Dirk Neubauer hat seinen Rücktritt als Landrat des Landkreises Mittelsachsen bekannt gegeben. Diese Entscheidung verkündete der parteilose Politiker über YouTube. Der 53-Jährige, der sich stark für Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung einsetzte, sah sich in letzter Zeit vermehrt Anfeindungen ausgesetzt, die so weit gingen, dass er sogar seinen Wohnort wechseln musste.
Nach Drohungen gegen seine Familie zog Neubauer nun die Konsequenzen und trat zurück – nur zwei Jahre nach seinem beeindruckenden Wahlsieg. Seine Entscheidung stieß auf breite Unterstützung in der Bevölkerung, was Neubauer auch schätzt. Allerdings hätte er sich diese Unterstützung bereits während seiner Amtszeit gewünscht, wie er in einem Interview mit FOCUS online betonte. „Mich haben 55 Prozent der Menschen gewählt, aber davon habe ich in den Auseinandersetzungen nichts gespürt“, sagte Neubauer. Es bringe wenig, wenn einem hinter verschlossenen Türen Beifall gespendet werde. „Es gibt viele Menschen, die wissen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen und dass Hass und Hetze keine Lösungen bieten. Aber in unserem Land mangelt es an Zivilcourage, das muss klar gesagt werden.“
Neubauer fordert, dass die Menschen sich für die Werte einsetzen, die sie gewählt haben. Für ihn bedeutet Demokratie nicht „Du machst das schon“, sondern „Wir machen das gemeinsam“. Diese Unterstützung habe er während seiner Amtszeit oft vermisst.
Dass persönliche Anfeindungen in der Gesellschaft immer mehr akzeptiert werden, ist für Neubauer ein gravierendes Problem. „Wenn es gesellschaftlich akzeptabel ist, jemanden, der sich an Diskussionen beteiligt, notfalls auch mit Gewalt zu begegnen, dann befinden wir uns auf einem gefährlichen Weg.“ Es bedürfe einer breiten gesellschaftlichen Debatte, um zu einer gemäßigten Diskussionskultur zurückzukehren. „Der Hass, den ich in persönlichen Begegnungen erlebe, ist besorgniserregend. Es fehlt manchmal nur noch wenig, bis es tatsächlich zu Übergriffen kommt.“
Neubauer, der nach Drohungen bereits seinen Wohnort gewechselt hat, erinnert daran, dass politische Debatten früher ebenfalls heftig waren, aber es gab nicht diese „Vernichtungsdebatten“, wie sie zuletzt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ertragen musste. „Wir müssen diese Themen offen ansprechen, sonst verlieren wir dieses Land“, warnt Neubauer vor einem „schleichenden Prozess in der Gesellschaft“. Es sei dringend notwendig, die schweigende Mehrheit sichtbar zu machen und die Debattenkultur in Deutschland zu verbessern.