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DDR-Bürgerrechtler – „Ich kann damit leben, was ich getan habe.“

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Die Bilder der friedlichen Revolution von 1989 sind Teil des kollektiven Gedächtnisses: Menschen auf der Mauer, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen. Doch was geschah mit den zentralen Akteuren dieses historischen Moments, den Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern? Ihre Wege nach der Wiedervereinigung waren komplexer, schmerzhafter und überraschender, als es die idealisierte Rückschau oft vermuten lässt.

Die überraschende Wahrheit. Viele wollten die DDR reformieren, nicht abschaffen. Dies offenbart ein grundlegendes, im Westen oft übersehenes Paradoxon der friedlichen Revolution: Viele ihrer Architekten wollten ihre Heimat retten, nicht sie auflösen. Für die Aktivisten der ersten Stunde war das primäre Ziel nicht die deutsche Einheit, sondern die Schaffung einer offeneren, besseren DDR. Sie wollten, wie Antje Hermenau es beschrieb, „das Beste von beiden“ Systemen nehmen und etwas Neues schaffen. Ihr Verfassungsentwurf vom Runden Tisch enthielt visionäre Ideen wie die Verankerung des Rechts auf Wohnen und des Rechts auf Arbeit.

Die brutale Realität dieser Niederlage offenbarte sich am Wahlabend des 18.März 1990: Die vereinigten Bürgerbewegungen, die die Revolution getragen hatten, erhielten gerade einmal 5 Prozent der Stimmen. „Das große Thema Demokratie wurde abgelöst von dem großen Thema deutsche Einheit“, was bei vielen das Gefühl hinterließ, um die Früchte ihrer Revolution betrogen worden zu sein.

Der Schriftsteller Volker Braun fasste dieses Gefühl des Verlusts im August 1990 in Worte: „Was ich niemals besaß, wird mir entrissen. Was ich nicht lebte, werde ich ewig missen. Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle.“ Diese Perspektive ist entscheidend, um die anschließende Enttäuschung zu verstehen.

Vom Burnout bis zum politischen Rückzug. Der schnelle Verlust dieser Gründungsideale im Sog der Wiedervereinigung führte nicht nur zu politischer Enttäuschung, sondern stürzte viele Aktivisten in eine Form von Sisyphusarbeit, die einen immensen persönlichen Tribut forderte. Das unermüdliche Engagement war nicht nur ein Kampf in politischen Gremien, sondern auch ein Ringen mit den Folgen eines kollabierenden Systems.

Die sogenannten „Umbruchjahre“ waren für viele in Wahrheit „Zusammenbrüche“, wie es Matthias Platzeck formulierte. Es war eine Zeit, in der Menschen ihren „eigenen Betrieb abzureißen“ hatten und zwei Millionen junge Leute den Osten verließen.

Dieser gesellschaftliche Druck hinterließ tiefe persönliche Spuren. Platzeck selbst erlitt einen Hörsturz und später einen Schlaganfall. Antje Hermenau litt unter Magengeschwüren und zermürbenden Machtkämpfen. Diese Geschichten korrigieren das idealisierte Bild des Aktivismus und zeigen die menschliche Dimension hinter den Kulissen. Als Matthias Platzeck nach seinem Schlaganfall im Krankenhaus lag, sagte seine Tochter einen Satz, der die Realität auf den Punkt brachte: „wenn du es jetzt nicht merkst dann weiß ich nicht wann du es merkst“.

Warum aus einstigen Verbündeten politische Gegner wurden. Die Opposition in der DDR war nie ein homogener Block, und nach 1990 traten diese Unterschiede umso deutlicher zutage. Während Katrin Göring-Eckardt eine beständige Karriere in der Bundespolitik machte, zog sich Antje Hermenau desillusioniert zurück und begründete ihren Abschied aus der Politik mit der scharfen Frage: „was soll ich denn als 50-jährige mein Leben meine kostbare Lebenszeit mit einem Kindergarten verplempern“.

Andere vollzogen eine radikale Neuorientierung. Vera Lengsfeld, einst bei den Grünen, verließ die Partei wegen des aus ihrer Sicht zu nachgiebigen Umgangs mit der PDS. Ihr Austritt war kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Exodus von sieben prominenten Bürgerrechtlern. Später trat sie wegen Angela Merkels Migrationspolitik aus der CDU aus und kritisiert heute den „politischen Mainstream“ in rechtskonservativen Medien.

War dieser Zerfall unausweichlich, ein bloßes Symptom der neu gewonnenen Pluralität, oder zeugt er von einem tieferen Scheitern, die vielfältigen oppositionellen Strömungen in einer gemeinsamen demokratischen Vision zu bündeln?

Diese ideologische Zersplitterung der einstigen Oppositionsbewegung erklärt auch die fundamental unterschiedlichen Diagnosen und Lösungsansätze für die gesellschaftlichen Krisen der Gegenwart. Angesichts der Polarisierung und des Erstarkens der AfD sehen einige den Kern ihrer Arbeit von 1989 erneut in Gefahr.

Frank Richter, der als Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung den Dialog mit PEGIDA-Anhängern suchte, was ihm den Vorwurf einbrachte, ein „Pegida-Versteher“ zu sein, kämpft heute als SPD-Politiker gegen die gesellschaftliche Spaltung.

Dabei entbehrt es nicht einer Ironie, dass die Sorgen vieler Ostdeutscher im Westen erst dann ernsthaft Gehör fanden, „als die AfD immer bessere Umfragewerte hatte“, wie Matthias Platzeck feststellt. Er analysiert, dass es versäumt wurde, den Ostdeutschen „Haltegriffe“ zu geben, das Gefühl, „ihr habt euer Leben auch nicht umsonst gelebt“. Die Dringlichkeit des neuen Kampfes bringt Frank Richter mit einem eindringlichen Appell auf den Punkt: Ich habe keine Angst vor der Überfremdung von außen ich habe Angst vor der Entmenschlichung von innen.

Sie waren nach 1989 vielfältiger, dornenreicher und von tieferen Brüchen gezeichnet, als das aktuelle Gedächtnis der Gesellschaft es wahrhaben will. Doch ihr zentrales Anliegen – das Ringen um eine offene, demokratische Gesellschaft – bleibt 35 Jahre nach dem Mauerfall von brennender Aktualität. Ihre Geschichte wirft eine Frage auf, die heute vielleicht wichtiger ist denn je.

Was bedeutet es, die Haltung der Bürgerrechtler weiterzutragen und sich, wie Matthias Platzeck es formuliert, abends sagen zu können: „Ich kann damit leben, was ich getan habe“?

Margot und Erich – Macht, Liebe, Kontrolle

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Als Margot Feist Ende 1949 den aus Moskau zurückkehrenden FDJ-Sekretär Erich Honecker traf, war sie 15 Jahre jünger, ehrgeizig, gewandt und voller Energie. Aus dieser Begegnung wurde rasch eine Verbindung, die weit über das Private hinausging – sie verband zwei Menschen, die Macht nicht nur wollten, sondern sie verstanden.

Zu diesem Zeitpunkt war Honecker noch mit der klugen, kämpferischen Edith Baumann verheiratet. Baumann erkannte früh die Gefahr, die von der charmanten jungen Funktionärin ausging, und wandte sich in einem letzten Versuch an Walter Ulbricht, Honeckers Mentor. Ihr Brief – ein kluger Schachzug, Margot Feist aus der FDJ-Arbeit entfernen zu lassen – wurde abgewiesen. Jahre später fand er sich in Mielkes berüchtigtem „Rotem Koffer“ wieder – ein Stück intimer Machtgeschichte.

Margot Feist hatte gewonnen. Bald hieß sie Margot Honecker – und wurde zur wohl einflussreichsten Frau der DDR. Seit 1963 Ministerin für Volksbildung, regierte sie den Schulalltag mit eiserner Hand. Doch ihr Einfluss reichte weiter: sie war Erich Honeckers engste Vertraute – und seine größte Herausforderung.

In der Wandlitzer Siedlung lebte sie abgeschirmt vom Alltag der DDR-Bevölkerung, in einer Welt, in der Südfrüchte selbstverständlich waren und Brötchen aus Wandlitz in den Urlaub geflogen wurden. Ihr Fahrer berichtete, sie habe nie eine Kaufhalle betreten. Wenn sie Schlangen vor Fleischereien sah, schimpfte sie nicht auf das System, sondern auf den Handel.

Doch hinter der Fassade des Politbüros war ihre Ehe längst brüchig. Der BND wusste 1981, was die Stasi längst registriert hatte: Margot führte ein Doppelleben. Mit Perücke und zivilem Wagen traf sie sich mit „Freunden“. Honecker wusste es, nahm es hin – vielleicht aus Gleichgültigkeit, vielleicht aus alter Liebe.

Die beiden schrieben sich Briefe, die wie kleine politische Duelle klangen: „Werter Staatsratsvorsitzender“, begann Margot, um dann trocken hinzuzufügen: „…wie ich Ihnen schon wiederholt mitgeteilt habe, aber Sie offensichtlich nicht begriffen haben.“ Es war eine Ehe zwischen zwei Staatswesen, nicht zwischen zwei Menschen.

Und doch: Als Erich Honecker 1989 stürzte und krank in Lobetal Zuflucht fand, war Margot an seiner Seite. In dieser Stunde der Ohnmacht fanden sie noch einmal zueinander. 1993 folgte sie ihm nach Chile, wo sie die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte – trotzig, unverändert überzeugt.

Vielleicht war das die letzte Konstante ihres Lebens: die Loyalität zum Mann, den sie einst verführte – und mit dem sie ein Land prägte.

Die schockierende Wahrheit hinter dem DDR-Giganten „Schwarze Pumpe“

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Der Name „Schwarze Pumpe“ ruft sofort Bilder von rauchenden Schloten und der schieren Wucht der DDR-Industrie hervor. Doch hinter dieser Kulisse verbirgt sich eine Geschichte von Weltklasse-Innovationen, geopferter Kultur und tragischen Paradoxien. Der einstige Stolz des Sozialismus wurde zum Sinnbild für die Ambivalenz von Fortschritt und Zerstörung – und für den Preis, den eine Region bis heute zahlt.

Wie ein „Fehler“ zur Milliardentechnologie wurde
Die Ingenieure von Schwarze Pumpe standen kurz vor dem Scheitern: Die Lausitzer Braunkohle eignete sich nicht für die geplante Gasveredelung. In nächtelangen Experimenten entwickelten junge Ingenieure eine revolutionäre Lösung – die Staubdruckvergasung. Sie machte das Werk zum Weltführer in der Kohlevergasung. Nach der Wende wurde das Patent – das sogenannte GSP-Verfahren – für eine D-Mark verkauft. Heute verdient Siemens Milliarden mit dieser Technologie, die unter dem Namen Siemens Fuel Technology weltweit exportiert wird.

Ein neues Leben für Tausende, ein Ende für eine Kultur
Die DDR versprach Wohlstand – mit Warmwasser, Kindereinrichtungen und höheren Löhnen. Doch der Preis war hoch: Dutzende Dörfer verschwanden im Tagebau, und mit ihnen die Heimat der sorbischen Minderheit. „Streicht mein Dörfchen von der Karte, nur aus meiner Seelen nicht“, schrieb ein Betroffener. Der sorbische Bevölkerungsanteil in der Lausitz sank von 90 % auf unter 1 %. Die Sprache verstummte – eine uralte Kultur wurde vom Fortschritt verschluckt.

Die unsichtbare Katastrophe im Schatten des Ruhms
Schwarze Pumpe war ein technisches Wunder – und zugleich eine ökologische Zeitbombe. Um den Staatsplan zu erfüllen, wurden nachts die Filteranlagen abgeschaltet. Jährlich gelangten über zwei Millionen Tonnen Staub in die Luft. Hoyerswerda wurde zur Stadt mit der höchsten Lungenkrebsrate der DDR. Jedes dritte Kind litt an Bronchitis. Die Wahrheit über krebserregende Stoffe blieb „Geheime Verschlusssache“ – selbst für die Menschen, die im Schatten des Werks lebten.

Wenn Ingenieure Kampfjets in Löschfahrzeuge verwandeln
Nach einer Explosion 1982 entwickelten die Techniker eine spektakuläre Lösung: Ein Löschfahrzeug mit einem Düsentriebwerk aus einer MiG.
Das umgebaute Triebwerk konnte 7.000 Liter Wasser pro Minute als feinen Nebel verteilen – genug, um Industriebrände zu ersticken.
Ein Zeugnis des DDR-Erfindergeists: Das Fahrzeug ist bis heute im Einsatz.

Warum der Gigant nach der Wende sterben musste
Schwarze Pumpe war kein Sanierungsfall, sondern einer der profitabelsten Betriebe der DDR – mit einem Jahresgewinn von einer Milliarde Mark. Doch genau das machte ihn gefährlich. Für westdeutsche Energiekonzerne war der Gigant ein Konkurrent, kein Partner. Die Folge: gezielte Abwicklung. Über 10.000 Menschen verloren ihre Arbeit, Hoyerswerda schrumpfte von 75.000 auf unter 40.000 Einwohner. Ein Werk, das den Sozialismus symbolisierte, fiel der Marktlogik zum Opfer.

Ein Paradies aus Asche
Die Geschichte von Schwarze Pumpe ist ein Gleichnis: über Mut, Zerstörung und den unbändigen Glauben an Fortschritt. Heute wächst auf dem einstigen Industriegebiet eine neue Welt. Die Lausitz wird zur größten künstlichen Seenlandschaft Mitteleuropas. Über 450 Tierarten kehren zurück – Kraniche, Uferschwalben, Wiedehopfe. Die Natur heilt, aber der Mensch erinnert sich: an die Flamme, die brannte – und an die, die verbrannte.

Planwirtschaft am Limit – Warum die DDR an ihrem eigenen Pragmatismus scheiterte

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Es gibt Bilder, die unauslöschlich mit der DDR verbunden sind: graue Trabis, leere Regale, Warteschlangen vor der Kaufhalle. Doch hinter diesen vertrauten Klischees lag ein Wirtschaftssystem, das weit komplexer – und widersprüchlicher – war, als es seine Planer je zugeben wollten.

Die DDR war eine Planwirtschaft, die sich selbst ständig austricksen musste, um zu überleben. Auf dem Papier herrschte Ordnung, in der Praxis regierte der Mangel. Und so entstand – meist unbeabsichtigt – eine Kultur der Improvisation.

Private Handwerker, offiziell „Klassenfeinde“, wurden ab Mitte der 1970er Jahre wieder geduldet, weil die Kombinate den Alltag nicht mehr bewältigten. Der Staat brauchte plötzlich jene, die er einst enteignet hatte – ein stilles Eingeständnis des Scheiterns. In den Werkhallen blühte der Tauschhandel: „Drei Kolben gegen zehn Auspuffe“ – Alltag in einem Land, das vorgab, den Materialfluss zentral zu steuern.

Gleichzeitig hielt man an einer absurden Preispolitik fest. Brot kostete zehn Pfennig, Mieten blieben ewig gleich – dafür wurde alles andere unbezahlbar. Fernseher, Möbel, ja selbst Butter wurden zu Luxusgütern. Der Versuch, soziale Gleichheit zu schaffen, endete in einer grotesken Verzerrung der Wirklichkeit.

Und dann war da noch die D-Mark – der verbotene Glanz der Freiheit. In Intershops und über Genex-Geschenke entstand eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die nichts mit der offiziellen Ideologie gemein hatte. Der Sozialismus lebte – paradoxerweise – von der Währung, die er verachtete.

Am Ende blieb ein System, das nur deshalb so lange funktionierte, weil seine Bürger kreativer waren als seine Pläne. Vielleicht ist das die eigentliche Lehre dieser Zeit: Der Mensch kann improvisieren – aber keine Ökonomie auf Dauer gegen die Wirklichkeit planen.

Verrechnet oder verraten – Dänemark und die DDR-Flüchtlinge von 1988

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Am 9. September 1988 suchten 18 DDR-Bürger – Männer, Frauen und Kinder aus Ilmenau – Schutz in der dänischen Botschaft in Ost-Berlin. Sie wollten auf diplomatischem Weg ihre Ausreise erzwingen. Doch was als Flucht in die Freiheit begann, endete als beispielloser diplomatischer Skandal.

Die Dänen, damals Symbol westlicher Menschenrechtspolitik, verweigerten Hilfe. Stattdessen wurden die Flüchtlinge in einem Vorraum eingesperrt, bekamen weder Essen noch Trinken – und mussten erleben, wie die Botschaftsleitung in der Nacht DDR-Volkspolizei und Stasi in ihre eigenen Räume ließ. Die Schutzsuchenden wurden verhaftet, die Kinder in Heime gebracht. Ein Vorgang, der selbst erfahrene Diplomaten entsetzte. „Nach politisch-moralischen Maßstäben absolut unakzeptabel“, urteilte Hans-Otto Breutigam, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin.

Die Begründung: Botschaften seien kein exterritoriales Gebiet – juristisch korrekt, moralisch fatal. Denn die Unverletzlichkeit diplomatischer Räume war ein stilles Versprechen, Schutz zu gewähren, wenn Diktaturen ihre Grenzen verschlossen hielten. Dänemark brach dieses Versprechen. Erst als westdeutsche Medien berichteten, wuchs in Kopenhagen die Empörung. Frauen und Kinder wurden freigelassen, die Männer erst Wochen später.

Später kamen Hinweise ans Licht, dass der damalige dänische Ministerpräsident Poul Schlüter die Räumung selbst angeordnet haben könnte. Er bestritt das bis zu seinem Tod 2021. Eine endgültige Aufklärung fehlt bis heute.

Für die Betroffenen blieb die Erfahrung traumatisch. „Wir dachten, wir wären in Sicherheit“, erinnert sich Arco Randy Hoffmann, einer der Flüchtlinge. „Aber die, die uns helfen sollten, gaben uns preis.“

Die Episode zeigt, wie dünn das Eis der Menschlichkeit werden kann, wenn Staatsräson über Moral siegt. Drei Jahrzehnte später wirkt der Fall wie ein Menetekel – und stellt die unbequeme Frage, wie sicher Schutz heute wirklich ist.

Europas größte Kinderwagenfabrik stand in der DDR

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Wenn man an die DDR-Industrie denkt, tauchen meist die gleichen Bilder auf: knatternde Trabanten, graue Plattenbauten und überforderte Kombinate. Doch jenseits dieser Klischees existierten Betriebe, die beeindruckende Leistungen vollbrachten – wirtschaftlich, technisch und organisatorisch. Einer von ihnen war der VEB ZEKIWA in Zeitz, der größte Kinderwagenhersteller Europas.

Ein Industriegigant im Schatten des Trabant

Mitten im Süden des damaligen Bezirks Halle entstand in den 1950er-Jahren ein Werk, das zu einem Symbol der sozialistischen Konsumgüterproduktion werden sollte. ZEKIWA – das stand für „Zeitzer Kinderwagen“ – produzierte Kinderwagen im industriellen Maßstab. Ende der 1970er-Jahre verließen alle acht Sekunden ein fertiges Exemplar die Werkshallen. Für das Jahr 1978 plante das Kombinat 373.000 Stück, 20.000 mehr als im Vorjahr. Rund 40 Prozent blieben im Land, der Rest ging in den Export – bis nach Skandinavien, in die Sowjetunion und nach Westeuropa.

Erfindergeist aus Mangel

Die wirtschaftliche Realität der DDR zwang die Betriebe zu ungewöhnlichen Lösungen. Da Maschinen aus dem Westen kaum erhältlich waren und Devisen knapp blieben, entwickelten die Zeitzer ihre eigenen Fertigungsanlagen. Ingenieure konstruierten automatische Fließreihen für Räder und spezielle „Doppelni-Maschinen“ zur Stoffverarbeitung. Diese Eigenentwicklungen machten ZEKIWA zu einem Vorreiter in der sogenannten „sozialistischen Rationalisierung“ – dem Versuch, Produktivität trotz Mangelwirtschaft zu steigern.

Ein ehemaliger Techniker erinnert sich: „Wir haben jede Schraube zweimal gedreht – aus Not, aber auch aus Stolz. Wenn wir etwas brauchten, das es nicht gab, haben wir es gebaut.“

Im Takt des Baby-Booms

Die Produktion folgte dem Rhythmus der Geburtenstatistik. Ende der 1970er-Jahre galt 1978 als das „geburtenstärkste Jahr seit einem Jahrzehnt“. ZEKIWA reagierte darauf mit Sonderschichten und einer neuen Fließstrecke. Statistisch gesehen fuhr damals jedes zweite DDR-Baby in einem Kinderwagen aus Zeitz. Der Zusammenhang zwischen Familienpolitik und Industrieproduktion wurde nirgendwo so sichtbar wie hier: Kinderwagen waren Staatsauftrag – Ausdruck einer Politik, die junge Familien fördern wollte.

Stolz und Planerfüllung

Trotz Materialknappheit herrschte unter den Beschäftigten ein bemerkenswerter Optimismus. „Wir Zeitzer Kinderwagenbauer waren stets Optimisten, aber auch Realisten“, hieß es in einem internen Bericht. Die Belegschaft verstand sich als Teil eines gemeinsamen Ziels – Planerfüllung war nicht nur Pflicht, sondern auch Ehre. Das Werk galt als Vorzeigebetrieb, der regelmäßig Delegationen aus anderen sozialistischen Ländern empfing.

Vielfalt statt Einheitsgrau

Entgegen dem gängigen Bild von der eintönigen DDR-Produktpalette bot ZEKIWA eine erstaunliche Vielfalt. 47 Modelle liefen 1978 über die Bänder – vom sportlichen Kinderwagen für junge Eltern bis zum Zwillingsmodell. Farben, Formen und Details wurden an Kundenwünsche angepasst. Auch das Design spielte eine wachsende Rolle: klappbare Gestelle, neue Materialien, frische Farben. Kinderwagen „Made in Zeitz“ galten als robust, praktisch – und überraschend modern.

Ein Blick auf die andere Seite der Planwirtschaft

Die Geschichte von ZEKIWA ist mehr als ein nostalgischer Rückblick. Sie zeigt, dass die DDR-Wirtschaft komplexer war, als das Bild vom grauen Mangelstaat vermuten lässt. Hier arbeiteten Menschen mit Ideen, Stolz und technischer Kompetenz – oft unter schwierigen Bedingungen, aber mit beachtlichen Ergebnissen.

Alle acht Sekunden ein Kinderwagen – diese Zahl steht für die Leistungsfähigkeit eines Systems, das im Kleinen oft mehr schaffte, als ihm die Geschichte im Rückblick zutraut.

ZEKIWA Zeitz – Zahlen und Fakten
Gründung: 1946 (aus den früheren Hermann-Schmidt-Werken)
Name: Zeitzer Kinderwagen – abgekürzt ZEKIWA
Beschäftigte: bis zu 4.000
Produktion 1978: 373.000 Kinderwagen
Exportanteil: rund 60 %
Modelle: 47 verschiedene Varianten
Nach 1990: Privatisierung, Teilstilllegung, später neue Produktion im kleineren Maßstab

Der Kuss, der Geschichte schrieb – Vom Ritual der Macht zum Pop-Symbol der Freiheit

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Es war kein Kuss aus Liebe. Als sich Leonid Breschnew und Erich Honecker am 5. Oktober 1979 auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld auf den Mund küssten, war das weniger Zuneigung als politisches Ritual. Es war der symbolische Höhepunkt eines Staatsbesuchs – ein Moment, in dem Macht, Abhängigkeit und Loyalität sich in einer einzigen, körpernahen Geste verdichteten. Der sogenannte „sozialistische Bruderkuss“ war längst zu einer Chiffre geworden: Er sollte den Zusammenhalt der sozialistischen Welt verkörpern, die angebliche Brüderlichkeit zwischen den Völkern und ihren Führern. Doch wer genauer hinsah, erkannte darin die Inszenierung eines Systems, das Nähe predigte und Distanz praktizierte.

Der Ursprung dieses Rituals lag weit zurück – in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts und in der orthodoxen Tradition des Osterkusses, einem Zeichen der Vergebung und Gleichheit. In der kommunistischen Symbolik wurde daraus eine weltliche Geste des „revolutionären Grußes“. Nach dem Tod Stalins erlebte der Kuss eine politische Wiedergeburt: Er wurde zum festen Bestandteil diplomatischer Treffen, ein Ritual, das die Machtverhältnisse im sozialistischen Block sichtbar machte. Wer wen küsste, wie fest, wie lange – all das war Teil der politischen Semiotik jener Ära.

Als sich Honecker und Breschnew 1979 küssten, war das mehr als Folklore. Es war eine Inszenierung der gegenseitigen Verpflichtung. Die DDR erhielt sowjetisches Öl und Uran, die Sowjetunion Maschinen und Schiffe – und beide bekamen das, was in einer zunehmend kriselnden Zeit am dringendsten gebraucht wurde: das Bild von Einigkeit. Der Pressefotograf Régis Bossu hielt den Moment fest. Sein Foto, veröffentlicht unter dem Titel Le Baiser („Der Kuss“), ging um die Welt. Es zeigte zwei alternde Männer, Lippen aufeinandergepresst, die Augen geschlossen – ein Akt von solcher Nähe, dass er zugleich Zärtlichkeit und Zwang ausstrahlte.

Elf Jahre später, im Frühjahr 1990, malte der russische Künstler Dmitri Wrubel das Motiv auf die Berliner Mauer. „Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben“, schrieb er darunter. Der Satz, ursprünglich eine persönliche Anspielung auf ein eigenes Beziehungsdrama, bekam plötzlich eine politische Tiefe. Der Kuss, der einst Bündnistreue besiegelte, war nun ein Sinnbild des Überdrusses, der Erstickung im Umarmungsgriff der Geschichte. Das Werk wurde zum bekanntesten Graffiti der East Side Gallery, zu einem Bild, das ironisch und ikonisch zugleich war. Wrubel kolorierte die Szene grell: Breschnews Haut in zartem Rosa, Honeckers Gesicht grünlich – eine groteske Wiederauferstehung der alten Männer, deren Liebe das Leben gekostet hatte, das sie bewahren wollten.

Heute ist der Bruderkuss längst entpolitisiert, aber nicht vergessen. Touristen posieren lachend davor, Nachahmungen fluten soziale Netzwerke. Der Kuss, der einst Zwangsritual war, wurde zum Selfie-Motiv einer freien Stadt. Wo früher Staatsmänner ihre Loyalität demonstrierten, küssen sich heute Fremde für Likes und Erinnerungen. Berlin hat die Geste verwandelt – von der Inszenierung der Macht zur ironischen Feier der Offenheit.

Und doch bleibt etwas Ambivalentes in diesem Bild. Es erinnert an eine Zeit, in der Rituale die Wirklichkeit überdecken sollten, in der Nähe zur Pflicht und Gehorsam zur Tugend erklärt wurden. Der Bruderkuss war ein Ritual der Kontrolle – eine politische Umarmung, die keine Distanz zuließ. Seine moderne Rezeption zeigt, dass Bilder ihre Bedeutung nicht verlieren, sondern wandern. Sie erzählen weiter, manchmal gegen ihren ursprünglichen Sinn.

Vielleicht ist das die eigentliche Ironie der Geschichte: dass eine Geste, die einst als Zeichen des Zusammenhalts gedacht war, heute als Symbol der Befreiung gilt. Der Bruderkuss lebt fort – als Popikone, als Mahnung, als Spiegel der Macht. Und er zeigt, dass selbst in der erstarrten Rhetorik der Politik ein Funke Menschlichkeit liegen kann – wenn auch einer, den die Geschichte erst freilegen musste.

„Stolz aus Stahl und Glas“ – Der Berliner Fernsehturm als Versprechen

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Als der Berliner Fernsehturm 1969 eröffnet wurde, war er weit mehr als ein Bauwerk. Er war Manifest, Symbol und Versprechen zugleich – gegossen in Stahl, Glas und Beton. Von Beginn an wurde er zum sichtbaren Zeichen jener Kraft, die der sozialistische Staat für sich reklamierte: technische Meisterschaft, kollektive Leistung, gesellschaftlicher Fortschritt und ein neuer, selbstbewusster Blick in die Zukunft.

Die offizielle Sprache sprach von einem „Wahrzeichen des demokratischen Berlin“. Walter Ulbricht, der damals höchste Repräsentant der DDR, sprach vom Stolz der Bauarbeiter, der Architekten, der Ingenieure – und von der Schönheit eines neuen Stadtzentrums, das mit dem Turm seinen Mittelpunkt fand. Es war eine Zeit, in der Zukunft sichtbar gemacht werden sollte: durch Höhe, Licht und Drehung.

Von der Plattform in über 200 Metern Höhe aus sollte man nicht nur Berlin sehen, sondern – so die Botschaft – auch die Zukunft. Die Kamera schwenkte über eine Stadt im Aufbruch, die sich mit jeder Etage des Turms selbst zu übertreffen schien. Fachleute aus dem Ausland lobten die Bautätigkeit, das neue Zentrum, den Glanz der Kugel im Sonnenlicht. Der Turm stand da wie ein Versprechen, dass der Sozialismus mehr sein könnte als Planerfüllung: ein ästhetisches, modernes Projekt mit weltweitem Anspruch.

Doch in der Rückschau zeigt sich: Der Stolz, der sich in den Reden von 1969 bündelte, war auch ein Versuch, Selbstbewusstsein zu zementieren – buchstäblich. Der Fernsehturm wurde zum Spiegel eines Staates, der Stärke zeigen wollte, während seine Risse schon im Fundament begannen. Und doch bleibt das Bauwerk: als eines der schönsten und zugleich widersprüchlichsten Zeugnisse jener Epoche. Ein Symbol, das noch heute in den Himmel weist – zwischen Machtanspruch, Hoffnung und Menschheitsidee.

Drei unbequeme Wahrheiten über die Wende in der DDR

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Die Bilder des Herbstes ’89 prägen unser Gedächtnis: „Wir sind das Volk“ in Leipzig, Tränen der Freude, der Fall der Mauer. Doch was wirklich geschah, war komplizierter. Der evangelische Pfarrer Lothar König war mittendrin – und erzählt eine Geschichte, die kaum jemand hören will.

Lothar König (11. März 1954 in Leimbach, Kreis Nordhausen; †21. Oktober 2024 in Jena) war ein deutscher evangelischer Pfarrer, Mitglied des Neuen Forums und eine prägende Figur der DDR-Opposition. 1989/90 organisierte er in Merseburg die Montagsdemonstrationen und leitete von 1990 bis 2019 die Junge Gemeinde Jena, die zu einem wichtigen Treffpunkt für Jugendliche und politische Diskussionen in Ostdeutschland wurde.

1. Die wahren Pioniere hatten nichts mehr zu verlieren
Nicht die bekannten Oppositionellen brachten die Revolution in Gang, sagt König, sondern die Ausreiseantragsteller. Menschen, die innerlich mit der DDR abgeschlossen hatten. „Die sind zuerst auf die Straße gegangen, bevor wir überhaupt raus sind“, erinnert er sich. Jahrelang kamen sie zu den Montagsgebeten in der Leipziger Nikolaikirche, geschützt von Pfarrer Christian Führer. Ihre Verzweiflung machte sie mutig – und sie wurden zur treibenden Kraft der Bewegung.

2. Verrat und Abschiebung befeuerten den Widerstand
Ein Schlüsselmoment war die Rosa-Luxemburg-Demonstration 1988. Oppositionelle wie Bärbel Bohley wurden verhaftet und in den Westen abgeschoben – unter Mitwirkung des Anwalts Wolfgang Schnur und „mancher Kirchenleute“, wie König bitter feststellt. „Mensch, könnt er nicht mal ein halbes Jahr Knast her, andere sitzen zwanzig Jahre!“ Seine Enttäuschung sitzt tief. Doch statt die Bewegung zu bremsen, entfachte dieser Verrat neue Wut. Trotz Repression und Abschiebung waren die Montagsdemos nicht mehr zu stoppen.

3. Am Ende siegte nicht der Mut, sondern die Ohnmacht der Macht
Am 9. Oktober 1989 stand alles auf der Kippe. „Schießen sie oder schießen sie nicht?“ – diese Frage lag über Leipzig. Der Befehl kam nicht, nicht aus Menschlichkeit, sondern, wie König sagt, aus Ratlosigkeit. „Wenn Egon Krenz irgendeine Idee gehabt hätte, hätte er schießen lassen.“ Das System war am Ende, die Führung handlungsunfähig. Danach wollte niemand verantwortlich gewesen sein.

Lothar König zeigt eine andere Wende: getragen von Verzweifelten, verraten von Mitstreitern, entschieden durch die Schwäche der Mächtigen. Seine Erinnerungen kratzen am Heldenmythos – und erinnern daran, dass Geschichte selten aus Stärke, sondern oft aus Erschöpfung entsteht.

Zwischen Jubel und Ernüchterung: Die unvollendete Einheit der Deutschen

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Der Blick hinter die Kulissen der Einheit
Die Bilder vom 9. November 1989 sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert: jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer, Tränen der Freude, eine Welle der Euphorie, die in eine schnelle deutsche Wiedervereinigung mündete. Diese Erzählung vom Triumph der Freiheit ist kraftvoll – aber sie ist nur ein Teil der Wahrheit.

Für viele Akteure der damaligen Bürgerbewegung, wie die Künstlerin Bärbel Bohley und den Theologen Friedrich Schorlemmer, war die Realität komplexer, widersprüchlicher – und oft schmerzhaft. Ihre späteren Reflexionen zeigen: Die Einheit war nicht nur Sieg, sondern auch Verlust. Von der Selbstkritik der Bürgerrechtler bis zur Warnung vor einer „Krise der Zivilisation“ – ihre Stimmen erzählen eine Geschichte, die weit über das Jubelbild hinausweist.

Der verlorene Kampf der Bürgerbewegung
„Wir haben zu wenig Widerstand geleistet“ – so brachte Bärbel Bohley ihr Bedauern auf den Punkt.
Sie meinte damit nicht die Einheit selbst, sondern den Mangel an Gestaltungskraft, an eigenem Selbstbewusstsein in diesem historischen Moment. Die Entscheidung bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 fiel ihrer Ansicht nach „zu schnell und ohne zu reflektieren“.

Die Bürgerbewegung, einst Motor der Veränderung, verlor in der Euphorie ihre Stimme. Bohley sah darin den größten Fehler: „Wir haben keinen Widerstand geleistet – nicht gegen die Einheit, aber gegen die Art, wie sie gelaufen ist.“

Die DDR wurde „kaputt gewählt“
Der Theologe Friedrich Schorlemmer prägte die bittere Formel: „Die DDR wurde kaputt gewählt.“
Nach vier Jahrzehnten ohne echte Wahlen habe das Land sich in nur einem Jahr „durch vier Wahlen selbst aufgelöst“.

Was wie ein demokratischer Triumph wirkte, war in Wahrheit ein Prozess ohne innezuhalten. Es blieb keine Zeit für Diskussion, für Selbstverständigung, für das Aushandeln eines dritten Weges. Die Demokratie kam im Zeitraffer – und das Ergebnis war weniger Gestaltung als Selbstauflösung.

Die Gefahr der zwei deutschen Sturköpfe
Der Publizist Thomas Langkau warnte schon früh vor dem Aufeinandertreffen „zweier deutscher Verbissenheiten“.
Er meinte die unvereinbaren Selbstbilder beider Seiten: hier der stolze Aufbauwille des Ostens, dort das selbstgewisse Überlegenheitsgefühl des Westens.

Was hätte ein gemeinsamer Lernprozess sein können, wurde zur Einbahnstraße der Übernahme. „Unser Problem ist euer Problem“, formulierte Langkau treffend – ein Satz, der bis heute nachhallt. Die fehlende Zeit, die fehlende Geduld für den Dialog, wurde zur Hypothek der Einheit.

Kein Happy End: Die neue Phase der Krise
Schorlemmer sah in der Wiedervereinigung keinen Endpunkt, sondern den Beginn einer neuen Epoche.
Der Untergang des Staatssozialismus war für ihn nicht das Ende der Geschichte, sondern die Fortsetzung der „Krise unserer Zivilisation“ mit anderen Mitteln.

Er warnte, dass der Kapitalismus die ungelösten Fragen der Menschheit – soziale Gerechtigkeit, ökologische Grenzen, Sinnsuche – nicht beantworten könne. Die Wiedervereinigung wurde so zum Symbol für eine größere Aufgabe: die Suche nach einem menschlicheren, gerechteren Gesellschaftsmodell jenseits der Systeme.

Schluss: Die Lehre aus der verlorenen Zeit
Die Geschichte der Wiedervereinigung ist widersprüchlich, schmerzhaft – und lehrreich.
Die Stimmen von Bohley, Schorlemmer und Langkau sind kein nostalgischer Rückblick, sondern ein Appell: Demokratie braucht Zeit, Nachdenklichkeit – und den Mut zum Widerspruch gegen allzu einfache Lösungen.

Der Publizist Peter Bender brachte es auf den Punkt:

„Dem Staat [der DDR] ist keine Träne nachzuweinen, aber was dieser Staat wider Willen schuf, daraus kann Deutschland viel gewinnen.“

Vielleicht liegt genau darin die Zukunft: im Bewahren des Langsameren, des Ernsthafteren, des Nachdenklicheren – als Gegengewicht zu einer Welt, die auch 35 Jahre nach der Einheit wieder droht, sich selbst zu überholen.