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Chemnitz 2025: Kulturhauptstadt zwischen Aufbruch und Schatten der Vergangenheit

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CHEMNITZ Die Augen reiben, das muss man sich in Chemnitz dieser Tage wohl öfter. Die Stadt, die lange unter dem Namen Karl-Marx-Stadt bekannt war, trägt 2025 den Titel Europäische Kulturhauptstadt. Doch der Weg dorthin und das Jahr selbst sind geprägt von Kontrasten: zwischen Aufbruchstimmung, kreativer Energie und dem beständigen Kampf gegen ein negatives Image, das eng mit rechtsextremen Tendenzen verbunden ist.

Das Klischee, dass aus Chemnitz „doch nur Nazis herkommen“, hält sich hartnäckig. Zwar mögen Klischees „sowieso kaum nichts“ bedeuten, wie eine Passantin meint, doch die Gefahr des Rechtsextremismus ist in Chemnitz nicht nur ein Klischee, sondern „generell ein ostdeutsches, ein deutsches Problem“ und etwas „alltägliches“, das man immer wieder hört. Diese Herausforderung wird im Kulturhauptstadtjahr „überdeutlich“. Engagierte Bürgerinnen und Bürger sehen es als ihre Pflicht, etwas dagegen zu unternehmen.

Ein starkes Zeichen gegen Rassismus und für ein tolerantes Chemnitz setzte bereits 2018 die in Chemnitz verwurzelte Band Kraftclub, die als Reaktion auf rechtsextreme Aufmärsche das Konzert „Wir sind mehr“ initiierte. Diese Solidarität, das Gefühl, sich nicht allein zu fühlen und nicht alleingelassen zu werden, ist wichtig. Die Musikerinnen der Chemnitzer Bands Blond und Kraftclub stammen aus der Kummer-Familie, die oft als die „Kardashians von Chemnitz“ bezeichnet wird. Vater Jan Kummer, Mitbegründer des Kultur-Hotspots Atomino, und seine Partnerin Beate Düber sind als bildende Künstler ebenfalls Teil des Kulturhauptstadtprogramms.

Doch selbst im Kulturhauptstadtjahr gibt es Reibungspunkte. Es scheint, als werde der Rotstift angesetzt, „wenn es um Kultur geht“. Kulturkürzungen treffen ausgerechnet das finanzgebeutelte Schauspielhaus Chemnitz, ein Ort, an dem „Kunst und Theater tapfer ankämpfen gegen die Gefahr des Rechtsextremismus“. Dieses „Hängenlassen“ des Theaters wird als Widerspruch gesehen, da die Kulturhauptstadt gleichzeitig zu einer offenen Stadtgesellschaft aufruft. Eine zentrale Frage bleibt, was von den Projekten und der Dynamik nach dem Kulturhauptstadtjahr bleiben wird, wenn der Countdown abgelaufen ist.

Ein Pilotdokumentationszentrum zum NSU-Komplex mit dem Namen „Offener Prozess“ wurde in Chemnitz eröffnet, was ohne die Kulturhauptstadt „wahrscheinlich nicht gegeben hätte“. Es erinnert an die Schauplätze und Taten des rechtsextremen Terrors, die lange verdrängt wurden. In Chemnitz, Jena und Zwickau waren die NSU-Terroristen gut vernetzt und hatten rassistische Unterstützer. Das Zentrum gibt Angehörigen und Betroffenen des NSU-Komplexes Gehör. Es geht darum, Verantwortung zu zeigen und die bis heute unerfüllten Forderungen der Opfer und ihrer Familien ernst zu nehmen. Oberbürgermeister Sven Schulze hofft, dass das Zentrum hilft, „eine Scheu zu verlieren“ sich mit diesem unangenehmen Teil der Geschichte auseinanderzusetzen. Überlebende wie Abdullah Öskan stellen persönliche Erinnerungsstücke aus und empfinden es als schön, dass „so viele schöne Menschen“ ihre Erfahrung anhören wollen. Die Eröffnung des Zentrums fand großen Andrang.

Die Kulturhauptstadt will nicht nur das Stadtzentrum beleben, sondern auch die ländliche Region des Erzgebirges einbeziehen. Der Purple Path, ein Skulpturen- und Wanderweg, verbindet 38 Orte und bringt moderne Kunst in die Region. Ein Beispiel ist der „Coinstack“ des Künstlers Sean Scully in Schneeberg, der eine Debatte auslöste und dessen Wellenlinie den Künstler an die Wirbelsäule erinnerte und das Auf und Ab von Bergbau und Wohlstand in der Region symbolisiert. Im nahen Ölsnitz wird im Bergbaumuseum „Kohlewelt“ die Geschichte des Steinkohlenbergbaus lebendig. Drei berühmte Männer – Otto Lilienthal, Karl May und Karl Marx – werden hier mit dem Schacht verbunden; Marx inspirierte nachweislich die Gründung der ersten Bergarbeitergewerkschaft Deutschlands in dieser Region. Die „Sensation“ des Purple Path in der Kohlewelt wird der Lichtdom von James Turrell in der sanierten Halle 18 sein, dessen Arbeit für ein Bergwerk erstmals die eminente Wichtigkeit des Lichts für Bergleute aufgreift.

Auch am sächsischen Jakobsweg, der sich mit dem Purple Path kreuzt, wird „Machaergie“ (Macherenergie) lebendig. Auf dem Biobauernhof der Gebrüder Bochmann entstehen mobile Pilgerhütten, entworfen von jungen Designern der Hochschule Zwickau. Diese „bewohnbare Kunst“, wie das „Fass des Diogenes“ oder die „Schubkarre“, ist Teil des größten Mitmachprojekts der Kulturhauptstadt und nutzt die „Pole Position“ am Jakobsweg.

Ein weiteres großes Mitmachprojekt ist #3000 Garagen. Einst gab es 30.000 Garagen in Chemnitz, viele stehen heute leer oder wurden abgerissen. Das Projekt nimmt sowohl die Garagen als auch ihre Besitzer unter die Lupe. Es geht um Hobbys wie Filzen in der „Wollgarage“ oder das Sammeln von Mitropa-Stücken, die sonst weggeworfen worden wären. Das Projekt beleuchtet auch die Unsicherheit der Garagenbesitzer, denen oft der Grund und Boden nicht gehört. Eine französische Künstlerin, Kosima Terrass, wurde eingeladen, eine partizipative Arbeit zu machen und fasste dabei ein wichtiges Wesensmerkmal der Chemnitzerinnen und Chemnitzer auf: „aus Scheiße Gold machen“.

Die Stadt ringt mit dem Strukturwandel, der hart war und weitergeht. Der Exodus nach dem Verlust Zehntausender Industriearbeitsplätze wurde bis heute nicht aufgeholt. Doch es gibt Anfänge: Große Fabrikhallen verwandeln sich in „spacige urbane Räume“. Die Kulturhauptstadt erzählt mit Ausstellungen wie „Tales of Transformation“ von der einst reichen Industriestadt und dem, was davon geblieben ist.

Chemnitz ehrt im Kulturhauptstadtjahr auch seinen „größten Künstlersohn“, den Expressionisten und Mitbegründer der Brücke, Karl Schmidt-Rottluff. Ein nigelnagelneues Museum im Wohnhaus seiner Eltern wurde durch „sehr starkes bürgerliches Engagement“ und die Kulturhauptstadt möglich. Es zeigt erstmals auch sein weniger bekanntes designerisches Werk. Das Museum beleuchtet auch die Verfolgung des Künstlers in der NS-Zeit und das Malverbot von 1941, was die Frage der Kunstfreiheit aufwirft – ein Thema, das laut Museumsdirektorin heute „fast wieder ein bisschen“ relevant ist und die Demokratie mitgefährdet.

Die Kulturhauptstadt soll nicht nur Außenwirkung erzielen, sondern den Chemnitzerinnen und Chemnitzern einen Schub für Selbstbewusstsein, für Stolz geben, trotz aller Problemlagen. Ziel ist es, ein neues Wirgefühl zu erzeugen. Programmchef Stefan Schmidte sieht die Kulturhauptstadt als Hebel für Stadt- und Regionalentwicklung und als Booster fürs Wirgefühl. Er wirbt in Brüssel dafür, die Erfahrungen anderer Kulturhauptstädte zu nutzen und den Titel vielleicht sogar weiterzugeben, da Kultur eine Kraft ist, die zusammenführt, „wenn die Gesellschaft auseinandertreibt“.

Bleiben wird hoffentlich „eine Menge“. Für Projekte wie das neue Schmidt-Rottluff Museum und die Brücke zur sanierten Wohnmühle, seinem Geburtshaus, wird Nachhaltigkeit über das Jahr hinaus angestrebt. Nirit Sommerfeld plant, ihr Kaffee Julius im Schocken, einem früheren jüdischen Kaufhaus, das heute für Vielfalt steht, mindestens bis nächsten Sommer weiterzubetreiben.

Chemnitz möchte nicht länger „See the unseen Chemnitz – die Ungesehene“ bleiben. Trotz Kulturkürzungen, der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und den Herausforderungen des Strukturwandels zeigt die Stadt im Kulturhauptstadtjahr eine enorme „Machaergie“ und kreative Vielfalt. Der Wunsch am Ende ist klar: weiter so viel Energie und endlich die Anbindung, damit sich das genaue Hinsehen in Chemnitz für mehr Menschen lohnt.

NATO-Großmanöver BALTOPS 2025 vor Rostock gestartet – Proteste begleiten Auftakt

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Am 5. Juni 2025 hat vor der Küste Rostocks in der Ostsee das maritime NATO-Großmanöver Baltic Operations, kurz BALTOPS, begonnen. Die Übung, die rund 50 Schiffe und Boote, mehr als 25 Luftfahrzeuge und etwa 9000 Soldatinnen und Soldaten umfasst, zog bereits am Morgen zahlreiche Schaulustige auf die Molen von Warnemünde.

Der Auftakt des Manövers wurde von Protesten begleitet. Auf der Mittelmole hatten sich etwa 30 Protestierende versammelt, um mit den Schaulustigen ins Gespräch zu kommen. Im Rostocker Rathaus waren für diesen Tag insgesamt fünf Demonstrationen im Zusammenhang mit der Übung angemeldet.

Die Demonstranten sehen den Start des NATO-Manövers in Rostock als „das falsche Zeichen“. Aus ihrer Sicht der historischen Verantwortung heraus sollte Deutschland stattdessen das „Friedens- und Diplomatieland Nummer 1“ sein. Ein Protestierender verwies auf das Friedensgebot im Grundgesetz und den Grundsatz „von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“. Er fragte, ob die 27 Millionen russischen Opfer im Zweiten Weltkrieg keine Rolle spielten, wenn plötzlich eine solche Feindschaft aufgebaut werde. Die Aktivisten vertreten die Ansicht, dass die aktuelle Politik nicht den Willen der Väter, Mütter und Großeltern widerspiegelt. Sie haben die Initiative „Eine Million Stimmen für den Frieden“ ins Leben gerufen, um bundesweit für Diplomatie als bessere Alternative zu werben.

Auf der Mittelmole positionierte sich unter anderem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus Rostock. Als symbolisches Zeichen des Friedens sollten später weiße Tauben aufsteigen. Mit Transparenten, Luftballons und Musik wollten die Teilnehmenden deutlich machen, dass es auch andere Auffassungen gibt. Sie sind überzeugt, mit ihrer Meinung „wirklich nicht alleine“ zu sein.

Für Irritation sorgte die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr im Vorfeld und während des Auftakts. Die Einladung zu einer Presseveranstaltung erfolgte äußerst kurzfristig, die Auswahl der Medienvertreter wirkte willkürlich, und spätere Akkreditierungen waren nicht möglich. Anfragen für Interviews oder Statements zur Übung wurden von verantwortlichen Pressesoldaten abgewiesen. Dies wird als „nicht nachvollziehbar“ bewertet und führte dazu, dass die Berichterstattung, wie sie in den bereitgestellten Informationen dargestellt wird, „ein bisschen einseitig“ ist und vor allem die Proteste beleuchtet. Es wird jedoch angekündigt, weiterhin zu versuchen, die Position der Bundeswehr und den Hintergrund der Übung journalistisch einzuordnen.

Mehr als nur Sattmacher: Die unvergessliche Küche der DDR

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Wenn Sie dachten, Soljanka sei nur Suppe und Jägerschnitzel echtes Schnitzel, dann haben Sie die Küche der DDR nicht wirklich kennengelernt. Diese Gerichte erzählten Geschichten und weckten Erinnerungen. Es war eine Küche, die aus dem Nichts ein Fest machen konnte, geboren aus Mangel, aber geliebt wegen ihres Charakters.

Die „Königin der Resteküche“ und andere Helden des Alltags
Ein Paradebeispiel dafür ist die Soljanka. Sie war scharf, sauer, rauchig und die „Königin der Resteküche“. In ihr landete, was da war: Jagdwurst, Salami, saure Gurken, Tomatenmark, ein Schuss Brühe. Das Aroma war würzig-herzhaft, roch nach Werkskantine, Familienfeier, nach Zuhause. Manche verfeinerten sie mit Zitrone oder Sahne; jeder hatte sein Geheimnis, jede Familie ihr eigenes Rezept. Soljanka war kein Gericht, sie war ein Erlebnis.

Ein weiterer Klassiker war das Jägerschnitzel, das nach Wurst schmeckte statt nach Wild. Eine dicke Scheibe panierter Jagdwurst, goldgelb gebraten, außen kross, innen saftig, daneben Spirelli und eine süßlich duftende Tomatensoße. Es schmeckte nach „warmem Zuhause“ und war oft ein „Feiertag auf dem Tablett“ in der Schulkantine. Es gab nichts vor zu sein und fehlte genau deshalb so vielen.

Mutige kannten die „Tote Oma“, deren Name nach Horrorfilm klang, auf dem Teller aber „pure Kindheit“ war. Dahinter verbarg sich gebratene, zerdrückte Blutwurst mit Sauerkraut und Salzkartoffeln. Es war kein Gourmetgericht, aber es machte satt und lieferte Eisen, Fett und Geschmack. Der Name war „makaber wie aufrichtig“, typisch für die ehrliche Küche der DDR, in der nichts beschönigt oder versteckt wurde. Auch wenn es heute langsam verschwindet, lebt es in Erinnerungen weiter – die dunkle, würzige Masse, die wie ein Abschied schmeckte und doch auch wie Zuhause.

Die Königsberger Klopse, zartes Hack, gerollt und in Brühe gegart, schwammen oft in einer hellen, samtigen Mehlschwitze. Kapern fehlten oft, aber das Gericht schmeckte trotzdem nach Zuhause. Es wanderte mit den Menschen aus Ostpreußen in die Küchen der DDR und sorgte beim ersten Bissen für ein „warmes Gefühl zwischen Kindheit und Geborgenheit“.

Als „feine Note im grauen Alltag“ galt Würzfleisch. Serviert in kleinen Schälchen, dampfend, mit zartem Fleisch in cremiger Soße, darüber geschmolzener Käse. Ursprünglich Ragout fin, wurde es mangels Kalbsbries und Luxuszutaten aus Schwein, Hähnchen oder Resten Kasseler zubereitet. Es war ein Gericht, das Stil hatte, ob in der Gaststätte oder zu Hause, ein Moment, in dem man sich etwas gönnte.

Einfach, Ehrlich, Unvergesslich
Viele Gerichte zeigten, wie wenig man brauchte, um satt und glücklich zu sein. Eier in Senfsoße zum Beispiel. Drei hartgekochte Eier in einer sämigen, leicht scharfen Mehlschwitze mit Senf, Essig und Zucker, dazu Salzkartoffeln. Günstig, verfügbar und funktionell. Es stand oft wöchentlich auf dem Tisch und wurde später vermisst, „weil es nicht nur scharf war, sondern auch ehrlich“. Ähnlich pragmatisch war das Bauernfrühstück aus gebratenen Kartoffeln vom Vortag mit Zwiebeln, Jagdwurst und einem Ei. Es roch nach Röstaromen und Zuhause, war „DDR pur – pragmatisch, rustikal und sattmachend“.

Auch Desserts und Kuchen zeigten diese Mischung aus Einfachheit und Kreativität. Der „Kalter Hund“ war ein Muss auf Kindergeburtstagen. Ein Kuchen ohne Backen, schichtweise aus Butterkeksen und Kakaomasse/Kokosfett gebaut, der kalt werden musste. Er war ein „Versprechen auf Kindergeburtstage“ und gehörte zum Fest wie Luftballons. Auch die Quarkkeulchen, eine Mischung aus gekochten Kartoffeln und Quark, gebraten und süß, oft mit Apfelmus, waren ein „süßes Hauptgericht für fleischfreie Tage“. Sie zeigten, dass gute Küche keine Show braucht, nur Herz.

Der Dresdner Eierschecke war eine Komposition aus Hefeteig, Quarkmasse und Eierscheckenmasse, ein kleines Kunstwerk, oft vom Bäcker geholt. Er signalisierte Feier und schmeckte nach Heimat. Der Selterskuchen, ein einfacher Rührteig mit Sprudelwasser für die Lockerheit, war das „leise Rückgrad der DDR-Backkultur“. Unspektakulär, verlässlich und immer schnell aufgegessen. Der knallgrüne Mooskuchen, oft mit Spinat gefärbt, war ein Hingucker und Gesprächsthema, ein „süßer Gruß aus der Kindheit“.

Gerichte mit Gefühl und Erinnerung
Viele dieser Gerichte waren mit starken Gefühlen verbunden. Schmorgurken, aus dem Garten geerntet und geschmort mit Zwiebeln und etwas Speck oder Hack, rochen nach Dill und Sommerregen und erinnerten an Sommerferien bei Oma. Letcho, eingekochte Paprika, Tomate und Zwiebel, oft aus dem Vorratsschrank geholt, brachte Farbe auf den Teller und schmeckte nach Urlaub in der Datsche. Das Steak au four, ein Schweinesteak mit Würzfleisch und Käse überbacken, galt als Luxus und roch nach Sonntagnachmittag. Der Bräuler, ein ganzes Brathähnchen, war mehr als ein Imbissgericht; er war ein Ereignis, das „Fastfood der Herzen“.

Gerichte wie Schichtkraut oder Kassler mit Sauerkraut waren Hausmannskost für viele Tage oder standen für Sonntag und Besuch. Sie rochen nach Ofenwärme, Winter oder einfach nach einem guten Tag.

Die DDR-Küche war vielleicht nie perfekt, aber sie war immer echt. Sie machte satt, wärmte das Herz und erzählte Geschichten von Pragmatismus, Kreativität und dem Gefühl von Zuhause. Wer diese Gerichte einmal gegessen hat, weiß, dass Geschmack manchmal eben doch besser ist als jedes Dreigängemenü und dass Erinnerung oft durch den Magen geht.

Superteam belebt Kulturgarten Tressow in Mecklenburg-Vorpommern neu

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Tressow – Mecklenburg-Vorpommern, ein Landstrich geprägt von uralter Kultur und einer tiefen Verbindung zu Wald, Pflanze und Tier. Rund 500.000 Hektar sind auch heute noch bewaldet und bieten nicht nur wertvollen Rohstoff, sondern sind auch unverzichtbarer Lebensraum für unzählige Arten. Der Wald gilt als Inbegriff der Natur, und sein Schutz sowie die Bewahrung der lebendigen Vielfalt sind wichtige gesellschaftliche Ziele, denn wir Menschen sind auf intakte Waldökosysteme angewiesen.

Dieses alte und neue Wissen über Wälder, ihre Pflanzen und Gärten zu erhalten, ist das zentrale Ziel des Kulturgarten Tressow. Unweit der Hansestadt Wismar bewirtschaftet ein engagierter Verein ein weitläufiges Gelände. Hier finden zahlreiche Aktivitäten statt, die den Wert der Natur und die Verbundenheit zu ihr in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehören Seminare und praktische Arbeiten rund um Kräuter, Blumen und Naturmaterialien. Der Verein hat sich die Förderung dieses uralten Kulturguts auf die Fahne geschrieben und versteht sich als Organisation für Nachhaltigkeit. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Förderung der Kleingärtnerei und Pflanzenzucht.

Doch der Kulturgarten Tressow ist mehr als nur ein Ort für Pflanzenliebhaber. Er spielt auch eine wichtige soziale Rolle in der Region. Um ältere Bewohner der Umgebung aus der Isolation zu holen und die Gemeinschaft zu stärken, werden kreative Angebote, Gesellschaftsspiele, Lesungen sowie gemeinschaftliches Kaffeetrinken und Singen angeboten. Der Kulturgarten leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Belebung des ländlichen Raumes.

Obwohl der Kulturgarten heute so lebendig erscheint, waren die Zeiten nicht immer einfach. Das Team um Silvia Alex und ihre Mitstreiter stand vor etwa vier Jahren vor dem Aus. Doch durch die Unterstützung eines Schweizer Vereins konnte der Garten wieder zum Leben erweckt werden. „Wir haben gesagt, das muss hier weitergehen, das muss hier vorwärts gehen“, so die Verantwortlichen. Dieser Neuanfang war nur dank eines super Teams möglich, denn „alleine der Vereinsvorstand kann gar nichts erreichen, wenn nicht ein tolles Team hinter ihm steht“. Die Aufgaben im Team sind vielfältig: Während einige gärtnern, sind andere kreativ oder kümmern sich um den Flohmarkt – hier ist immer irgendwas los.

Damit all die geplanten Projekte umgesetzt werden können, benötigt der Verein jedoch auch finanzielle Unterstützung. Kürzlich konnte sich der Kulturgarten Tressow über eine besondere Geste freuen: Die Caritas war zu Besuch, um eine Spende zu überreichen. Diese Zuwendung ist dringend nötig, da der Verein noch sehr, sehr viel vorhat, insbesondere für die Kinder. Geplant sind unter anderem die Entstehung eines Lehrpfades durch den Kulturgarten sowie die Fertigstellung von Tastboxen. „Es sind so viele Sachen, die noch gemacht werden müssen, und da fehlt einfach noch so das nötige Kleingeld“, erklären die Organisatoren, die sich freuen, heute zumindest einen Teil davon erhalten zu haben.

Die Bedeutung der Förderung des ländlichen Raumes und des bürgerschaftlichen Engagements ist mittlerweile auch in der Politik erkannt worden. Viele Aktivitäten im Lebensumfeld der Menschen beruhen auf dem Einsatz derer, die mehr tun als das, was das tägliche Leben abverlangt. Besonders im ländlichen Raum findet dieses Engagement selten im Rampenlicht statt. Der Kulturgarten Tressow ist ein leuchtendes Beispiel für solches Engagement, das Naturverbundenheit, Nachhaltigkeit und Gemeinschaftsgeist vereint.

Vom Stolz der See zur Tiefe des Meeres: Das tragische Ende der MS Georg Büchner

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Rostock/Danzig – Sie war ein Stück Rostocker Stadtgeschichte, ein Symbol für die Seefahrtstradition der DDR und ein Zuhause auf Zeit für tausende Seeleute und Besucher: die MS Georg Büchner. Doch das Leben des eindrucksvollen Schiffes fand am 30. Mai 2013 ein jähes und tragisches Ende, als sie auf dem Weg zur Verschrottung vor der polnischen Ostseeküste nahe Danzig sank. Ein trauriges Kapitel deutscher Schifffahrtsgeschichte schloss sich damit.

Die Georg Büchner, ursprünglich 1951 oder 1952 in Antwerpen, Belgien, als Passagier- und Frachtschiff „Charlville“ gebaut, diente 15 Jahre lang im Kolonialverkehr zwischen Belgien und dem Kongo. Als „ein einzigartiges Stück Schiffsgeschichte“ wurde sie 1967 von der DDR gekauft und nach Rostock gebracht. Hier erhielt sie ihren neuen Namen und wurde zum Ausbildungsort für die Deutsche Seereederei. Fast 14.000 oder rund 14.000 Seeleute erlernten auf ihren Planken das Handwerk. Die Grundausbildung auf der Büchner galt als harte Schule und Feuertaufe, die Disziplin und Ordnung lehrte. Zehn Jahre lang fuhr sie die Route Rostock-Kuba-Rostock, transportierte Landwirtschaftstechnik nach Havanna und Zucker sowie Rum zurück.

Nach dem Ende der Karibikreisen 1977 wurde das Schiff in Rostock-Schmal festgemacht und diente als stationärer Ausbildungsort und Betriebsberufsschule bis 1989. Ein belgischer Elektriker, George Bogard, der viele Jahre auf der Charlville gearbeitet hatte, machte sogar die Überführung nach Rostock 1967 mit. Rostocks Hafenkapitän Gisbert Ruhnke gehörte ebenfalls zu den Seeleuten, die auf der Büchner ausgebildet wurden.

Seit 2001 lag die Georg Büchner im Rostocker Stadthafen und wurde von einem Trägerverein als Jugendherberge und Hotel betrieben. Trotz jahrelanger Bemühungen des Vereins, das Schiff zu erhalten, wurden die finanziellen Schwierigkeiten zu groß. Fehlende Einnahmen, unter anderem durch den Weggang eines Hauptmieters, machten den Betrieb unwirtschaftlich. Das Schiff als „Schiff“ zu erhalten, war neben der Einrichtung der Jugendherberge einfach zu teuer. Geschätzte 5 Millionen Euro wären für den Erhalt nötig gewesen.

Im Jahr 2012 meldete der Trägerverein Insolvenz an. Es folgte der Verkauf. Zunächst kursierten Gerüchte, sie werde zur Verschrottung nach Litauen gebracht. Der Hafenkapitän Gisbert Ruhnke äußerte damals, das Schiff sei zum Verkauf angeboten worden, und der Käufer entscheide, ob es verschrottet werde. Man ging davon aus, dass die Verschrottung wahrscheinlich sei, da das Schiff alt war und hohe Kosten für eine Herrichtung verursachte.

Zu diesem Zeitpunkt formierte sich Widerstand in der Rostocker Bevölkerung. Auch aus Belgien gab es Interesse an einer Rettung. Experten aus Antwerpen meldeten Interesse an, das Schiff vor der Verschrottung zu bewahren und es nach Antwerpen zurückzuholen, wo es gebaut wurde. Professor Erik van Heudong von der Gesellschaft für maritimes Erbe Belgiens setzte sich für die Rettung ein und nannte das Schiff ein „Schmuckstück“, dessen Verschrottung eine Schande wäre. Die Belgier waren in konstantem Kontakt mit potenziellen Sponsoren und wollten das Schiff besichtigen.

Doch die Situation war komplex. Das Schiff war bereits an einen russischen Schrotthändler verkauft, und die juristische Lage war verfahren. Hinzu kam, dass die Georg Büchner auf der Denkmalliste der Stadt Rostock stand. Veränderungen am Schiff oder ein Ortswechsel waren genehmigungspflichtig. Offensichtlich wurde versäumt, rechtzeitig die Streichung von der Denkmalliste zu beantragen. Der Eigentümer, der Förderverein Traditionsschiff, reichte die nötigen Unterlagen erst sehr spät ein. Das Amt für Kultur und Denkmalpflege forderte, dass das Schiff im Hafen bleiben müsse, bis über den Denkmalschutz entschieden sei.

Die Hansestadt Rostock hatte zuvor auf Antrag des Oberbürgermeisters Roland Methling auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Begründung waren zu hohe Kosten für Erwerb und Erhalt. Diesem Antrag wurde zugestimmt, da niemand wusste, dass das Schiff unter Denkmalschutz stand. Andernfalls hätte die Stadt es für nur einen Euro als städtischen Besitz zurückholen können, anstatt der geschätzten 750.000 Euro. Vom letztendlichen Verkaufserlös von rund 740.000 Euro landeten nur 90.000 Euro bei der Stadt, die nun der Pflege des maritimen Erbes zugutekommen sollen.
Trotz zahlreicher Bekundungen zur Rettung fehlte es an umsetzbaren Konzepten. Die Vorbereitungen für den Verkauf liefen an Bord unbeirrt weiter. Am 28. Mai 2013 verließ die Georg Büchner, geschleppt vom polnischen Schlepper Ajax, den Rostocker Stadthafen Richtung Klaipeda. Zwei Tage später sank sie.

Das Ende der Georg Büchner sorgt noch immer für Ärger. Der Fall wird auch nach Klärung der Ursachen für das Sinken ein Thema bleiben. Die Meinungen und Vorschläge der Bürger sollten in die Entscheidungsfindung für ein maritimes Erlebniszentrum einfließen, meinen einige.
Doch die Erinnerung lebt weiter. Auf dem Traditionsschiff MS Dresden ist die Georg Büchner „museal“ wieder aufgetaucht. Eine Sonderausstellung, die mit reger Beteiligung eröffnete, zeigt die Geschichte des Schiffes von seinem ersten Leben bis zum Untergang. Seeleute und ehemalige Besatzungsmitglieder haben die Ausstellung unterstützt und Erinnerungsstücke zusammengetragen. Die Ausstellung auf der MS Dresden ist täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr zu sehen und soll nach und nach erweitert werden. Erinnerungen an die Georg Büchner sind weiterhin willkommen.

Die „Fritz Heckert“: Ein schwimmender Traum zwischen Freiheit und „Ostalgie“

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Am 25. Juni 1960 lief auf der Mathias-Thesen-Werft in Wismar ein Schiff vom Stapel, das bald zur Legende werden sollte: die „Fritz Heckert“. Als erstes Kreuzfahrtschiff der Deutschen Demokratischen Republik war sie mehr als nur ein Wasserfahrzeug; sie war eine Geschichte von Freiheit, die plötzlich da war und ebenso schnell wieder verschwand. Ein Traum, der viel zu schnell ausgeträumt werden musste und Erinnerungen weckt.

Die „Fritz Heckert“ ist ein typisches Beispiel für den Sozialtourismus. Dies war ein wichtiger Aspekt der DDR, um die Menschen bei der Stange zu halten und die Arbeitsproduktivität zu fördern. Doch für viele Besatzungsmitglieder und Passagiere bedeutete die „Fritz Heckert“ auch die Chance, die Welt jenseits des sozialistischen Tellerrands zu erleben.

Doris und Peter Garscha kamen 1966 an Bord, sie als Stewardess, er als Matrosenlehrling. Für sie lag eine Welt vor ihnen, in der es weder die SPD noch die Stasi gab. Republikflucht kam für sie nicht in Frage. Sie wollten einfach nur die endlose Freiheit erleben. Doris bewarb sich heimlich bei der Reederei, da sie als einziges Kind nicht wollte, dass ihre Eltern davon erfuhren. Sie dachte, den alltäglichen Alltag könne man immer haben, aber die Welt erleben wollte sie jetzt.

Die Reisen führten von Hamburg bis nach Nordafrika, über 59 Häfen in 24 Ländern. Begegnungen mit der kapitalistischen Welt waren skurril, witzig, beinahe anekdotisch. Bei der ersten Ansteuerung Hamburgs führte der Weg natürlich als Erstes durch die Herbertstraße. Die Lehrlinge waren dabei, und ein Matrose wusste vor lauter Schreck nicht, wohin er gucken sollte. Aufklärung über mögliche gesundheitliche Probleme auf Reisen gab es zwar, aber hingucken gehörte dazu.

Doch die „Fritz Heckert“ hatte auch ihre Kehrseite. Bei der Jungfernfahrt kehrten 25 Passagiere und zwei Besatzungsmitglieder der schwimmenden DDR-Insel für immer den Rücken. Auch später, als Reisen in nicht-sozialistische Länder strengstens untersagt wurden, sprangen Menschen oft aus purer Verzweiflung ins kalte Wasser. Die Geschichte der „Fritz Heckert“ wirft auch einen dunklen Schatten zurück.

An Bord waren neben der Besatzung auch Ingenieure und Schiffsärzte. Horst Norberg hielt zwischen 1965 und 1966 als Wachoffizier Wache. Das Schiff konnte bis zu 369 Passagiere in 112 Zwei-, 33 Drei- und 14 Vierbettkabinen unterbringen. Sie genossen den wahren DDR-Luxus: zwei Schwimmbäder, Restaurants mit exotischer Küche, Konzerte und Tanzveranstaltungen. Für die meisten war es ein unvergesslicher Urlaub.
Die Reisen führten nicht nur mit DDR-Bürgern, sondern auch mit westlichen Touristen, Ungarn und Polen, die ebenfalls in westliche Länder reisen durften. Es gab auch Schwarzmeer-Reisen mit ausgezeichneten DDR-Bauarbeitern, LPG-Bauern oder sogar Leuten, die die Fahrt in einer Tombola gewonnen hatten. Es waren ganz einfache Leute, die hell begeistert waren, mit solch einem Schiff zu fahren.

Die Ausstellung im Wismarer Phantechnikum erweckt diese Legende wieder zum Leben. Mit wertvollen Leihgaben des Schifffahrtsmuseums Rostock versucht die Ausstellung, die Geschichte der „Fritz Heckert“ aus verschiedensten Blickwinkeln zu rekonstruieren. Dabei geht es nicht unbedingt um das Schiff als technisches Produkt, sondern um die Emotionen, die Reisen, die dahinter stecken. Die Ausstellung macht die Geschichte wieder sichtbar und berührbar.

Die für den Bau festgesetzten 35.453.000 Mark sollten ursprünglich von volkseigenen Betrieben aufgebracht werden, doch ganze 29,5 Millionen Mark davon wurden allein durch Spenden abgedeckt. Ein richtiges Volksschiff eben. Dies weckt natürlich auch „Ostalgie“. Die Macher der historischen Ausstellung wissen, dass das Nostalgische dabei mitschwingt, aber für sie ist es vor allem Schiffbaugeschichte, die gezeigt werden soll.

Bis 1970 legte die „Fritz Heckert“ sage und schreibe 490.400 Seemeilen zurück. Umgerechnet waren das 23 Erdumrundungen. Danach wurde sie zum Wohnschiff umfunktioniert. 1999 wurde sie schließlich im indischen Mumbai verschrottet. Der Weg dorthin war die letzte Seefahrt des ersten Kreuzfahrtschiffes der DDR. Trotz allem bleibt sie in Erinnerung – als eine Legende.

Europas Zukunftszentrum wächst in Halle in Sachsen-Anhalt

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Halle (Saale) etabliert sich zusehends als ein zentraler Akteur und Motor für Transformation und Fortschritt in der Metropolregion Mitteldeutschland. Die Stadt, als einwohnerstärkste in Sachsen-Anhalt, überzeugt durch das Zusammenspiel von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft und nimmt eine Schlüsselrolle ein.

Ein herausragendes Symbol für diesen Wandel ist das entstehende Zukunftszentrum für deutsche Einheit und europäische Transformation. Dieses bedeutende Projekt wächst in Halle, direkt am Riebeckplatz, dem größten Verkehrsknoten Ostdeutschlands. Ab dem Jahr 2030 soll das Zukunftszentrum jährlich rund eine Million Besucher anziehen. Geplant als internationaler Anlaufpunkt für Forschung, Begegnung und Kultur, wird es ein starkes Zeichen für die innovative Ausrichtung der Stadt und den überregionalen Wandel setzen.

Doch das Zukunftszentrum ist nur ein Teil einer noch viel größeren Transformation. Direkt daneben, auf dem 20 Hektar großen ehemaligen RW-Gelände, einer Altindustriefläche, entsteht in den kommenden Jahren ein komplett neuer Stadtteil. Dieser „Lost Place“ wird zum Cyberquartier revitalisiert und soll den digitalen Puls der Stadt spürbar stärken. Es handelt sich dabei um eines der Leuchtturmprojekte des Strukturwandels in Mitteldeutschland.

Die Stärke Halles liegt auch in seiner Wirtschaft. Der 230 Hektar große Industriepark Starpark beherbergt eine Vielzahl von Unternehmen aus verschiedenen Branchen, darunter die Automobilindustrie, Lebensmittelverpackung und Logistik. Große Marken wie Porsche, Schuler, Schäffler, Amazon und DHL nutzen die ausgezeichnete Infrastruktur des Standorts, die ideale Anbindung an Autobahnen, das Schienennetz und den benachbarten Flughafen Leipzig/Halle.

Halle ist ebenso eine bedeutende Stadt der Bildung und Forschung. Mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Cyberagentur des Bundes sowie über 22.000 Studierenden pulsiert hier das akademische Leben. Der Weinberg Campus, der zweitgrößte Technologiepark Ostdeutschlands, bildet das Zentrum für wissenschaftlichen Fortschritt. Er bietet Universitäten, Start-ups und Science-Unternehmen einen idealen Nährboden. Ein Beispiel für die Innovationskraft ist das mRNA-Kompetenzzentrum von Wacker Biotech, das einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebereitschaft Deutschlands leistet.

Neben Wirtschaft und Wissenschaft zeichnet sich Halle durch eine lebendige Kulturszene aus. Die Stadt bietet mit der Oper, vielen Theatern, dem größten Glockenspiel Europas, Museen und den internationalen Händelfestspielen einen einzigartigen Charme. Halle ist eine 1200-jährige Stadt, in der Tradition und Moderne täglich aufeinandertreffen – eine Stadt im Aufbruch, die wächst.

Auch wenn Halle vielleicht nicht jeder sofort auf dem Schirm hat, machen ihre Visionen, Projekte, Menschen und der Blick nach vorne sie zu einem zentralen Ort der Transformation in Mitteldeutschland. Europas Zukunftszentrum, das in Halle wächst, unterstreicht diese Entwicklung.

Alltag in der DDR: Zwischen Mangel, Gemeinschaft und staatlicher Kontrolle

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Das Leben in der Deutschen Demokratischen Republik war ein komplexes Zusammenspiel aus staatlichen Vorgaben, wirtschaftlichen Herausforderungen und dem unermüdlichen Streben der Bürger, ihren Alltag zu gestalten. Hinter dem Eisernen Vorhang entwickelten die Menschen eigene Strategien, um mit den Besonderheiten ihres Systems zurechtzukommen.

Die Herausforderungen der Mangelwirtschaft
Einer der prägendsten Aspekte des DDR-Alltags war die allgegenwärtige Mangelwirtschaft. Die staatlich organisierte Planwirtschaft bestimmte, welche Güter produziert und verteilt wurden, was häufig zu Engpässen bei Konsumgütern führte. Produkte des täglichen Bedarfs wie Kaffee, Bananen oder Autos waren Mangelware und wurden zu Symbolen dieser Knappheit. Die Wartezeit auf einen Trabant konnte bis zu 15 Jahre betragen. Oft wurde Quantität über Qualität gestellt, was die Verfügbarkeit brauchbarer Produkte weiter einschränkte. Um begehrte Waren zu erhalten, waren Beziehungen, oft als „Vitamin B“ bezeichnet, Tauschgeschäfte oder der Kauf von „Bückware“ – unter dem Ladentisch versteckten Produkten – unerlässlich. Improvisation und Geduld waren ständige Begleiter im Alltag. Auch im Berufsleben führte die Mangelwirtschaft zu Frustrationen, da Produktionsausfälle aufgrund fehlender Materialien keine Seltenheit waren, obwohl erwartet wurde, dass das Plan-Soll erfüllt oder übertroffen wird. Engpässe gab es sogar im Gesundheitssystem bei medizinischen Geräten und Medikamenten.

Gemeinschaft als Stütze
Trotz der wirtschaftlichen Engpässe und staatlichen Kontrolle entstand in der DDR ein bemerkenswert starkes Gemeinschaftsgefühl und Solidarität unter den Bürgern. Nachbarschaften unterstützten sich gegenseitig und tauschten Waren. Freizeitaktivitäten wurden oft gemeinsam organisiert, sei es in Kleingartenvereinen oder bei kulturellen Veranstaltungen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war eine wichtige Stütze im Alltag vieler DDR-Bürger. Kleingärten, auch „Dutschen“ genannt, boten nicht nur Erholung, sondern auch die Möglichkeit, eigenes Obst und Gemüse anzubauen. Gemeinsame Arbeitseinsätze, bekannt als Subbotniks, und die Bildung von Brigaden in Betrieben förderten ebenfalls den Zusammenhalt. Reisen, insbesondere Urlaube in FDGB-Ferienheimen, waren ebenfalls stark von Gemeinschaftsprogrammen geprägt.

Das Leben unter ständiger Beobachtung
Ein tiefgreifendes Merkmal des DDR-Alltags war die permanente Präsenz des Staates und die systematische Überwachung durch die Staatssicherheit (Stasi). Dies schränkte das Privatleben erheblich ein und führte zu weit verbreitetem Misstrauen, da Nachbarn, Kollegen oder sogar Familienangehörige potenzielle Spitzel sein konnten. Medien unterlagen strenger Zensur, westliche Informationen waren nur schwer zugänglich. Telefonate konnten abgehört, Briefe geöffnet und Wohnungen durchsucht werden. Die Angst vor Repression führte dazu, dass viele Menschen ihre Meinung nicht offen äußerten.

Die Medien waren vollständig staatlich kontrolliert und dienten auch der ideologischen Erziehung. Die „Aktuelle Kamera“ berichtete hauptsächlich über Erfolge des Sozialismus. Dennoch suchten viele Bürger nach Wegen, um an alternative Informationen zu gelangen. Westliche Medien, insbesondere das Westfernsehen, waren trotz offiziellen Verbots beliebt und wurden oft heimlich empfangen. Briefe aus dem Westen, Besuche von Verwandten oder geschmuggelte Zeitungen waren wertvolle Informationsquellen. Die staatlich gelenkten Medien schufen zwar eine Parallelrealität, doch viele lernten, zwischen den Zeilen zu lesen und diese zu hinterfragen.

Wohnen, Arbeit und Freizeit
Der Wohnraum in der DDR war staatlich organisiert. Zur Bekämpfung des Wohnraummangels entstanden Plattenbausiedlungen, die im Vergleich zu maroden Altbauten mehr Komfort boten, wenn auch mit begrenzter Privatsphäre und starker Gemeinschaftsprägung. Die Mieten waren niedrig.
Jeder Bürger hatte das Recht und die Pflicht zur Arbeit; Arbeitsplätze waren staatlich zugewiesen. Eine hohe Arbeitsmoral und der Stolz, zum Aufbau des Sozialismus beizutragen, prägten das Arbeitsleben. Arbeit war nicht nur Broterwerb, sondern ein zentraler Bestandteil des sozialen Lebens.

Das Gesundheitssystem war zentral organisiert und für alle Bürger kostenlos zugänglich. Polikliniken mit verschiedenen Fachärzten unter einem Dach ermöglichten eine umfassende ambulante Versorgung. Gemeindeschwestern spielten besonders in ländlichen Gebieten eine wichtige Rolle.

Freizeitaktivitäten wurden stark durch staatliche Organisationen wie die FDJ oder den Kulturbund gelenkt. Sport, insbesondere der Leistungssport, hatte einen hohen Stellenwert. Urlaube waren meist innerhalb der DDR oder in befreundeten sozialistischen Ländern möglich. Beliebte Ziele waren die Ostsee, der Thüringer Wald oder das Erzgebirge. Kleingärten und Campingplätze waren beliebte Rückzugsorte. FKK (Freikörperkultur) war weit verbreitet und wurde als Ausdruck von Freiheit gesehen. Trotz staatlicher Kontrolle fanden viele Wege, ihre Freizeit individuell zu gestalten.

Ein komplexes Erbe
Der Alltag in der DDR war geprägt von einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Kontrolle, materieller Knappheit und dem tiefen Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft und persönlicher Entfaltung. Trotz Überwachung und politischer Zwänge schufen viele Bürger private Freiräume und erlebten Gemeinschaft. Diese Aspekte des DDR-Alltags bieten wertvolle Einblicke in das Leben hinter dem Eisernen Vorhang und erklären, warum sich viele Menschen trotz der Schwierigkeiten auch nostalgisch an diese Zeit erinnern.

Vergessene Freizeitstätte: Das Ende des Reichsbahnbads Chemnitz Hilbersdorf

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Einst ein beliebter Treffpunkt für Eisenbahner und Chemnitzer Bürger, heute nur noch eine Senke mit einem Tümpel: Das Schicksal des Reichsbahnbads in Chemnitz-Hilbersdorf ist eng mit der Geschichte der Deutschen Reichsbahn und der späteren Deutschen Bahn verbunden. Am Nordrand des Zeisigwaldes gelegen, entstand das Bad ab 1928 neben den umfangreichen Betriebseinrichtungen der Reichsbahn, zu denen der Rangierbahnhof, das Bahnkraftwerk und das Bahnbetriebswerk gehörten.

Ursprung und Attraktion: Ein Freibad mit beheiztem Wasser
Die Reichsbahn legte das Freibad an, um ihren Bediensteten auch in der Freizeit etwas zu bieten. Das Reichsbahnbad öffnete schließlich 1934 seine Tore. Eine besondere Annehmlichkeit, die es von vielen anderen Bädern abhob, war die Beheizung des Beckenwassers. Anfangs erfolgte dies durch eine Leitung, die Dampf vom angrenzenden Bahnbetriebswerk bezog. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den das Bad ohne größere Schäden überstand und bereits 1946 wieder öffnete, wurde die Wasserbeheizung während der DDR-Zeit durch eine ausrangierte, nicht mehr fahrtüchtige Dampflok im Bahnbetriebswerk gewährleistet.

Das Bad erfreute sich in der Bevölkerung großer Beliebtheit. Es diente nicht nur als Freizeiteinrichtung, sondern auch den Schwimmern des Eisenbahnersportvereins Lok als Trainingsort. Das Becken war großzügig dimensioniert und verfügte über eine Wasserfläche von 1000 Quadratmetern. Auffällig war auch die Gestaltung: Im Gegensatz zu vielen anderen Freibädern, bei denen hauptsächlich Beton verwendet wurde, waren hier das Becken und das direkte Umfeld in Fliesen angelegt.

Niedergang und Abriss: Das Aus nach der Bahnreform
Nach der politischen Wende bot das Bad paradoxerweise eine der technisch modernsten Wasserumwälzanlagen unter den Freibädern in und um Chemnitz. Dennoch sollte es keinen Bestand in der Bäderlandschaft haben. Der Grund für das Ende war die fortschreitende Rücknahme der Bahnaktivitäten in Hilbersdorf. Mit dem Zusammenschluss von Deutscher Reichsbahn und Bundesbahn zur DB wurden die Bahnbetriebseinrichtungen in Chemnitz-Hilbersdorf zwischen 1992 und 1997 komplett aufgegeben. Da der Betrieb der Anlage, insbesondere die Beheizung, direkt vom Bahnbetriebswerk abhing, konnte er nach dessen Rückzug nicht mehr gewährleistet werden.

Die letzte Freibadsaison im Reichsbahnbad war im Jahr 1996. Nach mehreren Jahren des Leerstands und Vandalismus erfolgte schließlich 2003 bis 2004 der komplette Abriss der Gebäude und des Beckens.

Was bleibt heute? Eine renaturierte Fläche und eine Erinnerung
Die Fläche von rund 10.000 Quadratmetern wurde renaturiert. Heute erinnert einzig die Senke mit einem Tümpel noch an der ursprünglichen Position des Schwimmbeckens an das ehemalige Reichsbahnbad. Nur die Freibadumzäunung soll geblieben und erhalten sein, und der Parkplatz wird heute vom Eisenbahnmuseum bei Veranstaltungen genutzt. Das Gebiet wird auch als Naturschutzgebiet bezeichnet.

Der Spatenstich für einen Energiegiganten: Die Geburtsstunde von Schwarze Pumpe

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Am 31. August 1955 markierte ein feierlicher Akt den Beginn eines der ambitioniertesten Industrieprojekte der Deutschen Demokratischen Republik: den Spatenstich für den Energiekomplex Schwarze Pumpe. Dieses Großvorhaben war konzipiert, das künftige Herz der DDR-Energieversorgung zu werden.

Die Zeremonie wurde von einer prominenten Figur der DDR-Regierung zelebriert: Minister für Schwerindustrie Fritz Selbmann aus Berlin. Der Spatenstich selbst wurde mit zwei Raupen durchgeführt.

Der ungewöhnliche Name „Schwarze Pumpe“ stammt von einem gleichnamigen Gasthaus. Dieses Gasthaus lag an der Fernverkehrsstraße zwischen Spremberg und Heuerswerder bzw. Hoyerswerda. Bereits im Jahr 1955 suchte Minister Selbmann hier Unterkunft. Bei dieser Gelegenheit traf er auf Einheimische. Interessanterweise wurde er dabei argwöhnisch beäugt von Bauern aus dem Nachbardorf Terpe. Dennoch kamen die Einheimischen mit dem Minister ins Gespräch und baten ihn an ihren Tisch. Dieses Treffen wird als die erste Informationsveranstaltung über die großen Pläne der Ostberliner Funktionäre mit der Lausitz beschrieben. Schon bald darauf zog der Aufbaustab für den geplanten Energiegiganten in das Gasthaus Schwarze Pumpe ein.

Das geplante Werk war von gigantischem Ausmaß. Für die folgenden Jahre waren Kosten von 1,1 Milliarden Mark veranschlagt. Dies war eine gigantische Summe für die DDR-Wirtschaft.

Der Aufbau des Komplexes war in drei Baustufen unterteilt. Diese Phasen waren für die Jahre 1959, 1961 und 1963 vorgesehen.
Für die Realisierung dieses riesigen Projekts wurden unmengen an Arbeitskräften benötigt. In der gesamten Republik wurde intensiv für Schwarze Pumpe geworben. Zehntausende Menschen folgten der Verheißung des Abenteuers in die Lausitz.

Die Erbauer des Werkes waren vor allem Männer. Ihre anfänglichen Lebensbedingungen waren bescheiden: Sie mussten in Baracken wohnen. Ihre Familien konnten sie vorerst nicht nachholen. Trotz dieser Herausforderungen suchten viele dieser Männer hier das große Glück ihres Lebens.
Für die Lausitz, die bis dahin eine dünn besiedelte Region war, bedeutete der Aufbau von Schwarze Pumpe einen nie dagewesenen Bevölkerungszuwachs. Das Projekt brachte eine nie dagewesene Umwälzung für die Region mit sich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Spatenstich am 31. August 1955 durch Minister Selbmann der offizielle Startschuss für ein gewaltiges Industrieprojekt war. Benannt nach einem Gasthaus, das zum ersten Treffpunkt und Sitz des Aufbaustabes wurde, erforderte das Werk Schwarze Pumpe riesige Investitionen und zog Zehntausende von Arbeitern in die Lausitz, was die Region grundlegend veränderte.