Erfurt. Am 01. September 2024 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Rund fünf Monate vor der Wahl markiert der bevorstehende Tag der Arbeit den gewerkschaftlichen Auftakt, um die wichtigsten Ziele für die Arbeitnehmer*innen in Thüringen zu adressieren. Aus diesem Anlass wurden bei der heutigen Pressekonferenz die Anforderungen der Gewerkschaften an eine zukünftige Landesregierung vorgestellt.
Der DGB fordert, die Zukunft der Arbeit in der kommenden Wahlperiode in den Fokus der Politik zu stellen. Wirtschaft und Arbeit stehen mitten in einem herausfordernden Wandel, der von der Abkehr fossiler Energieträger wie Kohle, Gas und Öl und der zunehmenden Digitalisierung der Arbeit geprägt ist.
Dazu erklärt Michael Rudolph, Bezirksvorsitzender des DGB Hessen-Thüringen:
„Die Menschen brauchen Sicherheit im Wandel. Es muss jetzt darum gehen Arbeit und Einkommen für die Zukunft zu sichern und Perspektiven zu schaffen. Die kommende Landtagswahl bietet die Gelegenheit, Weichen zu stellen und eine positive Veränderung für die Arbeitnehmer*innen und für die ganze Gesellschaft zu bewirken. Gemeinsam müssen wir den Weg für die Zukunft ebnen und Thüringen zu einem Vorreiter für „Gute Arbeit“, gute Bildung und gute Gesundheitsversorgung machen.“
Weil gute Arbeit mehr Wert ist!
Der DGB fordert, dass die Thüringer Landesregierung den seit 2014 eingeschlagenen Weg fortsetzt und verstärkt. Der ökologische Wandel muss konsequent mit dem Prinzip „Gute Arbeit“ verknüpft werden. Unter guter Arbeit verstehen die Gewerkschaften Arbeitsplätzen, für die ein Tarifvertrag gilt, und wo es einen Betriebs- oder Personalrat gibt.
Der DGB hat eine bundesweite Kampagne mit dem Titel „Tarifwende“ aufgelegt. „Wir wollen diese Tarifwende für Thüringen. Ein Tarifvertrag macht einen deutlichen Unterschied aus: Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben verdienen durchschnittlich 23 Prozent mehr. Zudem ist die Ost-West-Angleichung bei der tariflichen Bezahlung fast abgeschlossen“, betont Rudolph. Tarifbindung ist die entscheidende Stellschraube für bessere Einkommens- und Arbeitsbedingungen sowie gleichwertige Lebensverhältnisse.
Hier ist die Politik gefragt. „Das Land muss seine Möglichkeiten zur Stärkung der Tarifbindung nutzen. Dafür muss es die Vergabe öffentlicher Aufträge konsequent an Tariftreue binden. Eine gute Basis hierfür ist das bestehende Vergabegesetz. Es muss jedoch konsequenter angewendet werden, indem für alle vergaberelevanten Branchen repräsentative Tarifverträge ausgewiesen werden. Außerdem muss das Prinzip der Tariftreue verpflichtend auf die Kommunen ausgeweitet werden. Wo das noch nicht der Fall ist, muss der vergabespezifische Mindestlohn deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Aktuell sind mindestens 14,36 Euro pro Stunde geboten. Die Einhaltung der Vergabebedingungen muss kontrolliert, bei Verstößen wirksam sanktioniert und Betrüger von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.“
Der Wandel der Wirtschaft muss gestaltet werden, um Arbeit und Einkommen zu sichern. In den vergangenen Jahren sei es gelungen in Krisenzeiten einen Hilfsfonds zu organisieren, um Arbeit zu sichern, soziale Folgen abzumildern und Strategien für energieintensive Bereiche wie die Glasindustrie zu entwickeln. An diesen positiven Ansatz muss angeknüpft werden. Politische Kompromisse darf es nicht nur in der Krise geben. „Um die Herausforderungen der Arbeit der Zukunft zu meistern, sollte das Land einen Fonds auflegen, aus dem die Unternehmen und ihre Belegschaften unterstützt werden.“ Dazu fordert der DGB weiter massive Investitionen in den Ausbau erneuerbare Energien, die Mobilitätswende und Verkehrsinfrastruktur sowie die energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden. Aber die Mittel aus diesem Fonds darf es nicht ohne Bedingungen geben. „Wer die Unterstützung will, muss eine Standort- und Beschäftigungsgarantie abgeben und die Beschäftigten künftig die tariflich vereinbarten Löhne zahlen. So wird sichergestellt, dass jeder Euro in den ökologischen Wandel auch ein Euro in die soziale Nachhaltigkeit ist“, betont Michael Rudolph.
Weil gute Gesundheitsversorgung für Alle wichtig ist!
Der Rettungsschirm für Krankenhäuser kann jetzt genutzt werden, die Häuser im Übergangsprozess der bundesweiten Krankenhausreform zu unterstützen. Zukünftig muss das Land mehr Investitionsmittel für die Krankenhäuser zur Verfügung stellen. Die Thüringer Krankenhäuser haben einen Investitionsbedarf von jährlich rund 200 Millionen Euro.
Um die Qualität der dezentralen Versorgung zu verbessern, kann die Bildung von Klinikverbünden und deren Verknüpfung mit weiteren Angeboten der Gesundheitsversorgung hilfreich sein. Allerdings, so Sternatz, dürfe dies nicht dazu führen, dass sich die Träger aus der Tarifbindung verabschieden, die betriebliche Mitbestimmung aushöhlen und durch Lohndumping auf dem Rücken der Beschäftigten versuchen, ihre Kosten zu senken. „Eine gute medizinische Versorgung gelingt nur wenn die Fachkräfte aller medizinischen Berufe gute Arbeitsbedingungen haben und tariflich bezahlt werden“, mahnt Sternatz.
Der DGB fordert mehr Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in öffentlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft zu führen, um nicht länger Profite mitzufinanzieren und die Gemeinwohlorientierung zu stärken. Grundsätzlich braucht es neue Konzepte der regionalen Gesundheitsversorgung. Hier soll das Land bei den kommunalen Entwicklungsprozessen unterstützen. „Das Land hat den Sicherstellungsauftrag für eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung, dieser Auftrag muss in ganz Thüringen erfüllt werden“, betont Renate Sternatz, stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen.
Weil Thüringen kluge Köpfe braucht!
Internationalen Studien zu Folge ist der Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft in Deutschland besonders hoch. Der aktuelle Lehrkräftemangel schließt bereits jetzt eine ausreichende individuelle Förderung aus und ist auf die vorausgesagten steigenden Zahlen an Schülerinnen und Schüler nicht vorbereitet.
Der DGB fordert, die strukturelle Unterfinanzierung und den Personalmangel im Bildungsbereich zu beseitigen. Dazu führte Renate Sternatz aus: „Geld in die Bildung ist gut investiert, wenn damit ein besserer Personalschlüssel und eine zeitgemäße Infrastruktur finanziert wird, dann ist es möglich, den Bildungsauftrag in Kitas, Schulen und Hochschulen zu erfüllen und soziale Unterschiede abzubauen“
Sternatz: „Es braucht eine Qualifizierungsinitiative des Landes, um den prognostizierten zunehmenden Bedarf an Personal in Kitas, Schulen, Berufsschulen und Hochschulen zu decken. Das duale Lehramtsstudium sowie die praxisintegrierte Ausbildung für Erzieher*innen sind wichtige Schritte in die richtige Richtung.
In den Kitas muss der Personalschlüssel weiter verbessert werden. An den Hochschulen müssen die Beschäftigten für Daueraufgaben in Technik, in der Verwaltung und im wissenschaftlichen Bereich unbefristet eingestellt werden.“
Demokratie und Solidarität stärken!
Das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit muss fortgeführt, weiterentwickelt und ausgebaut werden.
Das Landesprogramm sollte mittels eines Demokratiefördergesetztes verstetigt werden.
Seit Beginn dieses Jahres haben sich in Thüringer tausende Menschen gegen Deportationspläne, Angriffe auf Erinnerungsorte, Journalisten und politische Mandatsträger die Politik demonstriert. Zahlreiche Einzelpersonen, Vereine, Gewerkschaften, Unternehmen, Sozialverbände, kirchliche Institutionen, Wissenschafts- und Kulturinstitutionen haben sich im Bündnis Weltoffenes Thüringen zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für ein demokratisches und weltoffenes Thüringen einzusetzen.
Die aktuellen Befunde des Thüringer Monitors zum Vertrauensverlust in die Demokratie und ihre Institutionen zeigen den Handlungsbedarf für die politische Kultur in Thüringen deutlich. Der DGB appelliert an alle Kandidat*innen und Parteien einen fairen und sachbezogenen Wahlkampf zu führen.