Abitur zunächst ein Jahr als Fräserin in einem Industriebetrieb. Anschließend studierte sie Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Nach dem Studienabschluss war sie als Regieassistentin beim Fernsehen tätig und schrieb später als Reporterin für die „Wochenpost“. Seit 1976 arbeitet sie als freie Schriftstellerin. 1988 verließ sie Ost-Berlin und zog in die Bundesrepublik, wo sie zunächst in Hamburg lebte. Heute wohnt sie wieder in Berlin.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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