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Kriegsende in Saalfeld 1945: Als der Krieg die thüringer Kleinstadt erreichte

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Vor 80 Jahren, am 14. April 1945, wurde Saalfeld von einem schweren Bombenangriff erschüttert. Zeitzeugen erinnern sich an Stunden des Schreckens – und mahnen zum Frieden.

Es ist ein klarer Montag im April, fast zu schön für den Frühling. Vor 80 Jahren war es ebenso – doch damals brachte das Wetter kein Aufblühen, sondern Zerstörung. Zwischen 15 und 18 Uhr verdunkelten am 14. April 1945 alliierte Bomber den Himmel über Saalfeld. Was dann folgte, ging als einer der verheerendsten Tage in die Stadtgeschichte ein.

„Dächer und Wände stürzten ein, Tellerdecken gaben ab, Millionen Glasscherben flogen durch die Luft“, berichtet ein Zeitzeuge, der als Schüler in Saalfeld untergebracht war. Die Maschinen kamen aus vielen Richtungen, flogen in kleinen Staffeln – fast lautlos. Keine Flugabwehr, keine Sirenen. Dann: ein erster Schlag. Und ein zweiter. Und immer neue. Drei Stunden lang bebte die Erde. Die Stadt versank im Chaos.

Ein Angriff mit Ansage
Bereits Wochen zuvor hatte die Bevölkerung mit einem Angriff gerechnet. Die Lage war angespannt, Berichte über Angriffe auf Erfurt, Weimar und Rudolstadt hatten die Runde gemacht. Saalfeld galt wegen seiner Eisenbahnwerkstätten als strategisches Ziel.

Doch selbst wer sich vorbereitet hatte, war auf das Ausmaß der Zerstörung nicht gefasst. „Es war schlimmer, als wir es uns vorgestellt hatten“, erinnert sich der Zeitzeuge weiter. Er war Schüler am Gymnasium in der Sonnenberger Straße, das kurz vor Kriegsende als Moor-Lazarett genutzt wurde. Mit seinen Klassenkameraden war er aus dem bombardierten Düsseldorf evakuiert worden. Die Hoffnung: Sicherheit in der thüringischen Provinz. Doch der Krieg hatte andere Pläne.

Ein Blick auf die Karte – und der Schock
Auf dem großen Esstisch lag eine Generalstabskarte. „Feindliche Kampfverbände im Anflug auf Quadrat Cesar Dora“, lautete die Durchsage. Kurz darauf fiel die erste Bombe. In den Kellern bangten die Menschen. Ob die Decke halten würde? Ob man noch einmal heil herauskäme?

Drei Stunden lang dauerte der Angriff. Mit jeder Welle neue Explosionen, neue Zerstörung. Eine beklemmende Stille zwischen den Angriffen, gefolgt vom nächsten Inferno.

Gedenken an die Opfer
Heute erinnert eine Tafel am ehemaligen Schulgebäude an das Geschehen. „Die Zivilbevölkerung musste für den Größenwahn Adolf Hitlers und seiner Gefolgsleute bezahlen“, heißt es in einer Rede, die jährlich zum Jahrestag gehalten wird. Sie endet mit einem Zitat von John F. Kennedy: „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen – oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“

Inmitten von Kränzen, Kerzen und stiller Erinnerung steht heute mehr denn je die Mahnung: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Das, was vor 80 Jahren in Saalfeld geschah, darf nie vergessen werden.

Im Dornröschenschlaf der Gleise – Die vergessene Geschichte der Friedhofsbahn

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Berlin. Zwischen alten Schwellen und überwucherten Gleisen liegt ein stilles Kapitel Berliner Verkehrsgeschichte: die Friedhofsbahn. Einst als Verbindung zwischen der Großstadt und einem der größten Friedhöfe Europas gedacht, ist sie heute ein Ort des Verfalls – und der Erinnerung.

Am Rand Berlins, wo die Siedlung Dreilinden in die märkischen Wälder übergeht, trafen sich der Berliner Zeitzeuge und Fotograf Sigurd Hüttenbach und ein Filmteam, um die Vergangenheit einer Bahnlinie aufleben zu lassen, die einst Toten den Weg zur letzten Ruhe ebnete – und heute selbst wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt.

Eine Bahn für die Toten
Die Friedhofsbahn wurde 1913 in Betrieb genommen. Sie verband den Bahnhof Wannsee mit dem neu angelegten Südwestkirchhof Stahnsdorf, damals einer der drei zentralen Friedhofsanlagen, die im Berliner Umland entstehen sollten. Die Planung war vorausschauend: Mit dem rapide wachsenden Berlin gingen innerstädtische Begräbnisplätze zur Neige. Eine Bahnlinie für den Leichentransport – mit speziellen Waggons und einer Leichenhalle in Stahnsdorf – schien die logische Lösung.

„Das war keine normale S-Bahn“, erklärt Hüttenbach. „Die Strecke wurde mit Dampf betrieben, später elektrifiziert, aber ihr Hauptzweck war der Transport Verstorbener und ihrer Angehörigen.“

Krieg, Teilung – und Stillstand
Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde die Strecke endgültig stillgelegt. Die Linie verlief über die innerdeutsche Grenze – ein Fortbetrieb war ausgeschlossen. Und obwohl das Gleisbett, die Stromschienen und Signale noch intakt waren, blieb der Betrieb für immer eingestellt.

„Es sah damals so aus, als könne der Zug jederzeit wieder fahren“, erinnert sich Hüttenbach an seine Aufnahmen von 1962. Doch statt neuer Fahrgäste kamen nur noch Wind und Gras.

Die Westseite ließ die Gleise bald abbauen – jedoch nur bis zur letzten rechtlich erlaubten Stelle: der Grenze. „Die DDR ließ ihr Gleisstück liegen“, sagt Hüttenbach, „und so ist es bis heute – ein historisches Technikdenkmal mitten im Wald.“

Die Macht der Erinnerung
Sigurd Hüttenbach, selbst Zeitzeuge der Teilung, begann früh mit der fotografischen Dokumentation dieser unsichtbaren Narben der Stadt. Mit seiner Kleinbildkamera hielt er Absperrungen, verlassene Gleise und Grenzanlagen fest. Eine Arbeit, die heute von unschätzbarem Wert ist.

„Ich wollte alles sehen, was mir genommen wurde“, sagt er. „Die Mauer hat mir einen Teil meiner Stadt entzogen – also habe ich mich aufgemacht, ihn festzuhalten.“

Die Begegnung mit der alten Strecke endet symbolisch: Gemeinsam heben die beiden Männer einen verrosteten Schwellennagel aus dem Boden – geprägt mit der Jahreszahl 1908. Ein kleines Stück Geschichte, das nun als Andenken weiterlebt.

Zukunft ungewiss
Heute gleicht die Friedhofsbahn einer Naturbühne. Bäume, Sträucher und Moose haben die Trasse zurückerobert. Und doch – Pläne für eine Reaktivierung existieren. Ob die Friedhofsbahn je wieder in Betrieb geht, bleibt offen.

„Vielleicht in 20 oder 30 Jahren“, sagt Hüttenbach nachdenklich. „Dann werden andere mit frischen Augen auf diese Gleise schauen. Aber die Geschichte wird immer mitfahren.“

Verborgene Wacht am Stadtrand – Die Landtore von Rostock

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In der aktuellen Folge von „Goldhofers Zeitreise“ begibt sich Moderator Jörg Goldhofer auf Spurensuche entlang der einstigen Wehranlagen der Hansestadt Rostock. Eine Reise durch Jahrhunderte, von Tor zu Tor – vorbei an Glanz, Verfall und Wiederentdeckung.

Wenn der Schnee der Gegenwart die Spuren der Vergangenheit zudeckt, dann hilft oft nur ein Blick zurück, um zu verstehen, was einst war. In der sechsten Ausgabe seiner historischen Radioserie „Goldhofers Zeitreise“ widmet sich Jörg Goldhofer den Landtoren Rostocks – jenen Bauwerken, die einst den Zugang zur Stadt aus dem mecklenburgischen Umland sicherten.

Ausgangspunkt ist das Jahr 1265, als sich die drei Teilstädte Rostocks zusammenschlossen. Was folgte, war ein massiver Ausbau der Stadtbefestigung: Wälle, Gräben und eine fünf Kilometer lange Mauer mit 1,5 Metern Dicke sollten Schutz bieten. Entlang dieser Mauern entstanden insgesamt 22 Stadttore, darunter neun Landtore, die den Verkehr aus dem Landesinneren regelten.

Eines davon war das Bramoer Tor, besser bekannt als Grünes Tor – benannt nach seinem schiefergedeckten Dach, das im Licht grünlich schimmerte. Es führte einst Richtung Warnemünde, wurde jedoch 1722 abgetragen. Nur der Straßenname erinnert heute noch an das einst mächtige Bauwerk.

Weit bekannter ist das Kröpeliner Tor. Mit seiner stolzen Höhe von 54 Metern diente es nicht nur der Verteidigung, sondern war auch ein Symbol städtischen Selbstbewusstseins. Heute ist es eines der wenigen erhaltenen Tore und markiert das westliche Ende der Kröpeliner Straße, Rostocks belebter Einkaufsmeile. Im Laufe der Zeit diente es unterschiedlichsten Zwecken: als Tor, Turm, Bahndurchlass – und heute als Ausstellungsort.

Andere Tore verschwanden stiller aus dem Stadtbild. Das Schwansche Tor, einst südlicher Auslass in Richtung Schwaan, verlor seine Funktion bereits früh an das benachbarte Steintor. Letzteres wurde nach der Eroberung Rostocks durch Herzog Johann Albrecht 1574 im Stil der Renaissance neu aufgebaut und prägt bis heute das Bild südlicher Stadteingänge.

Eine Besonderheit stellt das Kuhtor dar. Es ist das älteste erhaltene Stadttor Norddeutschlands und diente später dem Viehtrieb auf die Warnowwiesen. Auch dieses Bauwerk hat eine bewegte Geschichte hinter sich – vom Wehrtor zum Gefängnis, schließlich zur Wohnung. Erst 1984 wurde es vollständig rekonstruiert.

Viele der anderen Tore existieren nur noch in Karten, Namen oder Archiven: das Gerberturm, der Küterturm, das neue Petriturm – letzteres möglicherweise der Standort des ersten Rostocker Stadttores überhaupt, unterhalb der ältesten Kirche der Stadt, St. Petri. 1960 wurde das Tor endgültig abgerissen, obwohl schon 1900 erste Stimmen laut wurden, es zu erhalten. Heute existieren konkrete Pläne für einen Wiederaufbau.

Goldhofer verknüpft die Spurensuche mit lokalen Überlieferungen, etwa dem bekannten Gedicht über die „Rostocker Sieben“. In diesem lyrischen Kanon tauchen nur sieben Tore auf – ein Hinweis darauf, wie schnell Vergessen beginnt, wenn Steine fehlen. Die Erklärung ist schlicht: Zum Zeitpunkt der Dichtung waren manche Tore bereits längst verschwunden.

Mit viel Detailfreude, historischen Quellen und einem Gespür für die Geschichten hinter den Mauern rekonstruiert Goldhofer die verborgene Topografie der Hansestadt. Sein Beitrag ist mehr als eine historische Rückschau. Er ist ein Plädoyer für das Erinnern – und für eine Stadt, die stolz auf ihr steinernes Erbe sein darf.

Die Ostseeküste in Mecklenburg – Jeden Tag wert, gelebt zu werden!

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Entdeckt die stille Schönheit und wilde Kraft der Ostseeküste Mecklenburgs – ein Ort, an dem sich bewegte Bilder und Worte zu einer poetischen Reise entlang der Küste verbinden. In diesem Video verschmelzen sanfte Dünen, rauschende Wellen und weite Horizonte mit einem einfühlsamen Gedicht, das die Seele berührt.

Ein Ort, an dem alles begann
Geht man den ewigen Sandstrand entlang, spürt man das unmittelbare Gefühl der Verbundenheit mit der Natur. Hier, an der Ostseeküste Mecklenburgs, beginnt die Geschichte des Badens – ein Erlebnis, das weit über den ersten Sprung ins erfrischende Ostseewasser hinausgeht. Der salzige Hauch der Seeluft und die sanften Wellen, die leise die Haut streicheln, offenbaren ein Urgefühl, das dem Besucher eine zweite Heimat bietet.

Die Poesie der Küste: Bilder und Worte im Einklang
In diesem meditativen Video verschmelzen bewegte Bilder mit einem tief berührenden Gedicht, das die natürliche Magie dieser Region einfängt. Von den malerischen Dünen bis zu den rauschenden Wellen und den endlosen Horizonten – jede Einstellung ist ein Ausdruck der stillen Schönheit und wilden Kraft, die diese Küstenlandschaft auszeichnen. Die Worte laden dazu ein, innezuhalten, zu träumen und die unberührte Natur Mecklenburg-Vorpommerns als Inspirationsquelle zu erleben.

Zwischen Geschichte und moderner Lebenskunst
Die Ostseeküste Mecklenburgs ist nicht nur ein Erholungsparadies, sondern auch ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart harmonisch ineinanderfließen. Historische Hansestädte treffen auf das entspannte Flair traditioneller Ostseebäder. Hier verbindet sich der Geist der Urgeschichte des Badens mit modernen Ideen von Selfcare und Workation – ein Zusammenspiel, das Körper und Geist gleichermaßen anspricht.

Ein Raum zum Träumen, Planen und Innehalten
Ob zum Träumen, für kreative Arbeitsimpulse oder einfach zum Innehalten – die natürliche Magie dieser Region inspiriert dazu, den Alltag hinter sich zu lassen. Die sanften Wellen, die sacht über den Sand hinwegfließen, bieten jedem Besucher die Möglichkeit, neue Kraft zu schöpfen, Lieblingsplätze zu entdecken und sich selbst wiederzufinden. Es ist ein Ort, an dem man Wurzeln schlagen und immer wieder gerne zurückkehren möchte.

Die Ostseeküste Mecklenburgs offenbart eine einzigartige Poesie, in der jede Welle, jeder Windhauch und jeder weite Horizont Geschichten von Ur-Anfängen und modernen Lebenswegen erzählt. Dieses beeindruckende Zusammenspiel von Natur und Kunst inspiriert nicht nur zum Träumen und Planen, sondern lädt auch dazu ein, sich auf eine tief berührende Reise einzulassen – eine Reise, bei der das Meer als Quelle der Ruhe und Erneuerung wirkt.

Wer die Ostseeküste betritt, erlebt weit mehr als nur Küstenlandschaft – er taucht ein in eine Symphonie aus Bildern und Worten, in der jede Berührung der Natur zu einem Vers in der großen Poesie des Lebens wird.

Zwischen Ost- und West-Flair – Die Zwiespältigkeit der Ost-Berliner Hotellerie

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Im Herzen Ost-Berlins, gleich unweit des ehemaligen Bahnhofs Friedrichstraße, eröffnete im April 1977 das legendäre Metropol Hotel – eine Oase des Westflairs mitten in der sozialistischen Hauptstadt. Dieses Hotel galt lange als ein Schaufenster der DDR, in dem westlicher Luxus und ostdeutsche Strenge auf überraschend harmonische Weise miteinander verflochten waren.

Ein Schicksalsort der Gegensätze
Die Geschichte des Metropol Hotels liest sich wie ein Mikrokosmos der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Spannungen jener Zeit. Gäste aus aller Welt, von bekannten Weststars wie Udo Jürgens und Nana Mouskouri bis hin zu hochrangigen Diplomaten und internationalen Geschäftsleuten, fanden hier einen Ort der Begegnung, an dem sie abseits der staatlich kontrollierten Mangelwirtschaft ein Stück „Leben wie im Westen“ genießen konnten. Diese exklusive Sphäre entstand unter der sorgsamen Aufsicht von DDR-beauftragten Managern, die mit den oft widersprüchlichen Anforderungen von Ost und West jonglieren mussten.

Im Dienste des Luxus
Helga Lindner, eine langjährige Mitarbeiterin in der Protokollabteilung des Metropol, erinnert sich an ihre Zeit in diesem ganz eigenen Mikrokosmos: „Es war, als ob wir auf einer Insel lebten, fernab vom Rest der DDR.“ In einem Hotel, in dem Wünsche – so ausgefallen sie auch sein mochten, wie zum Beispiel brauner Kandiszucker für den Tee – prompt erfüllt wurden, durfte die Realität des Alltags an den internationalen Besuchern kaum spürbar werden. Jedes Detail im Metropol war darauf ausgelegt, den Gästen ein rundum versöhntes Bild von ostdeutschem Wohlstand und Gastfreundschaft zu vermitteln.

Das unsichtbare Netzwerk der Devisen
Doch hinter dem Glanz und Glamour des Metropol verbergen sich auch weniger offensichtliche Facetten. Das Hotel fungierte als Drehscheibe im Netz der DDR-Devisenbeschaffung. Namen wie Alexander Schalk-Golodkowski tauchen immer wieder auf, wenn es um die diskrete Abwicklung von Geschäften zwischen Ost und West ging. Die Gäste profitierten von einem Service, der weit über das übliche Maß hinausging – eine Leistung, die es der sozialistischen Planwirtschaft ermöglichte, zumindest in diesem speziellen Mikrokosmos, dem westlichen Luxus ein Stückchen Leben einzuhauchen.

Ein Blick über den Tellerrand – Das Palasthotel
Parallel zum Metropol eröffnete das Palasthotel, gegenüber dem symbolträchtigen Palast der Republik, ein weiteres Kapitel der ostdeutschen Hotellerie. Auch hier wurde auf Exklusivität und Diskretion gesetzt. Wo das Metropol mit seinen prominenten Gästen und der grellen Welt des Westlifestyles brillierte, setzte das Palasthotel auf einen eher nüchternen, aber dennoch charmanten Anspruch. Der Kontrast zwischen beiden Häusern zeichnete ein vielschichtiges Bild der DDR, in dem der Versuch, westlichen Standard zu imitieren, in jeder Ecke der Hotellobby und im Personal zelebriert wurde.

Heute – Erinnerungen und Vermächtnisse
Auch Jahrzehnte nach der Wende fasziniert die Geschichte dieser Hotels immer noch. Sie erinnern an eine Zeit, in der Ost und West trotz unüberbrückbarer Differenzen in einem scheinbar unwahrscheinlichen Nebeneinander existierten. Die nostalgische Erinnerung an jene Tage lebt in den Berichten ehemaliger Mitarbeiter und Gäste weiter. Ihre Erinnerungen zeichnen ein Bild von Luxus, Geheimnissen und einer fast unwirklichen Welt, die es verstand, den Widerspruch von sozialistischer Planwirtschaft und westlichem Lebensstil kunstvoll miteinander zu verbinden.

Heute, wenn man an den Ort des einst pulsierenden Metropol Hotels oder des eleganten Palasthotels blickt, bleibt ein Hauch von Geschichte zurück – ein Mahnmal an eine Ära, in der das Streben nach Normals und das Bedürfnis nach Exklusivität Hand in Hand gingen. Dieser facettenreiche Blick zurück zeigt, wie ambitioniert die DDR war, sich trotz wirtschaftlicher Restriktionen ein Stück Lebensqualität zu sichern, und wie diese Bestrebungen letztlich den Weg in die Erinnerungskultur der deutschen Hauptstadt gefunden haben.

Die DDR: Eine Zerrissene Geschichte zwischen Stolz und Unterdrückung

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Die Stimmen im Film sind leise, eindringlich, ehrlich – und sie erzählen von einem Land, das es seit über drei Jahrzehnten nicht mehr gibt, aber in vielen Herzen noch immer weiterlebt.

Was bleibt, wenn ein Staat untergeht? Für viele ehemalige DDR-Bürger ist es mehr als nur ein Kapitel Geschichte. Es ist ihre Biografie – geprägt von Widersprüchen, von familiärer Geborgenheit und staatlicher Kontrolle, von Gemeinschaftsgefühl und eingeschränkter Freiheit. Das Video schafft es, diese Zerrissenheit in Worte zu fassen, ohne in Verklärung oder Verurteilung zu verfallen.

Viele Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, erinnern sich an ein starkes „Wir“-Gefühl. Der Sport spielte eine herausragende Rolle – Medaillen bei Olympischen Spielen wurden mit Stolz gefeiert, als Erfolge des gesamten Volkes. Auch das Bildungssystem und die soziale Absicherung gelten vielen bis heute als Errungenschaften. Es war eine Zeit, in der Nachbarn sich gegenseitig halfen, in der Solidarität nicht nur ein Wort war.

Natürlich gehörte zur DDR auch die Kehrseite: ein rigides Grenzregime, staatliche Überwachung und das Gefühl, im eigenen Land nicht frei sprechen zu dürfen. Doch genau in dieser Spannung liegt die Kraft des Rückblicks. Denn Erinnerungen sind nie eindimensional – sie tragen Licht und Schatten in sich.

Besonders beeindruckend ist, wie viele Zeitzeugen offen und reflektiert über ihre Erfahrungen sprechen. Auch ehemalige Grenzsoldaten, deren Aufgabe es einst war, den „antifaschistischen Schutzwall“ zu sichern, schildern ihre Sicht – oft mit bewegenden Worten. „Zwei Seelen wohnen in meiner Brust“, sagt einer von ihnen. Ein Satz, der mehr über die DDR erzählt als mancher Geschichtsbuchband.

Der Film erinnert daran, dass die Geschichte der DDR nicht nur aus politischen Entscheidungen besteht, sondern aus Millionen Einzelschicksalen. Sie zeigt, wie tief die Vergangenheit noch heute wirkt – in Erinnerungen, in Familiengesprächen, in der Art, wie Menschen über Gerechtigkeit, Freiheit und Zusammenhalt denken.

Was diesen Beitrag so besonders macht, ist sein Respekt gegenüber den Menschen, die in einem schwierigen System versuchten, ein gutes Leben zu führen. Er mahnt zur Differenzierung – und ermutigt zur Auseinandersetzung. Denn: Die DDR ist Vergangenheit, aber ihre Geschichten sind Teil unserer Gegenwart.

Kulturpalast Bitterfeld: Wie ein Haus der Arbeiterkultur zur lebendigen Legende wurde

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Inmitten der einstigen Industrielandschaft Bitterfelds, wo einst Rauchschwaden den Himmel verdunkelten und chemischer Gestank den Alltag prägte, erhebt sich ein Bauwerk, das bis heute Symbol für kulturellen Aufbruch, Gemeinschaftssinn und gelebte Geschichte ist: der Kulturpalast Bitterfeld, in der Region liebevoll nur „KUPA“ genannt.

Vom Arbeitertraum zum Kulturdenkmal
1954 errichtet – nicht von Architektenteams, sondern von rund 5.000 freiwilligen Helferinnen und Helfern aus der Region: Hausfrauen, Schüler, Chemiearbeiter. Sie alle leisteten ihren Beitrag, um mitten im industriellen Herzen der DDR einen Ort für Kunst, Unterhaltung und Begegnung zu schaffen. Der Bau wurde durch Eigeninitiative und teils ungewöhnliche Materialtauschgeschäfte realisiert – Ausdruck einer Zeit, in der Kultur noch als Teil gesellschaftlicher Verantwortung gedacht wurde.

Große Bühne, große Namen
Schon früh entwickelte sich der KUPA zu einem Magneten für Künstler und Publikum gleichermaßen. Hier standen nicht nur Volkskunstgruppen und Schulchöre auf der Bühne, sondern auch prominente Gäste wie Udo Jürgens, Walter Ulbricht oder der beliebte Moderator Heinz Quermann. Der Kulturpalast war regelmäßig Schauplatz für Fernsehproduktionen, auch westliche Künstler traten hier auf – zu einer Zeit, als dies alles andere als selbstverständlich war.

Mit seiner imposanten Architektur, der ersten Drehbühne der Region und einem bis heute erhaltenen 50er-Jahre-Charme war der Palast eine kulturelle Insel im tristen Industriealltag. Die Tickets waren begehrt, das Haus stets gut besucht.

Ort der Vielfalt und Erinnerung
Über 60 Laienkunstgruppen nutzten die Räume des Palastes – kostenlos. Von Fotografie über Stickerei bis hin zu Theater und Musik: Der KUPA war Bühne und Heimat für kreative Ausdrucksformen, die in der DDR oft staatsgetragen, aber nicht selten auch von echter Leidenschaft geprägt waren.

Zugleich spiegelte das Haus die Widersprüche seiner Zeit. So fanden hier Trauerfeiern statt – etwa nach der Explosion in der BVC-Produktion 1968, bei der zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Auch politische Brüche wie die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 hinterließen Spuren: Auftritte wie der letzte des Liedermachers Fred Krug gerieten zur Inszenierung unter Aufsicht.

Verfall und Wiedergeburt
Nach der Wende stand der Palast leer. Ein Stück kollektives Gedächtnis schien zu verschwinden – bis sich mit dem Unternehmer Preis Daimler ein Retter fand. Er investierte über drei Millionen Euro in die denkmalgerechte Sanierung. Heute ist der Kulturpalast wieder in Betrieb, beherbergt unter anderem ein Kinder- und Jugendballett und ist Schauplatz von politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen.

Mehr als ein Gebäude
Der Kulturpalast Bitterfeld ist längst mehr als nur ein Haus mit Geschichte. Er ist ein Symbol dafür, dass Kultur über politische Systeme hinweg Bestand haben kann – getragen von Menschen, die an ihre Region glauben. Ein Ort, der Generationen verbindet und beweist: Auch in Bitterfeld kann das Leben bunt sein.

Rostock – Eine Stadt zwischen Geschichte und Moderne

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Rostock, eine Hanse-, Hafen- und Universitätsstadt, präsentiert sich heute als faszinierendes Zusammenspiel von Geschichte, kulturellem Erbe und modernem Lebensstil. Diese Stadt, deren Ursprung rund um die Kirche St. Petri liegt, blickt auf ein bewegtes Schicksal zurück – geprägt von Generationen, architektonischen Höhepunkten, Zerstörung und beharrlichem Wiederaufbau.

Der Ursprung und die ersten Jahrhunderte
Die Geburtsstunde Rostocks datiert auf das Jahr 1218, als der alte Markt rund um die Petrikirche, benannt nach St. Peter – dem Schutzpatron aller Seeleute – entstand. Bereits damals legte sich der Grundstein für eine Stadt, die durch ihre strategische Lage am Meer und ihren wachsenden Handel bald in den Fokus der Hanse geriet. Die Kirche St. Petri, deren nautische Höhe von 125,5 Metern sie zu einem unschlagbaren Wahrzeichen zwischen Elbe und Oder macht, prägte das Stadtbild und verlieh Rostock seinen charakteristischen historischen Reiz.

Architektur als lebendige Chronik
Die Stadtgeschichte manifestiert sich in der architektonischen Vielfalt Rostocks: So erinnern Überreste des mittelalterlichen Stadtkerns, wie der alte Markt, verschiedene Stadttore und Kirchen, an längst vergangene Zeiten. Die St. Petri Kirche, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs im April 1942 nahezu vollständig zerstört wurde, erlebte einen beeindruckenden Wiederaufbau. Mit der Montage der Turmspitze im Jahr 1994 wurde der symbolträchtige Wiederaufstieg der Stadt eindrucksvoll besiegelt. Heutige Bürger und Besucher können an Plätzen wie dem neu gestalteten Markt in Rostock nicht nur moderne Akzente, sondern auch Spiegel historischer Epochen entdecken.

Früher prägten enge Gassen und mittelalterliche Fassaden das Bild der Hansestadt. So dokumentieren Bilder aus den Jahren zwischen 1925 und 1935 ein Stadtbild, in dem das Ambiente der alten Märkte und die Klänge aus den Ratskellern – wo man sich bei einem Bier über historische Lieder, unter anderem von Hoffmann von Fallersleben, erfreute – lebendig wurden. Mit der Zerstörung und anschließenden Neugestaltung einiger Stadtquartiere, wie dem neuen Markt und der verbreiterten Steinstraße, fand eine Synthese von Tradition und Moderne statt.

Kultur und das Erbe der Hansestadt
Rostocks kulturelle Identität wird nicht zuletzt durch die Gründung der ältesten Universität Nordeuropas im Jahr 1419 unterstrichen – eine Einrichtung, die der Stadt den Beinamen „Leuchte des Nordens“ einbrachte. Die Universität bildet noch heute das pulsierende Herz der Stadt, in dem über 10.000 Studierende aus 67 Ländern zu Gast sind. Ihre historischen Bauten, wie der Hauptbau, der 1870 vollendet wurde, erzählen von einer bewegten akademischen Tradition, die sich im Laufe der Jahrhunderte an den Bedürfnissen der Zeit orientiert hat.

Weitere bedeutende Bauwerke und Denkmäler wie das Kerkhofhaus, heute Sitz des Standesamtes und Stadtarchivs, sowie Gedenkstätten für bekannte Persönlichkeiten wie Feldmarschall Blücher und Dichter wie John Brinkmann, tragen zur kulturellen Vielfalt bei. Diese Erinnerungsorte laden nicht nur Touristen ein, sondern bieten den Rostockern auch einen Ankerpunkt in der wechselvollen Stadtgeschichte.

Zwischen Zerstörung und Wiederaufbau
Die Narben vergangener Kriegszeiten – namentlich jene aus der Luftangriffskrise des Zweiten Weltkriegs – sind zwar noch sichtbar, doch sie zeugen von der Entschlossenheit der Rostocker, ihre Stadt aus der Asche zu neuem Leben zu erwecken. Stadtteile, die in den Kriegswirren zerstört wurden, wie der alte Markt und angrenzende Straßen, erstrahlen heute in neuem Glanz. Das Stadtbild verbindet somit nicht nur alte Traditionen mit der modernen Infrastruktur, sondern auch die Erinnerung an vergangene Tragödien mit dem Optimismus einer zukunftsgerichteten Gemeinschaft.

Rostock im Wandel der Zeit
Der Wandel der Stadtlandschaft in Rostock ist ein Spiegelbild der historischen Dynamik. Während ehemals enge und verkehrsberuhigte Gassen heutigen Verkehrsstraßen weichen, bleibt der Geist der Stadt unverändert. Es ist ein ständiger Dialog zwischen dem Erbe der Vergangenheit und den Herausforderungen der Moderne – sichtbar in jedem restaurierten Bau, jeder Denkmalstelle und in den lebendigen Gesprächen der Menschen, die hier seit Jahrhunderten leben.

Abschließend lässt sich sagen: Rostock ist weit mehr als ein Zeugnis vergangener Epochen. Es ist eine Stadt, die sich ständig neu erfindet und dabei stets ihre Wurzeln bewahrt. Der Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart macht Rostock zu einem faszinierenden Ort, der sowohl von Einheimischen als auch von Besuchern als lebendiger Erlebnisraum wahrgenommen wird.

Haseloffs Abrechnung: Wie Ostdeutschland in den Medien (nicht) vorkommt

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35 Jahre nach der Wiedervereinigung gilt „der Osten“ in vielen Medien immer noch als Sonderfall. Die Debatten nach den letzten Landtagswahlen sind dafür ein Indiz. Zu dem oft undifferenzierten Bild tragen nicht nur einzelne Journalistinnen und Journalisten bei, sondern auch strukturelle Faktoren – etwa die Besitzverhältnisse von Verlagen oder privaten Medienkonzernen. Bis heute sind Menschen mit einer ostdeutschen Sozialisation in den Redaktionen unterrepräsentiert. Wie kann die vielschichtige Gesellschaft in den ostdeutschen Ländern differenzierter dargestellt werden? Wie lassen sich Klischees vermeiden? Und wie können ostdeutsche Stimmen sichtbarer werden?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung des Deutschlandfunks in Berlin. Unter dem Titel „Im Osten nichts Neues?“ diskutierten auf Einladung von Nadine Lindner: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, MDR-Journalistin Christin Bohmann, Medienwissenschaftlerin Melanie Stein, Heiko Paluschka von ProSiebenSat.1, Maria Fiedler vom Spiegel und der Leipziger Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Dirk Oschmann.

Narrative von der Stange
„Wir berichten oft durch die Folie ‚AfD‘ oder ‚Rechtsextremismus‘“, räumte Maria Fiedler ein. Zwar gebe es viele Kolleg:innen, die mit Neugier und Engagement aus dem Osten berichten – doch die dominierenden Narrative seien häufig defizitorientiert. Einem differenzierten Bild stehe der Nachrichtenalltag oft im Weg.

Für Heiko Paluschka liegt die Lösung in mehr regionaler Verankerung: Sein Sender arbeite mit lokalen Produktionsfirmen zusammen, um „Rahmengeschichten“ aus dem Osten in die nationale Berichterstattung einzubinden. Doch das bleibt häufig nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Haseloffs Abrechnung
Reiner Haseloff zeigte sich sichtlich unzufrieden. Er widersprach der Einschätzung, dass sich die Berichterstattung verbessert habe: „Es ist schlimmer geworden.“ Der Osten finde medial nur dann Beachtung, wenn es um Wahlerfolge der AfD, marode Infrastruktur oder soziale Probleme gehe. „Es gibt keine überregionale Redaktion mit Sitz in Ostdeutschland. Das ist ein strukturelles Problem.“ Sein Vorwurf: Die gesamtdeutsche Medienwirklichkeit spiegele den Osten kaum wider – ein blinder Fleck mit Folgen für das Vertrauen in Medien.

Ein anderes Erzählen
Dirk Oschmann, der mit seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ die Debatte angestoßen hatte, forderte einen politischen Willen zur Umkehr. Positiv hob er seltene Beispiele hervor, in denen ostdeutsche Perspektiven nicht als Randthema, sondern als Teil der gesamtdeutschen Realität behandelt werden.

Auch Christin Bohmann vom MDR sieht Verantwortung – aber auch Potenzial. Ihr Sender arbeite mit interaktiven Formaten wie „MDRfragt“, um herauszufinden, welche Themen die Menschen in den neuen Bundesländern wirklich bewegen. „Es geht darum, Lebensrealität zu zeigen – nicht nur das Problemumfeld.“

Repräsentanz als Schlüssel?
Viele auf dem Podium waren sich einig: Mehr ostdeutsche Stimmen in Redaktionen könnten helfen – aber es braucht mehr als Herkunft. „Wer nur den Osten erklärt, ohne ihn zu kennen, scheitert an der Komplexität“, so Maria Fiedler.

Zugleich wurde vor einer gefährlichen Entwicklung gewarnt: Die soziale Medienlandschaft öffne Raum für alternative Informationsblasen, insbesondere im AfD-nahen Umfeld. Der Vertrauensverlust sei greifbar. Präsenz, Dialog und Transparenz könnten dem entgegengesetzt werden – aber das brauche Ressourcen und Zeit.

Vergangenheit, die nachwirkt
Ein Kommentar aus dem Publikum brachte es auf den Punkt: „Reden wir wirklich über den Osten – oder nur über das Bild, das wir uns gemacht haben?“ Dirk Oschmann forderte, die friedliche Revolution von 1989/90 endlich als demokratische Leistung anzuerkennen. Stattdessen dominiere noch immer eine verkürzte Darstellung der DDR als reine Repressionsgeschichte.

Reiner Haseloff plädierte für mehr direkte Begegnungen: „Städtepartnerschaften, Schulprojekte, Journalismus vor Ort – nur so wächst gegenseitiges Verständnis.“

Noch viel zu erzählen
Die Diskussion war engagiert, streckenweise kontrovers – und vor allem notwendig. Die Berichterstattung über Ostdeutschland bleibt ein Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Doch die Bereitschaft zum Umdenken wächst. Vielleicht beginnt echte Veränderung nicht mit einer Schlagzeile – sondern mit dem Zuhören.

Vom NS-Propagandakomplex zum Luxusresort – Die erstaunliche Verwandlung von Prora

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Zwischen den rauschenden Wellen der Ostsee und den endlosen Stränden Rügens erhebt sich ein Bauwerk, das mehr als nur ein architektonisches Meisterstück ist – es ist ein lebendiges Zeugnis deutscher Geschichte. Einst als gigantisches Propagandaprojekt der Nationalsozialisten errichtet, hat sich Prora in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt. Heute lockt der ehemalige Ferienkomplex nicht nur Geschichtsinteressierte, sondern auch anspruchsvolle Touristen und Investoren an, die den Ort in ein exklusives Luxusresort verwandelt haben. Doch wie konnte ein Bauwerk, das seinen Ursprung in der düsteren Ideologie des Nationalsozialismus hat, den Sprung in die moderne Welt schaffen?

Die Ursprünge: Ein Bauprojekt im Dienste der Propaganda
In den 1930er Jahren, als das nationalsozialistische Regime in Deutschland unaufhaltsam an Macht gewann, sollte ein Bauwerk entstehen, das die Größe und Überlegenheit des Regimes symbolisiert. Unter dem Programm „Kraft durch Freude“ (KdF) war geplant, der breiten Masse nicht nur den Urlaub zu ermöglichen, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl und die Kontrolle des Staates zu festigen. In diesem Zusammenhang entstand Prora, ein Baukomplex, der sich über fast fünf Kilometer entlang der Küste erstrecken sollte und Platz für 20.000 Menschen bot.

Architekt Clemens Klotz, der einen Wettbewerb gewann, entwarf die monumentale Anlage, bestehend aus acht identischen Wohnblöcken mit insgesamt 10.000 Zimmern. Doch diese Zimmer waren keineswegs großzügig geschnitten: Mit einer Größe von nur zweieinhalb mal fünf Metern pro Zimmer war die Idee dahinter, dass die Gäste kaum private Freiräume haben und so in ein staatlich gelenktes Gemeinschaftsleben eingebunden werden sollten. Anstelle von individuellen Rückzugsorten standen riesige Festhallen, Kinos, Theater und Sportanlagen auf dem Plan – alles unter dem Deckmantel der Propaganda, die den nationalsozialistischen Staat verherrlichen sollte.

Vom Traum zur Realität – und der Kriegswende
Bereits im Mai 1936 nahm der Bau seinen Anfang, und rund 9000 Arbeiter, darunter auch zahlreiche Zwangsarbeiter, setzten das ambitionierte Projekt um. Die Baukosten beliefen sich auf etwa 237 Millionen Reichsmark – eine Summe, die man heute mit anderthalb Milliarden Euro vergleichen könnte. Doch der verhängnisvolle Schatten des Krieges ließ auch dieses prächtige Projekt nicht unberührt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs änderte sich der Zweck radikal: Anstatt als Urlaubsort zu dienen, wurden die Räumlichkeiten als militärische Unterkünfte genutzt. Soldaten statt Urlauber zogen in die schlichten Betonzellen ein, und der ursprüngliche Traum eines Propagandaresorts wich der kriegsbedingten Notwendigkeit.

Als 1945 die Rote Armee in Deutschland einmarschierte, sollte Prora fast seinem Ende geweiht sein. Die sowjetischen Streitkräfte erwogen, den massiven Komplex in die Luft zu jagen – doch der zähe Stahlbeton erwies sich als zu robust, um ohne enorme Zerstörungskraft in Schutt und Asche gelegt zu werden. So blieb Prora erhalten, wenn auch in einem Zustand des Verfalls und der Vernachlässigung.

Ein Relikt der DDR-Ära und das lange Schweigen
Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel Prora in die Hände der Sowjetunion und später in die der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Der einst als Ferienparadies gedachte Ort wurde zum Sperrgebiet und diente als streng geheime Kaserne der Nationalen Volksarmee. Die idyllischen Strände wurden vermint und die Anlage in ein östliches Militärlager umfunktioniert. Jahrzehntelang war Prora somit ein Ort, der kaum noch einen Bezug zur ursprünglichen Intention hatte – ein stummer, vergessen geglaubter Riese, dessen wahre Bedeutung unter den Trümmern der Geschichte begraben lag.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 änderte sich das Bild schlagartig. Das riesige Bauwerk stand verlassen und von der Zeit gezeichnet da. Die einst so mächtigen Betonmauern waren vom salzigen Wind und der Ostseeluft gezeichnet, und die Fragen nach der Zukunft von Prora wurden immer lauter. Soll dieses monumentale Relikt der Vergangenheit abgerissen werden? Oder gibt es einen Weg, seine Geschichte zu bewahren und gleichzeitig einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen?

Der lange Weg zur Renaissance – Denkmalstatus und Neuanfang
Im Jahr 1994 wurde Prora unter Denkmalschutz gestellt, was den Abriss endgültig verhinderte. Der Denkmalschutz sollte als Mahnmal dienen – als stumme Erinnerung an die dunkle Vergangenheit und als Warnung vor den Verführungen totalitärer Ideologien. Doch statt das Erbe gänzlich zu konservieren, entstand bald eine neue Vision: Warum nicht aus einem scheinbar unflexiblen Relikt der Geschichte etwas Modernes und Nutzbares schaffen?

Investoren und Architekten entwickelten ein Konzept, das die strenge Bausubstanz des ursprünglichen Entwurfs bewahren und gleichzeitig den Anforderungen der modernen Zeit gerecht werden sollte. Die winzigen Zellen des KdF-Resorts wurden zu modernen Apartments und Penthäusern umfunktioniert. Die ursprünglichen Stahlbetondecken und die schlichte Fassade sollten als historische Elemente erhalten bleiben, während Innenausbau und technischer Komfort auf den neuesten Stand gebracht wurden. Es entstanden luxuriöse Ferienwohnungen, stilvolle Hotels, Kunstgalerien, Cafés und Restaurants – ein facettenreiches Angebot, das sowohl den Charme der Geschichte als auch den Anspruch moderner Architektur in sich vereint.

Kontroversen und kulturelle Verantwortung
Die Transformation von Prora stieß jedoch nicht nur auf begeisterte Zustimmung. Kritiker befürchten, dass durch den Umbau die düstere Vergangenheit des Bauwerks in den Hintergrund gerückt werden könnte. Ist es möglich, wirtschaftlichen Erfolg und Gedenken in Einklang zu bringen? Diese Frage beschäftigt nicht nur Historiker, sondern auch Politiker und Kulturschaffende.

Um der kritischen Öffentlichkeit entgegenzuwirken, wurde ein umfassendes Dokumentationszentrum eingerichtet, das über die Geschichte des Bauwerks aufklärt. Führungen und Ausstellungen sollen sicherstellen, dass die nationalsozialistischen Wurzeln Proras nicht vergessen werden. Dieser Spagat zwischen Wirtschaft und Erinnerungskultur ist ein zentrales Thema in der aktuellen Debatte um den Umgang mit historischen Bauwerken, die in einem ganz anderen Kontext entstanden sind als der heutige.

Ein Symbol des Wandels und der Auseinandersetzung
Heute präsentiert sich Prora als ein faszinierendes Beispiel für Wandel und Transformation. Aus einem Bauwerk, das einst als Symbol der Übermacht und Kontrolle diente, hat sich ein Ort entwickelt, der Lebensqualität, Luxus und Kultur miteinander verbindet. Der Kontrast zwischen der nüchternen Architektur des Nationalsozialismus und der modernen, stilvollen Nutzung macht Prora zu einem Ort, der auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt – und doch eine beeindruckende Erfolgsgeschichte der Umnutzung darstellt.

Die erfolgreiche Sanierung und der wirtschaftliche Aufschwung haben auch positive Effekte auf die gesamte Region Rügen. Der Tourismus boomt, lokale Geschäfte profitieren und der architektonische Denkmalschutz sorgt dafür, dass ein bedeutendes Stück deutscher Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Dennoch bleibt die Frage bestehen: Kann ein Ort, der mit solch einer belasteten Vergangenheit behaftet ist, jemals vollständig von seinen historischen Wurzeln losgelöst werden? Die Antwort darauf ist komplex und erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Eine doppelte Identität als Chance und Herausforderung
Prora steht exemplarisch für die Schwierigkeiten und Chancen, die sich ergeben, wenn man historische Bausubstanz in die moderne Zeit überführt. Es ist ein Ort, der gleichermaßen als Mahnmal und als Symbol für Erneuerung betrachtet werden kann. Die architektonische Umgestaltung und die daraus entstandene, luxuriöse Nutzung zeigen, dass es möglich ist, wirtschaftlichen Fortschritt und kulturelles Gedächtnis zu vereinen – wenn man bereit ist, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Die Geschichte von Prora lehrt uns, dass Architektur und Geschichte untrennbar miteinander verbunden sind. Sie fordert uns auf, den Blick nicht nur auf das Materielle zu richten, sondern auch auf die symbolische Bedeutung von Bauwerken, die einst als Werkzeuge politischer Ideologie dienten. Gleichzeitig bietet Prora einen Anreiz, innovative Wege zu finden, um historischen Denkmalschutz und moderne Entwicklung miteinander zu verknüpfen.

Obwohl der ehemalige NS-Ferienkomplex heute als Hotspot für exklusiven Tourismus und kulturelle Veranstaltungen gilt, bleibt die Erinnerung an seine düsteren Ursprünge allgegenwärtig. Die Diskussion um Prora ist daher nicht nur eine architektonische, sondern auch eine gesellschaftspolitische – sie erinnert uns daran, dass der Umgang mit der Vergangenheit eine kontinuierliche Aufgabe ist, die weit über den Erhalt von Beton und Stahl hinausgeht.

In diesem Spannungsfeld zwischen Erinnerung und Erneuerung zeigt Prora eindrucksvoll, wie sich ein Ort trotz seiner belasteten Geschichte in ein modernes Juwel verwandeln kann – und dabei immer wieder neu die Frage aufwirft: Wie können wir die Lehren der Vergangenheit nutzen, um eine bessere Zukunft zu gestalten?