Am 28. Mai 2025 fand die Stadtratssitzung in Halle (Saale) statt, die von bedeutenden finanziellen Herausforderungen, Diskussionen über die Bevölkerungsentwicklung und verschiedenen Anträgen geprägt war. Zu Beginn der Sitzung wurden gelbe Bänder für Soldaten im Auslandseinsatz ausgelegt, initiiert vom deutschen Reservistenverband und Bundeswehrverband, zur Übergabe am Reservistentag am 15. Juni. Weiterhin wurde Sarah Labuska als neues Mitglied der Fraktion Wold Mitbürger verpflichtet und Dr. Detlef Went als neuer Fraktionsvorsitzender der Wold Mitbürger bekannt gegeben.
Finanzielle Schieflage und Zensus-Folgen
Ein zentrales und emotional diskutiertes Thema war der Bericht des Oberbürgermeisters, insbesondere die finalen Einwohnerzahlen des Statistischen Landesamtes mit Stand 15. Mai 2022, die bei 226.586 liegen. Dies führt zu einer Differenz von 16.000 bis 17.000 Einwohnern im Vergleich zum städtischen Melderegister, das aktuell 242.500 Einwohner (Stand 20. Mai) verzeichnet. Der Oberbürgermeister bezeichnete die Auswirkungen dieser offiziellen Zahl auf Halle als „katastrophal“, da bei einem Fortbestehen jährlich 11 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich fehlen würden. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Schulplanung.
Bürgermeister Geier ergänzte, dass der Bescheid des Statistischen Landesamtes die umfangreiche Argumentation der Stadt in keiner Weise aufgreife. Er betonte, dass die Methodik des Zensus 2022 wichtige Sonderfälle wie die Flüchtlingskrisen von 2015 und die Ukraine-Flüchtlinge nicht ausreichend berücksichtige. Es gebe zahlreiche Plausibilisierungen, die die Richtigkeit des Melderegisters bestätigen. Die Stadt sucht nun den Schulterschluss mit anderen Städten bundesweit (wie Cottbus, Greifswald, Stralsund, Regensburg), um die Zahlen zu analysieren und eine gemeinsame Argumentationskette zu bilden. Die Stadtverwaltung prüft den Bescheid.
Die Debatte über den Nachtragshaushalt 2025 machte die finanzielle Lage der Stadt deutlich. Herr Geier zitierte den Präsidenten des Deutschen Städtetages, der von der größten kommunalen Finanzkrise im Nachkriegsdeutschland sprach. Für Halle endete das Jahr 2024 mit einem Minus von 37,7 Millionen Euro nach Abzug von Gewinnrücklagen. Für Ende 2025 wird ein maximaler zusätzlicher Bedarf an Kassenkrediten von 103 Millionen Euro erwartet. Das Landesverwaltungsamt, das den Haushalt genehmigen muss, fordert Konsolidierungsmaßnahmen. Ein umfangreiches Konsolidierungspaket soll mit dem Haushaltsplan 2026 vorgelegt werden, um Zeit zu sparen.
In der Diskussion wurde die Notwendigkeit einer offenen Debatte über Ausgabenkürzungen und Einnahmevermehrung betont. Kritisiert wurde, dass der Nachtragshaushalt lediglich den Kreditrahmen erhöhe, aber keine Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Einnahmen oder Senkung der Ausgaben beinhalte. Die Grundsteuererhöhung wurde als mögliche Maßnahme genannt, die besser schon in diesem Jahr stattfinden könnte. Es gab eine kontroverse Auseinandersetzung darüber, ob Kürzungen bei Pflichtaufgaben (wie Sozialleistungen) oder nur bei freiwilligen Leistungen (Sport, Kultur etc.) möglich seien. Verschiedene Sprecher betonten, dass das Problem nicht nur Halle betreffe, sondern viele Kommunen, und eine gemeinsame Position gegenüber Land und Bund nötig sei. Die AfD-Fraktion stellte sich zunächst kritisch zum vorgelegten Haushalt, während andere Fraktionen betonten, die Zustimmung sei notwendig, um Handlungsfähigkeit zu erhalten.
Beschlüsse und Anträge:
• Eine Vorlage zum Förder- und Abschöpfungsvertrag mit der Entwicklungsgesellschaft Industriegebiet Halle Saalkreis (EVG) für den Starpark wurde einstimmig angenommen (47 Ja). Die EVG erschließt kostenneutral für die Stadt Flächen und es gibt hohe Nachfrage nach Gewerbegebieten.
• Die Vorschlagsliste für den Beirat der Justizvollzugsanstalt Halle wurde ebenfalls einstimmig angenommen (50 Ja). Jede der acht Fraktionen schlug ein Mitglied vor.
• Ein Antrag der Fraktion Die Linke zu Schulbibliotheken wurde nach intensiver Diskussion mehrheitlich abgelehnt (26 Nein, 14 Ja, 7 Enthaltungen). Hauptargumente der Ablehnung waren die Zuständigkeit des Landes für Personal und Finanzen in Schulen und der Fokus auf Stadtteilbibliotheken.
• Ein Antrag der Fraktion Wold Mitbürger zur Erarbeitung einer KI-Strategie für die Stadtverwaltung wurde nach Übernahme von Änderungsanträgen der SPD und CDU mehrheitlich angenommen (34 Ja, 6 Nein, 9 Enthaltungen für die geänderte Vorlage; der CDU-Änderungsantrag wurde zuvor mit 33 Ja, 12 Nein, 4 Enthaltungen angenommen). Die Debatte drehte sich um die Notwendigkeit lokaler Leitlinien vs. EU-Vorgaben, die Effizienzsteigerung durch KI (z.B. Wohngeldanträge) und die Frage, ob Halle eine Vorreiterrolle einnehmen sollte oder auf nationale Konzepte warten sollte.
• Ein Antrag der Fraktion Die Linke zur Erarbeitung eines Kriterienkatalogs und einer Bestandsaufnahme für barrierefreien und barrierearmen Wohnraum wurde nach einer Änderung des Wortlauts einstimmig angenommen (29 Ja, 16 Enthaltungen). Die Verwaltung begrüßte den Antrag zur Definition von „Barrierearmut“ und zur Adressierung der Herausforderung einer älter werdenden Gesellschaft.
• Ein Antrag der CDU-Fraktion zur systematischen Bezeichnung elektronischer Dokumente im Ratsinformationssystem, um die Arbeit der Stadträte zu erleichtern, wurde in den Hauptausschuss verwiesen.
• Ein Antrag der CDU-Fraktion zur Benennung des Schülerwohnheims nach Heiko Runge, einem Opfer staatlicher Gewalt an der innerdeutschen Grenze, wurde in den Kultur-, Bildungs- und Jugendhilfeausschuss verwiesen.
• Die Besetzungsvorschläge für verschiedene Ausschüsse (Tagesordnungspunkte 103-107, 1011) wurden einstimmig angenommen (44 Ja).
• Für die Besetzung eines Platzes im Stiftungsvorstand des Hospitals St. Cyriaki und Antoni wurde ein Losverfahren zwischen SPD und Die Linke durchgeführt. Das Los fiel auf Die Linke.
• Ein Antrag von Stadtrat Mario Kerzel (Inhalt nicht explizit genannt, betrifft aber wohl die innere Verfasstheit des Rates) wurde nach Diskussion um die Zuständigkeit in den Hauptausschuss verwiesen.
• Ein Antrag der Fraktion FDP Freie Wähler zur Unterstützung der Errichtung eines Genscher-Denkmals (in Form einer Bank) auf dem Marktplatz wurde in den Kultur-, Planungs- und Finanzausschuss verwiesen. Die SPD kündigte einen Änderungsantrag an, der einen Standort in der Nähe des zukünftigen Zukunftszentrums und einen künstlerischen Wettbewerb vorschlägt.
• Ein Antrag von Stadträtin Dirte Jakobi für ein Ausreiseverbot für Menschen mit Migrationshintergrund und die Schließung der Grenzen wurde mit großer Mehrheit abgelehnt (31 Nein, 5 Ja, 6 Enthaltungen). Der Oberbürgermeister wies entschieden darauf hin, dass die Kommune nicht für Ausreiseverbote zuständig sei und verbat sich die Beleidigung seiner Mitarbeiter im Einwohnermeldeamt.
In der Rubrik „Mündliche Anfragen“ wurden unter anderem folgende Punkte angesprochen:
• Probleme beim Online-Ticketkauf für das Planetarium, der nur mit Kreditkarte möglich ist. Die Verwaltung wird sich darum kümmern.
• Der Stand der Dinge bei der Kinderbetreuung für Stadträte und Ausschussmitglieder; es wird erwartet, dass dies nach der Sommerpause wieder möglich ist.
• Fragen zur Sicherheitssituation mit Jugendlichen in Reideburg; die Verwaltung muss den Träger der Einrichtung anfragen.
• Der Zustand des Leunerweges und wann mit Reparaturen zu rechnen ist. Die Verwaltung wird dies prüfen.
• Eine Nachfrage zu einem geplanten rechtsextremen Messe am 9. November und ob der Oberbürgermeister bereit sei, mit den Betreibern der MesseHalle GmbH darüber zu sprechen. Der Oberbürgermeister bekundete seine Gesprächsbereitschaft, muss dies aber aufgrund eines laufenden Rechtsstreits rechtlich prüfen lassen.
• Der Stand der Einführung eines Energiemanagementsystems für die Stadtverwaltung. Die Verwaltung arbeitet daran.
• Die geplante Veröffentlichung der Bedarfsliste für Fahrradbügel auf der städtischen Webseite. Die Verwaltung wird prüfen, wann dies umgesetzt wird.
• Der Stand der Aufklärung der Wassersabotage im Opernhaus und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt; die Händelfestspiele finden statt, wenn auch mit Einschränkungen bei der Bühnentechnik. Sicherheitsmaßnahmen werden intern diskutiert.
• Die geplante Änderung der Sportstättennutzungssatzung.
• Die Zukunft des ehemaligen Hellweg-Geländes. Die Verwaltung wird sich erkundigen.
• Der Abschluss von Arbeiten an der Parkeisenbahn für das 65. Jubiläum am 12. Juni; die Verwaltung bestätigt, dass sie fertig sein wird.
• Ein beschädigter Trinkbrunnen auf der Peißnitz. Die Verwaltung wird sich darum kümmern.
• Notwendige Baumbeschnittmaßnahmen in der Witzke. Wird an das Grünflächenamt weitergeleitet.
• Die organisatorische Zuständigkeit für Sprachmittler in der Verwaltung. Die Zuständigkeit wird geprüft .
Die Sitzung spiegelte die angespannten finanziellen Rahmenbedingungen der Stadt wider und zeigte sowohl die Suche nach pragmatischen Lösungen als auch die Debatte über grundsätzliche politische Ausrichtungen.