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Zwischen Jubel und Ernüchterung: Die unvollendete Einheit der Deutschen

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Der Blick hinter die Kulissen der Einheit
Die Bilder vom 9. November 1989 sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert: jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer, Tränen der Freude, eine Welle der Euphorie, die in eine schnelle deutsche Wiedervereinigung mündete. Diese Erzählung vom Triumph der Freiheit ist kraftvoll – aber sie ist nur ein Teil der Wahrheit.

Für viele Akteure der damaligen Bürgerbewegung, wie die Künstlerin Bärbel Bohley und den Theologen Friedrich Schorlemmer, war die Realität komplexer, widersprüchlicher – und oft schmerzhaft. Ihre späteren Reflexionen zeigen: Die Einheit war nicht nur Sieg, sondern auch Verlust. Von der Selbstkritik der Bürgerrechtler bis zur Warnung vor einer „Krise der Zivilisation“ – ihre Stimmen erzählen eine Geschichte, die weit über das Jubelbild hinausweist.

Der verlorene Kampf der Bürgerbewegung
„Wir haben zu wenig Widerstand geleistet“ – so brachte Bärbel Bohley ihr Bedauern auf den Punkt.
Sie meinte damit nicht die Einheit selbst, sondern den Mangel an Gestaltungskraft, an eigenem Selbstbewusstsein in diesem historischen Moment. Die Entscheidung bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 fiel ihrer Ansicht nach „zu schnell und ohne zu reflektieren“.

Die Bürgerbewegung, einst Motor der Veränderung, verlor in der Euphorie ihre Stimme. Bohley sah darin den größten Fehler: „Wir haben keinen Widerstand geleistet – nicht gegen die Einheit, aber gegen die Art, wie sie gelaufen ist.“

Die DDR wurde „kaputt gewählt“
Der Theologe Friedrich Schorlemmer prägte die bittere Formel: „Die DDR wurde kaputt gewählt.“
Nach vier Jahrzehnten ohne echte Wahlen habe das Land sich in nur einem Jahr „durch vier Wahlen selbst aufgelöst“.

Was wie ein demokratischer Triumph wirkte, war in Wahrheit ein Prozess ohne innezuhalten. Es blieb keine Zeit für Diskussion, für Selbstverständigung, für das Aushandeln eines dritten Weges. Die Demokratie kam im Zeitraffer – und das Ergebnis war weniger Gestaltung als Selbstauflösung.

Die Gefahr der zwei deutschen Sturköpfe
Der Publizist Thomas Langkau warnte schon früh vor dem Aufeinandertreffen „zweier deutscher Verbissenheiten“.
Er meinte die unvereinbaren Selbstbilder beider Seiten: hier der stolze Aufbauwille des Ostens, dort das selbstgewisse Überlegenheitsgefühl des Westens.

Was hätte ein gemeinsamer Lernprozess sein können, wurde zur Einbahnstraße der Übernahme. „Unser Problem ist euer Problem“, formulierte Langkau treffend – ein Satz, der bis heute nachhallt. Die fehlende Zeit, die fehlende Geduld für den Dialog, wurde zur Hypothek der Einheit.

Kein Happy End: Die neue Phase der Krise
Schorlemmer sah in der Wiedervereinigung keinen Endpunkt, sondern den Beginn einer neuen Epoche.
Der Untergang des Staatssozialismus war für ihn nicht das Ende der Geschichte, sondern die Fortsetzung der „Krise unserer Zivilisation“ mit anderen Mitteln.

Er warnte, dass der Kapitalismus die ungelösten Fragen der Menschheit – soziale Gerechtigkeit, ökologische Grenzen, Sinnsuche – nicht beantworten könne. Die Wiedervereinigung wurde so zum Symbol für eine größere Aufgabe: die Suche nach einem menschlicheren, gerechteren Gesellschaftsmodell jenseits der Systeme.

Schluss: Die Lehre aus der verlorenen Zeit
Die Geschichte der Wiedervereinigung ist widersprüchlich, schmerzhaft – und lehrreich.
Die Stimmen von Bohley, Schorlemmer und Langkau sind kein nostalgischer Rückblick, sondern ein Appell: Demokratie braucht Zeit, Nachdenklichkeit – und den Mut zum Widerspruch gegen allzu einfache Lösungen.

Der Publizist Peter Bender brachte es auf den Punkt:

„Dem Staat [der DDR] ist keine Träne nachzuweinen, aber was dieser Staat wider Willen schuf, daraus kann Deutschland viel gewinnen.“

Vielleicht liegt genau darin die Zukunft: im Bewahren des Langsameren, des Ernsthafteren, des Nachdenklicheren – als Gegengewicht zu einer Welt, die auch 35 Jahre nach der Einheit wieder droht, sich selbst zu überholen.

Das erste „Es tut uns leid“ der DDR – 25.10.1989

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Es gibt Bilder, die sich eingebrannt haben: jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer, Freudentränen, die Sektkorken knallen. Doch manchmal erzählt die Euphorie des 9. November 1989 nur die halbe Wahrheit. Der eigentliche Wandel – der innere Zusammenbruch des Systems – begann Wochen vorher, leise, beinahe unspektakulär. Wer genau hinsieht, entdeckt in den Meldungen eines einzigen Tages, des 25. Oktober 1989, die stille Revolution unter der Oberfläche.

„Dialog“ war plötzlich das neue Zauberwort. Über Nacht wollten alle reden: Oberbürgermeister, Parteisekretäre, sogar Politbüromitglieder in den Betrieben. In Jena, Zwickau, Neubrandenburg – überall bot man Gesprächsrunden an. Es war, als hätten sie begriffen, dass sich Macht nicht mehr verordnen ließ. Aber vielleicht war es auch nur Taktik: Der Versuch, das Unkontrollierbare, die Straße, wieder einzufangen.
Ich erinnere mich an diesen Tonfall, dieses hastige „Wir wollen reden“ – wie ein Vater, der plötzlich merkt, dass sein Kind erwachsen geworden ist. Nur dass die Kinder längst aufgebrochen waren.

Kaum war Honecker gestürzt, stand Egon Krenz auf der Bühne – und fiel schon beim ersten Auftritt durch. Die Menschen hatten ihn durchschaut. Kein Reformer, sondern das Gesicht des Alten mit frischer Frisur. „Egon weg, hat kein Zweck“, stand auf Transparenten.

Die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ schrieb damals eine Erklärung, die fast wie ein juristisches Dokument klang: Wahlfälschung, Polizeigewalt, Solidarität mit Peking. Es war das erste Mal, dass eine Opposition in der DDR so präzise, so sachlich, so unmissverständlich argumentierte. Keine Parolen, sondern Fakten. Eine Lektion in Demokratie – noch bevor das Wort wirklich galt.

Am selben Tag trat der Berliner Polizeipräsident Friedhelm Rausch vor die Presse und sagte, es sei zu „Überschreitungen von Befugnissen“ gekommen. Übersetzt hieß das: Wir haben überreagiert. Es war das erste Mal, dass die Volkspolizei Fehler einräumte. 150 Beschwerden lagen auf dem Tisch, einige Beamte hatten sich persönlich entschuldigt.

Für mich war das der eigentliche Wendepunkt – nicht der Mauerfall, nicht Krenz’ Amtsantritt, sondern dieser Satz: Es tut uns leid. In einem Staat, der nie Fehler kannte, war das revolutionär.

Und auch die Journalisten spürten: Jetzt oder nie. Ihr Verband forderte ein Mediengesetz, Pressekonferenzen, einen Regierungssprecher. Man wollte nicht länger Sprachrohr sein, sondern kritische Instanz. Der Ton war neu – sachlich, aber mutig. Sie schrieben, als glaubten sie plötzlich wieder an die Kraft des Wortes.

Vielleicht war das die eigentliche Revolution: nicht die Nacht auf der Mauer, sondern dieser Tag im Oktober, an dem das Land zu reden begann – ehrlich, vorsichtig, unaufhaltsam.

Wenn ich heute auf diese alten Meldungen schaue, sehe ich mehr als ein Ende. Ich sehe einen Aufbruch, der mitten in der alten Ordnung begann.
Und ich frage mich: Welche unserer heutigen Selbstverständlichkeiten könnten morgen schon der Anfang vom Ende sein?

Engerling – Der Film“ und die Blueser-Bewegung in der DDR

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Die Blueser-Szene in der DDR war in den 1970er und 1980er Jahren eine kulturelle Subkultur, die sich um eine Leidenschaft für Blues und Rockmusik entwickelte. In einer streng kontrollierten Gesellschaft, in der kulturelle Ausdrucksformen oft von staatlicher Zensur und Repression geprägt waren, bot der Blues vielen jungen Menschen eine Möglichkeit, sich kreativ auszudrücken und ihrer Unzufriedenheit Luft zu machen. Eine der bekanntesten Bands, die eng mit dieser Bewegung verbunden ist, ist die Band Engerling, die im Jahr 1975 in Ost-Berlin gegründet wurde.

„Engerling – Der Film“ ist eine Dokumentation, die den Werdegang dieser Band sowie die Geschichte der Blueser-Szene in der DDR beleuchtet. Der Film bietet einen tiefen Einblick in das Leben junger Menschen, die sich in einer Gesellschaft, die Individualität und nonkonforme Lebensweisen oft unterdrückte, zu einer Gemeinschaft fanden, in der Musik und Lebensgefühl untrennbar miteinander verbunden waren. Engerling selbst entwickelte sich in der Szene zu einer Art Kultband, die nicht nur den traditionellen Blues spielte, sondern auch Rock- und Folk-Elemente in ihre Musik einfließen ließ. Dies machte sie zu einer der wenigen DDR-Bands, die einen unverwechselbaren, eigenen Sound kreierte, der sich von den staatlich geförderten Musikgruppen abhob.

Die Blueser-Bewegung in der DDR war eine Jugendbewegung, die sich bewusst von der offiziellen Kulturpolitik abgrenzte. Während die staatlichen Kulturinstitutionen den Sozialismus und die Ideale des DDR-Staates propagierten, fanden viele Jugendliche im Blues und Rock ihre Möglichkeit, der staatlichen Kontrolle zu entkommen und sich frei auszudrücken. Die Musik war für sie ein Medium des Widerstands und des Ausbruchs aus dem grauen Alltag der DDR. Ihre äußeren Erkennungsmerkmale, wie lange Haare und abgenutzte Jeans, wurden von der Staatsmacht oft als „westlich dekadent“ angesehen, was zu Konflikten mit den Behörden führte.

Der Film beleuchtet nicht nur die Musik, sondern auch das Lebensgefühl der Blueser. Viele von ihnen stießen an die Grenzen des in der DDR Erlaubten: Ihre Treffen wurden oft von der Stasi beobachtet und nicht selten endeten Konzerte oder Blueser-Treffen mit Verhaftungen und polizeilichen Maßnahmen. Dennoch ließ sich die Szene nicht unterkriegen. Der Blues wurde zu einer Art Ausdrucksform für das, was viele junge Menschen im sozialistischen System der DDR vermissten – Freiheit, Selbstbestimmung und eine Art spirituelle Verbindung mit der westlichen Jugendkultur.

Engerling war eine der wenigen Bands, die sich trotz der schwierigen Umstände im DDR-Musikgeschäft behaupten konnte. Obwohl es viele Hürden gab, wie die staatliche Zensur und die Restriktionen, die das Reisen in den Westen betrafen, blieb die Band ihrer Musik und ihren Fans treu. „Engerling – Der Film“ zeigt die Höhen und Tiefen der Bandgeschichte, vom Kampf um künstlerische Freiheit bis hin zu ihren Auftritten auf Festivals und Konzerten, die oft nur im Geheimen oder unter strenger Beobachtung der Behörden stattfinden konnten.

Die Blueser-Szene ist heute ein faszinierendes Beispiel für die Widerstandskraft von Subkulturen in repressiven Systemen. Der Blues, eine ursprünglich aus den USA stammende Musikform, wurde in der DDR zu einem Symbol der Unangepasstheit und des stillen Protests. Die Band Engerling und ihre Anhänger schufen einen Raum, in dem sie zumindest für eine kurze Zeit der staatlichen Kontrolle entkommen und ein Gefühl von Freiheit erleben konnten.

Insgesamt bietet „Engerling – Der Film“ einen wertvollen Einblick in die Blueser-Szene und deren Bedeutung für viele junge Menschen in der DDR. Er dokumentiert nicht nur die Geschichte einer außergewöhnlichen Band, sondern auch die Sehnsucht einer ganzen Generation nach Freiheit und Selbstbestimmung in einem oft restriktiven und autoritären System.

Die Vergessenen der DDR – Ein Leben jenseits von Stasi und Widerstand

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Wenn heute über die DDR gesprochen wird, dann meist in den klaren Rollenverteilungen von Tätern und Opfern. Auf der einen Seite die Überwacher, die Spitzel, die Apparate der Macht. Auf der anderen Seite die Verfolgten, die Dissidenten, die Mutigen, die sich dem System entgegenstellten. Doch dazwischen – da war das Leben. Und dieses Leben wird heute kaum noch erzählt.

Es gab jene, die einfach nur lebten. Die ihren Beruf machten, Kinder großzogen, Gärten pflegten, Urlaubsplätze tauschten und Nachbarn halfen. Menschen, die nie aneckten, nicht aus Angst, sondern weil sie keinen Grund sahen, es zu tun. Für sie war die DDR kein Gefängnis, sondern die Welt, in der sie geboren waren. Sie haben sich arrangiert, ohne sich zu verkaufen. Sie waren die Stillen, die Unauffälligen – und heute sind sie die Vergessenen.

Denn das gängige DDR-Narrativ kennt fast nur Extreme. Es lebt von der Spannung zwischen Unterdrückung und Widerstand, zwischen Heldenmut und Schuld. Wer aber sagt: „Ich wurde nie überwacht, ich konnte gut leben“, wird schnell belächelt oder gar verdächtigt, systemnah gewesen zu sein. Dabei erzählen diese Menschen keine Lüge, sondern eine andere Wahrheit – eine, die nicht ins große Schema passt.

Die Erinnerungskultur der Gegenwart neigt dazu, Geschichte moralisch zu sortieren. Aber das Leben war selten so eindeutig. Zwischen Mut und Angst, zwischen Schweigen und Mitmachen lag die eigentliche Wirklichkeit der DDR. Und diese Wirklichkeit gehörte den Vielen, nicht den Lauten.

Vielleicht wäre es an der Zeit, auch ihnen zuzuhören – jenen, die nichts Besonderes taten, aber das Leben am Laufen hielten. Ohne sie hätte es den Alltag, den so viele heute nostalgisch verklären oder politisch verdammen, gar nicht gegeben. Sie waren keine Helden, keine Täter. Sie waren Menschen. Und das sollte eigentlich reichen, um nicht vergessen zu werden.

Einheit verpasst: Wie das DDR-Schulsystem unterschätzt wurde

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Immer wenn ich über Bildung schreibe, lande ich unweigerlich in einem Gespräch mit meiner Mutter. Sie war Lehrerin – engagiert, überzeugt, mit beiden Beinen im Alltag der DDR-Schule. Und obwohl sie später, nach der Wende, neu anfangen musste, blieb sie in einem Punkt immer klar: Das Bildungssystem der DDR war in weiten Teilen richtig.

Nach der Wende wurde sie mit Kusshand auf einem Gymnasium aufgenommen. Sie erzählt heute, das seien ihre schönsten beruflichen Jahre gewesen – und gleichzeitig jene, in denen sie am häufigsten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Immer dann nämlich, wenn der Westen kam und erklären wollte, „wie der Osten zu ticken hat“. Und keiner so recht hinhörte, was im Osten eigentlich alles vorhanden war: Erfahrung, Struktur, pädagogische Kompetenz – und eine Menge gesunder Menschenverstand.

Ich gebe ihr da recht. Wenn man den politischen Überbau einmal beiseitelässt – all das Ideologische, das wir hingenommen haben, weil es eben dazugehörte –, dann bleibt ein erstaunlich solides und gerechtes System übrig. Eines, das allen Kindern einen vergleichbaren Start ermöglichte. Vom Kindergarten über die Polytechnische Oberschule bis zur Erweiterten Oberschule gab es klare Strukturen, klare Erwartungen, klare Verantwortung. Kein Kind fiel durchs Raster, weil der Vater Arbeiter oder die Mutter Verkäuferin war.

Die normale Oberschule ging in der Regel bis zur 8. beziehungsweise bis zur 10. Klasse. Wer weiterführend lernen wollte, also auf die Erweiterte Oberschule (EOS), wechselte meist ab der 8. Klasse dorthin und blieb bis zur 12. Klasse. Natürlich gab es Auswahlkriterien, und ohne Parteimitgliedschaft in der Familie war der Weg dorthin mitunter schwieriger. Aber es gab Lehrerinnen und Lehrer, die für ihre Schüler kämpften – und oft erfolgreich. Andere, wie in meinem Fall, gingen einen Umweg: Ich verpflichtete mich für drei Jahre bei der Armee, um anschließend studieren zu können. Es gab also mehrere Wege – nicht alles war ideologisch ausgeschlossen.

Nach der Wende hätte man aus dieser Erfahrung lernen können. Nicht die Ideologie übernehmen, natürlich nicht – aber das pädagogische Fundament, die Struktur, die Idee von Chancengleichheit. Ein einheitliches Bildungssystem hätte nicht nur dem Osten, sondern auch dem Westen gutgetan. Stattdessen setzte sich der alte Bildungsföderalismus durch, der bis heute für Ungleichheit sorgt.

Und noch etwas wurde versäumt: eine echte politische Bildung aufzubauen. Eine, die nicht belehrt, sondern neugierig macht. Eine, die Kinder und Jugendliche befähigt, Demokratie zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen und gesellschaftliches Engagement als Teil des Lernens zu begreifen.

Im Westen war politische Bildung eher Tradition, im Osten war sie ideologisch überfrachtet – in beiden Fällen aber nie wirklich lebendig. Nach 1990 hätte man diese beiden Erfahrungen zusammenführen können, um ein neues, gemeinsames Konzept zu entwickeln. Doch stattdessen hieß es: „Die DDR ist das da drüben – die gehören jetzt mit zu uns, und wir wissen, wie es richtig geht.“

Das war vielleicht der größte pädagogische Fehler der Wiedervereinigung: dass man Bildung nicht als Begegnung begriff, sondern als Übernahme.

Heute, 35 Jahre später, kann man das beklagen. Oder man kann es als Auftrag verstehen. Denn Bildung ist nie abgeschlossen – sie lebt von der Bereitschaft, neu zu denken. Und es ist nie zu spät, damit anzufangen.

Der Traum vom Dritten Weg – und warum er keine Chance hatte

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Es war ein seltsam klarer Winter, damals, Ende 1989 in Jena. In den Räumen der evangelischen Gemeinde in der Ebertstraße saßen wir zusammen – Menschen, die vorher kaum etwas miteinander zu tun gehabt hatten. Arbeiter, Lehrer, Studenten, ehemalige Offiziere, Intellektuelle. Uns einte ein Gedanke: Es musste sich etwas ändern. Und zwar anders, als es uns beide Systeme – das zusammenbrechende sozialistische und das westliche kapitalistische – vorsetzten.

Der Begriff „Dritter Weg“ klang wie eine Verheißung. Eine Richtung, die jenseits der alten Blocklogik lag. Viele von uns glaubten an eine DDR, die sich reformieren, demokratisieren, vielleicht sogar zu einem besseren, menschlicheren Sozialismus werden könnte – einer, der die Menschen nicht gängelt, sondern mitnimmt.

Es war keine naive Träumerei, sondern ernst gemeinte Hoffnung. In den Papieren von Demokratie Jetzt oder dem Neuen Forum stand viel von Basisdemokratie, von Mitbestimmung, von sozialer Gerechtigkeit ohne Bevormundung. Selbst Intellektuelle wie Christa Wolf, Stefan Heym oder Volker Braun hatten das Gefühl, dass gerade in diesem Moment ein dritter Weg denkbar wäre – zwischen der alten Planwirtschaft und der westlichen Profitlogik.

Wir wollten eine Gesellschaft, in der das, was gut war – das Recht auf Arbeit, Kinderbetreuung, soziale Sicherheit – erhalten blieb, aber Freiheit, Meinungsvielfalt und Eigenverantwortung hinzukamen. Das war der Kern des Gedankens: ein demokratischer Sozialismus, getragen von unten.

Doch während wir noch diskutierten, wie man Betriebe demokratisch führen oder Räte wiederbeleben könnte, war draußen längst ein anderer Wind aufgekommen. Auf den Straßen riefen die Menschen „Wir sind ein Volk!“, nicht mehr „Wir sind das Volk!“. Die Mauer war gefallen, die D-Mark lockte, und das Bedürfnis nach Sicherheit, Wohlstand und endlich einem funktionierenden Alltag war stärker als alle theoretischen Modelle.

Als im März 1990 die ersten freien Volkskammerwahlen stattfanden, war der Traum schon Geschichte. Die Parteien, die sich für eine Alternative zwischen Sozialismus und Kapitalismus aussprachen, kamen auf magere Ergebnisse. Das Neue Forum, Demokratie Jetzt, die Vereinigte Linke – sie wurden zu Randnotizen in einer Welle der Wiedervereinigungseuphorie.

Ich erinnere mich gut an die Gesichter jener, die in den Runden saßen, überzeugt, dass eine andere DDR möglich sei. Sie fühlten sich bald wie Fremde im eigenen Aufbruch. Der Aufruf „Für unser Land“ sammelte über eine Million Unterschriften – beeindruckend, aber machtlos gegen die Geschwindigkeit, mit der die Realität die Visionen überholte.

Heute, mit dem Abstand von Jahrzehnten, bleibt die Frage: War der Dritte Weg von Anfang an eine Illusion? Vielleicht. Aber es war eine schöne. Eine, die wenigstens für einen Moment die Vorstellung zuließ, dass ein Staat sich neu erfinden könnte – friedlich, gerecht, solidarisch.

Vielleicht war dieser Traum notwendig, damit der Zusammenbruch nicht nur ein Ende war, sondern ein Versuch, noch einmal selbst zu denken, bevor alles übernommen wurde.
Ein kurzer Moment der Selbstbestimmung – bevor die Geschichte wieder ihren eigenen Lauf nahm.

Wie die SED im Herbst 1989 ihre Macht verlor – „Wir waren Befehlsempfänger aus Moskau“

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Wenn Günter Schabowski in seinen späten Jahren über den Herbst 1989 sprach, dann tat er das mit der Ruhe eines Mannes, der weiß, dass sich Geschichte nicht zurückspulen lässt. In einem Gespräch, das er Jahre nach dem Ende der DDR führte, blickte er auf jene Wochen zurück, in denen die Macht der SED ins Wanken geriet. Seine Worte klangen nicht nach Rechtfertigung, sondern nach Einsicht – und manchmal nach Bitterkeit.
„Wir waren Befehlsempfänger aus Moskau“, sagte er. Ein Satz, der mehr über das Ende der DDR erzählt als viele Dokumente.

Schabowski, einst Mitglied des Politbüros und enger Weggefährte Erich Honeckers, beschrieb die Stimmung in der Parteiführung im Herbst 1989 als von „tiefer Verunsicherung“ geprägt. Die Demonstrationen auf den Straßen, die Reformen Gorbatschows in Moskau, die Forderungen der Bevölkerung nach Freiheit – all das ließ ein System taumeln, das über Jahrzehnte gelernt hatte, Befehle zu empfangen, aber nie selbst Verantwortung zu übernehmen.

Er sprach offen darüber, dass die Gefahr einer „chinesischen Lösung“, also einer gewaltsamen Niederschlagung der Proteste, durchaus existierte. Doch die Partei habe dazu weder die Entschlossenheit noch die Organisation besessen. „Die Angst war groß“, so Schabowski. „Niemand wollte mehr den Befehl geben.“

Die sowjetischen Reformen unter Michail Gorbatschow trafen die SED ins Mark. Gorbatschow sprach von Offenheit und Demokratie, während in Ost-Berlin noch der alte Ton der Parteidisziplin herrschte. Schabowski erkannte, dass die DDR damit ihre letzte Rückendeckung verlor: „Wir konnten nicht gegen unser eigenes Volk vorgehen, wenn Moskau zur Mäßigung riet.“ Die DDR, jahrzehntelang stolz auf ihre angebliche Eigenständigkeit, stand plötzlich allein da.

Die Menschen spürten diese Unsicherheit. Sie merkten, dass die Führung zögerte – und sie gewannen Mut. Schritt für Schritt, Woche für Woche, bis das System unter der Last seiner eigenen Lähmung zusammenbrach. Schabowski nannte das später den Punkt, an dem das Schicksal der SED besiegelt war.

Von diesem Mann blieb in der öffentlichen Erinnerung vor allem der Moment am 9. November 1989 – der Abend, an dem er mit fahrigen Worten auf einer Pressekonferenz die Maueröffnung auslöste. Doch wer Schabowskis spätere Reflexionen kennt, erkennt, dass dieser Augenblick nur die sichtbare Folge eines viel früheren Zusammenbruchs war: dem inneren Zerfall einer Macht, die sich selbst nicht mehr glaubte.

Günter Schabowski starb am 1. November 2015 in Berlin im Alter von 86 Jahren. Er war Diabetiker, lebte nach mehreren Infarkten und Schlaganfällen zuletzt in einem Berliner Pflegeheim. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Waldfriedhof Dahlem.
Ein Mann, der die Macht verkündete und später über ihren Verlust sprach – und vielleicht gerade darin so menschlich blieb.

Erich Honecker – Rücktritt oder Absetzung? Die Wahrheit hinter dem 18. Oktober 1989

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Offiziell trat Erich Honecker am 18. Oktober 1989 zurück – aus gesundheitlichen Gründen. So lautete die Formel, mit der die DDR-Führung versuchte, den politischen Umbruch zu kaschieren. Doch in Wahrheit war es der Moment, in dem das scheinbar unerschütterliche Machtgefüge der SED in sich zusammenbrach.

Im Protokoll liest sich alles korrekt, beinahe würdevoll. Honecker bittet um Entbindung von seinen Ämtern, die Partei dankt ihm, Beifall wird vermerkt. Doch hinter den Türen des Politbüros spielte sich ein Machtakt ab, der den jahrzehntelangen Stillstand der DDR abrupt beendete. Es war Willi Stoph, der die Worte sprach, die den Bruch besiegelten: „Erich, es geht nicht mehr. Du musst gehen.“ Damit begann das Ende einer Ära – und das Eingeständnis, dass die SED-Führung selbst nicht mehr an die eigene Unfehlbarkeit glaubte.

Die Straße hatte längst gesprochen: Hunderttausende forderten Reformen, Ausreisewillige füllten Züge und Botschaften, das Land lief leer. In dieser Lage wurde der Rücktritt zur politischen Überlebensstrategie einer Partei, die das Volk längst verloren hatte. Honeckers Sturz war kein Sieg der Vernunft, sondern eine verzweifelte Geste, um Zeit zu gewinnen.

Dass Honecker bis zuletzt betonte, „nicht gestürzt, sondern zurückgetreten“ zu sein, ist fast tragisch. Es zeigt, wie sehr er gefangen blieb in der eigenen Rhetorik, in einem System, das sich selbst nicht mehr glaubte. Die Wahrheit ist einfacher und härter: Der Mann, der einst alles bestimmte, wurde von den eigenen Genossen entmachtet – im Versuch, das Unvermeidliche aufzuhalten.

Sein Nachfolger Egon Krenz sollte die Wende managen, doch er kam zu spät. Der 18. Oktober 1989 markierte nicht nur den Rücktritt eines Generalsekretärs, sondern das Ende der DDR, wie sie sich selbst verstand.

Wie mutige Bürger am 7. Mai 1989 den größten Wahlbetrug der DDR aufdeckten

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Freie Wahlen sind das Thermometer der Demokratie. Doch im späten Frühjahr 1989 zeigte dieses Thermometer in der DDR nur einen künstlich erzeugten Fieberwert. Das Regime sorgte selbst dafür, dass die Anzeige stabil blieb – bei nahezu hundert Prozent Zustimmung. Der 7. Mai 1989 aber wurde zum Tag, an dem das Fieberthermometer plötzlich anfing, zu flackern.

Denn zum ersten Mal beschlossen Bürgerinnen und Bürger, das zu tun, was ihnen das Gesetz eigentlich schon immer erlaubte: die Auszählung der Stimmen selbst zu beobachten. Es war ein kleiner, aber mutiger Schritt – und er veränderte das Land.

Wer 1989 an der Stimmauszählung teilnahm, riskierte mehr als Missgunst. Es war ein Schritt aus der Deckung, mitten hinein in den Blick des Staates. Ein Zeitzeuge erzählt, wie er am Wahltag seine Nachbarn überreden wollte, mit ins Wahllokal zu kommen. Doch niemand wagte es. „Die hatten Angst, dass es für sie Nachteile geben könnte“, sagt er. Also ging er allein – und blieb bis zur letzten Stimme. Die Angst der Vielen machte den Mut der Wenigen umso sichtbarer.

Die Bürgerrechtler, die diese Aktion planten, waren keine Chaoten, sondern Juristen in eigener Sache. Sie studierten das Wahlgesetz, markierten Paragraphen, kannten jede Definition – selbst die einer gültigen „Nein-Stimme“. Und sie taten das Undenkbare: Sie erstatteten Anzeige wegen Wahlfälschung. § 211 des DDR-Strafgesetzbuches war ihre Waffe – eine ironische Pointe der Geschichte, dass der Staat am Ende durch seine eigenen Gesetze entlarvt wurde.

Der Beweis gelang mit Bleistift und Taschenrechner. In Berlin-Weißensee standen Beobachter in 65 von 67 Wahllokalen. Sie notierten die echten Zahlen, verglichen sie mit den offiziellen. Das Ergebnis: Statt 98 % Zustimmung nur etwa 90 %. Eine Abweichung, klein genug, um glaubwürdig, groß genug, um die Lüge sichtbar zu machen.

Als ein Bürgerrechtler Anzeige erstattete, sagte ihm die Staatsanwältin kühl: „Die Wahl ist dreimal geprüft worden – also kann sie nicht gefälscht sein.“ Absurder kann man die Logik einer Diktatur kaum auf den Punkt bringen. Doch die Wahrheit war längst nicht mehr aufzuhalten. Der 7. Mai wurde zum symbolischen Datum. Monat für Monat trafen sich Menschen zu Protesten – immer am siebten. Es war der Anfang vom Ende.

Wer damals dabei war, weiß, was Freiheit bedeutet. Eine Stimme, die gezählt wird, ist mehr als ein Kreuz auf Papier – sie ist ein Stück Würde. Die Wahlfälschung von 1989 war der Moment, in dem Menschen in der DDR begriffen: Ihre Stimme zählt, wenn sie dafür einstehen.

Was aus den DDR-Bürgerrechtlern wirklich wurde

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Die Bilder der friedlichen Revolution von 1989 sind Teil des kollektiven Gedächtnisses: Menschen auf der Mauer, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen. Doch was geschah mit den zentralen Akteuren dieses historischen Moments, den Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern? Ihre Wege nach der Wiedervereinigung waren komplexer, schmerzhafter und überraschender, als es die idealisierte Rückschau oft vermuten lässt.

1. Die überraschende Wahrheit: Viele wollten die DDR reformieren, nicht abschaffen
Dies offenbart ein grundlegendes, im Westen oft übersehenes Paradoxon der friedlichen Revolution: Viele ihrer Architekten wollten ihre Heimat retten, nicht sie auflösen. Für die Aktivisten der ersten Stunde war das primäre Ziel nicht die deutsche Einheit, sondern die Schaffung einer offeneren, besseren DDR. Sie wollten, wie Antje Hermenau es beschrieb, „das Beste von beiden“ Systemen nehmen und etwas Neues schaffen. Ihr Verfassungsentwurf vom Runden Tisch enthielt visionäre Ideen wie die Verankerung des Rechts auf Wohnen und des Rechts auf Arbeit.
Diese Perspektive ist entscheidend, um die anschließende Enttäuschung zu verstehen. Im schnellen Sog der Wiedervereinigung ging dieser Impuls unter. Die brutale Realität dieser Niederlage offenbarte sich am Wahlabend des 18. März 1990: Die vereinigten Bürgerbewegungen, die die Revolution getragen hatten, erhielten gerade einmal 5 Prozent der Stimmen. „Das große Thema Demokratie wurde abgelöst von dem großen Thema deutsche Einheit“, was bei vielen das Gefühl hinterließ, um die Früchte ihrer Revolution betrogen worden zu sein. Der Schriftsteller Volker Braun fasste dieses Gefühl des Verlusts im August 1990 in Worte:

Was ich niemals besaß wird mir entrissen was ich nicht lebte werde ich ewig missen Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle

2. Der hohe persönliche Preis: Vom Burnout bis zum politischen Rückzug
Der schnelle Verlust dieser Gründungsideale im Sog der Wiedervereinigung führte nicht nur zu politischer Enttäuschung, sondern stürzte viele Aktivisten in eine Form von Sisyphusarbeit, die einen immensen persönlichen Tribut forderte. Das unermüdliche Engagement war nicht nur ein Kampf in politischen Gremien, sondern auch ein Ringen mit den Folgen eines kollabierenden Systems. Die sogenannten „Umbruchsjahre“ waren für viele in Wahrheit „Zusammenbrüche“, wie es Matthias Platzeck formulierte. Es war eine Zeit, in der Menschen ihren „eigenen Betrieb abzureißen“ hatten und zwei Millionen junge Leute den Osten verließen.

Dieser gesellschaftliche Druck hinterließ tiefe persönliche Spuren. Platzeck selbst erlitt einen Hörsturz und später einen Schlaganfall. Antje Hermenau litt unter Magengeschwüren und zermürbenden Machtkämpfen. Diese Geschichten korrigieren das idealisierte Bild des Aktivismus und zeigen die menschliche Dimension hinter den Kulissen. Als Matthias Platzeck nach seinem Schlaganfall im Krankenhaus lag, sagte seine Tochter einen Satz, der die Realität auf den Punkt brachte: „wenn du es jetzt nicht merkst dann weiß ich nicht wann du es merkst“.

3. Zersplitterte Wege: Warum aus einstigen Verbündeten politische Gegner wurden
Die Opposition in der DDR war nie ein homogener Block, und nach 1990 traten diese Unterschiede umso deutlicher zutage. Während Katrin Göring-Eckardt eine beständige Karriere in der Bundespolitik machte, zog sich Antje Hermenau desillusioniert zurück und begründete ihren Abschied aus der Politik mit der scharfen Frage: „was soll ich denn als 50-jährige mein Leben meine kostbare Lebenszeit mit einem Kindergarten verplämpern“.

Andere vollzogen eine radikale Neuorientierung. Vera Lengsfeld, einst bei den Grünen, verließ die Partei wegen des aus ihrer Sicht zu nachgiebigen Umgangs mit der PDS. Ihr Austritt war kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Exodus von sieben prominenten Bürgerrechtlern. Später trat sie wegen Angela Merkels Migrationspolitik aus der CDU aus und kritisiert heute den „politischen Mainstream“ in rechtskonservativen Medien. War dieser Zerfall unausweichlich, ein bloßes Symptom der neugewonnenen Pluralität, oder zeugt er von einem tieferen Scheitern, die vielfältigen oppositionellen Strömungen in einer gemeinsamen demokratischen Vision zu bündeln?

4. Ein neuer, alter Kampf: Die Demokratie verteidigen
Diese ideologische Zersplitterung der einstigen Oppositionsbewegung erklärt auch die fundamental unterschiedlichen Diagnosen und Lösungsansätze für die gesellschaftlichen Krisen der Gegenwart. Angesichts der Polarisierung und des Erstarkens der AfD sehen einige den Kern ihrer Arbeit von 1989 erneut in Gefahr. Frank Richter, der als Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung den Dialog mit PEGIDA-Anhängern suchte, was ihm den Vorwurf einbrachte, ein „Pegida-Versteher“ zu sein, kämpft heute als SPD-Politiker gegen die gesellschaftliche Spaltung.

Dabei entbehrt es nicht einer Ironie, dass die Sorgen vieler Ostdeutscher im Westen erst dann ernsthaft Gehör fanden, „als die AfD immer bessere Umfragewerte hatte“, wie Matthias Platzeck feststellt. Er analysiert, dass es versäumt wurde, den Ostdeutschen „Haltegriffe“ zu geben, das Gefühl, „ihr habt euer Leben auch nicht umsonst gelebt“. Die Dringlichkeit des neuen Kampfes bringt Frank Richter mit einem eindringlichen Appell auf den Punkt:
ich habe keine Angst vor der Überfremdung von außen ich habe Angst vor der Entmenschlichung von innen

Die Lebenswege der DDR-Bürgerrechtler waren nach 1989 vielfältiger, dornenreicher und von tieferen Brüchen gezeichnet, als es die verklärende Erinnerung wahrhaben will. Doch ihr zentrales Anliegen – das Ringen um eine offene, demokratische Gesellschaft – bleibt 35 Jahre nach dem Mauerfall von brennender Aktualität.

Ihre Geschichte wirft eine Frage auf, die heute vielleicht wichtiger ist denn je. Was bedeutet es, die Haltung der Bürgerrechtler weiterzutragen und sich, wie Matthias Platzeck es formuliert, abends sagen zu können: „ich kann damit leben was ich getan habe“?