Mutige Preissenkung, große Hoffnungen: Wie Berlins Wirte um Gäste kämpfen

Die Hauptstadt-Gastronomie steht an einem Scheideweg. Angesichts steigender Betriebskosten, Personalmangels und zurückgehender Touristenzahlen testen Unternehmer neue Konzepte, während Branchenvertreter auf politisches Handeln drängen. Ein Blick auf zwei exemplarische Ansätze, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Preissenkung als Mutprobe
Im ruhigen Prenzlauer Berg wagt Daniel Shepard ein Experiment: Er senkt die Preise seines gleichnamigen Restaurants um rund 25 bis 30 Prozent, Oktopus kostet nun 17 € statt 24 €. „Ich möchte, dass Essen gehen wieder für alle eine schöne Erfahrung bleibt und nicht zum Luxus wird, den sich nur noch wenige leisten“, erklärt Shepard. Tatsächlich sind die Gästezahlen seit der Anpassung gestiegen, und das Durchschnittsalter der Besucher ist gesunken. Auch die Bar profitiert von der veränderten Zielgruppe.

Um Umsatzverluste auszugleichen, konzentriert sich Shepard auf sein Event-Portfolio: Mehr Partys, ein neuer Wochenend-Brunch und regelmäßige Themenabende sollen das Haus tagsüber und abends füllen. Hochwertige Zutaten bleiben im Einsatz, das Handling im Hintergrund wurde jedoch verschlankt, um Kosten zu sparen. „Mit den Events und dem zusätzlichen Brunch decken wir die Einbußen auf der Karte wieder ab“, so Shepard.

Makroperspektive: Politische Entlastungen und strukturelle Hürden
Dem gegenüber steht die realistische Einschätzung von Jör Brinkmann, Vizepräsident des Dehoga Berlin. Er sieht die Preissenkung als Einzelfall, warnt jedoch vor einer Scheinsicherheit: „Wenn alle Kosten weiter steigen – Rohstoffe, Energie, Löhne –, kann das kaum ein Geschäftsmodell für die Masse sein.“ Brinkmann erwartet vielmehr Entlastung durch die Bundesregierung: Die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer auf Restaurant-Speisen von 19 % auf 7 % könnte Betrieben rund 12 Prozentspielraum verschaffen. „Gastronomen kaufen ihr Wareneinkauf längst mit 7 % Steuer, verkaufen aber mit 19 %. Das ist ungerecht“, so der Dehoga-Chef.

Dennoch rechnet Brinkmann nicht damit, dass die Betriebe ihre Preise unmittelbar senken: „Die meisten werden die Ersparnis nutzen, um gestiegene Personalkosten zu decken – ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung.“

Weitere Herausforderungen: Personal, Regulierungen, Tourismus
Doch selbst mit Steuersenkung bleibt das Umfeld schwierig. Laut Brinkmann fehlt es in fast allen Betrieben an Fachkräften – viele können ihre Öffnungszeiten nicht mehr einhalten. Hinzu kommt die Berliner Sperrstunde für Außengastronomie um 21:30 Uhr, während Brandenburg bis Mitternacht offen bleiben darf. „Für eine Weltmetropole unvorstellbar und falsch“, kritisiert Brinkmann.

Der dritte große Faktor ist der Tourismus: Die Zahl der Flugreisenden ist noch immer deutlich unter Vorkrisenniveau, Großveranstaltungen fehlen. „Viele Berliner Gastronomen leben vom Tourismus“, betont der Dehoga-Vize. Sein Forderungskatalog reicht daher von neuen Flugverbindungen über mehr Messen bis hin zu einem attraktiveren Stadtmarketing.

Einzelkämpfer wie Daniel Shepard beweisen, dass kreative Preispolitik und Eventmarketing durchaus erfolgreich sein können – zumindest auf kleiner Flamme. Für die Branche als Ganzes sind jedoch politische Rahmenbedingungen und strukturelle Reformen unerlässlich. Ohne steuerliche Entlastung, Fachkräfteoffensive und eine Rückkehr der Touristen wird es schwer, aus dem derzeitigen Engpass herauszufinden. Die Zukunft der Berliner Gastronomie hängt damit gleichermaßen von mutigen Unternehmern und entschlossenem politischem Handeln ab.



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