In einem Berliner Atelier roch es nach Ölfarbe und kaltem Zigarettenrauch, während sich zwischen Leinwänden und Farbtöpfen der politische Widerstand formierte. Es war ein Ort der Zusammenkunft in einer Zeit der staatlichen Stagnation, ein privater Raum, der sich langsam in eine politische Zentrale verwandelte.
Bärbel Bohley, geboren im Jahr 1945 inmitten der Trümmer des Krieges, wuchs in einer Zeit auf, die von Wiederaufbau und ideologischer Härte geprägt war. Bevor sie sich der Kunst zuwandte, absolvierte sie eine Lehre als Industriekauffrau, eine Berufsbezeichnung, die es damals so noch kaum gab. Doch erst das Studium der Malerei öffnete ihr jene Räume, in denen später politisches Denken und künstlerische Freiheit untrennbar miteinander verschmolzen.
Der entscheidende Wendepunkt in ihrer Biografie war weniger eine abstrakte politische Theorie als vielmehr ein konkreter Eingriff des Staates in das Leben der Frauen. Als ein neues Wehrdienstgesetz verabschiedet wurde, das die Einbeziehung von Frauen in die militärische Landesverteidigung vorsah, formierte sich Widerstand. Aus diesem Protest heraus gründete Bohley gemeinsam mit anderen die Gruppe „Frauen für den Frieden“, einen Vorläufer der organisierten Opposition.
Mitte der 1980er Jahre radikalisierte sich der Anspruch der Bürgerrechtler. Aus den Frauenkreisen heraus entstand die „Initiative Frieden und Menschenrechte“. Diese Gruppierung begnügte sich nicht mehr mit Nischenprotest, sondern forderte offen bürgerliche Freiheiten ein. Bohley avancierte in dieser Phase zu einer Schlüsselfigur, deren Wohnung und Atelier zum Dreh- und Angelpunkt für Strategiediskussionen und Vernetzung wurden.
Die staatliche Repression ließ nicht lange auf sich warten. Im Zusammenhang mit der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 wurde Bohley inhaftiert. Der Staat übte massiven Druck aus und drängte sie zur Ausreise in den Westen. Doch anders als viele, die die DDR endgültig verließen, bestand sie auf einer Rückkehr. Im August 1988 kam sie zurück, überzeugt davon, dass Veränderungen nur von innen heraus möglich seien.
Diese Rückkehr markierte den Beginn einer neuen Phase, die direkt in den Herbst 1989 führte. Bohley nutzte ihre Netzwerke, um die Gründung des „Neuen Forums“ vorzubereiten. Diese Bürgerbewegung entwickelte sich rasch zur größten Plattform der Opposition. Am 9. November 1989, dem Tag desauerfalls, fand in ihrem Hinterhof jene Pressekonferenz statt, auf der die Legalisierung der Vereinigung verkündet wurde.
Auch nach dem Ende der DDR blieb Bohley eine politische Akteurin, verlagerten sich ihre Schwerpunkte jedoch geografisch. Der Zerfall Jugoslawiens und der Bosnienkrieg ließen sie nicht ruhen. Sie reiste ins Kriegsgebiet, lebte zeitweise in einem kroatischen Dorf und organisierte dort Hilfsprojekte für Flüchtlingskinder und Kriegswaisen. Ihr Engagement endete erst mit ihrer schweren Erkrankung und dem Tod im Jahr 2010.