
343.854 – das ist die Zahl, mit der die DDR implodierte. Kein Schuss, kein Aufstand, kein Beschluss des Politbüros brachte den Staat zu Fall, sondern das Gehen seiner Bürger. 343.854 Menschen verließen 1989 die DDR in Richtung Bundesrepublik – die höchste Zahl in der 40-jährigen Geschichte des Landes. Ein Exodus, der das System nicht nur politisch, sondern physisch aushöhlte.
Bis zum 6. November hatten bereits 202.895 Bürger das Land verlassen. Über 25.000 flohen über Ungarn und Österreich, weitere 12.000 über die Botschaften in Prag und Warschau, und 8.270 in einer zweiten Welle Anfang Oktober. Als Anfang November die Grenze zur ČSSR geöffnet wurde, setzte eine letzte Flutbewegung ein: 62.500 Menschen verließen zwischen dem 6. und 9. November die DDR – mehr als 8.000 pro Tag.
Nach dem Mauerfall riss die Bewegung nicht ab. In der ersten Woche gingen täglich 8.000, in der zweiten Hälfte des Monats immer noch 3.000. Zwischen dem 9. und 21. November registrierte das Bundesinnenministerium 79.013 Übersiedler. Und dann kam der Dezember: 43.221 weitere verließen die DDR – nicht mehr aus Angst, sondern aus Gewissheit, dass es keine Zukunft mehr gab.
Doch selbst das war kein Ende. Bis Mitte März 1990 verließen weiterhin über 10.000 Menschen pro Woche das Land. Hätte sich dieses Tempo gehalten, wären 720.000 allein im Jahr 1990 gegangen. Das führte bereits im Winter 1989/90 zu einer akuten Notlage: leere Krankensäle, fehlende Ärzte, stillstehende Maschinen. Der Sozialismus blutete aus – durch offene Grenzen.
Diese Zahlen sind mehr als Statistik. Sie sind die stille Chronik eines Staates, dem seine Bürger davongingen, weil er sie nicht mehr hielt. Keine Parolen, keine Panzer – nur Menschen, die gingen. Es war die ehrlichste Form der Abstimmung: mit den Füßen. Der Sozialismus wurde nicht gestürzt – er wurde verlassen.
Und vielleicht liegt darin die bittere Wahrheit von 1989: Freiheit kam nicht durch Revolution, sondern durch Fortgang. Und die Zahl 343.854 steht dafür wie ein Grabstein – kühl, sachlich, unwiderlegbar.