In einem kleinen Programmkino flimmert ein Film über die Leinwand, den seit seiner Fertigstellung im Jahr 1953 niemand öffentlich gesehen hat. Es ist ein Dokumentarfilm, entstanden zu Ehren des 60. Geburtstags von Walter Ulbricht, dem späteren Staatsratsvorsitzenden der DDR. Doch was als große Huldigung gedacht war, verschwand für 44 Jahre in den Tresoren der Filmarchive – verbannt auf Geheiß des sowjetischen Hohen Kommissars.
Eine filmische Heldengeschichte
Der Streifen ist ein Lehrstück in Sachen Personenkult. In klassischer Propagandasprache wird Walter Ulbricht als Architekt der DDR, als weitsichtiger Führer und treuer Genosse dargestellt. Der Film beginnt mit einem Rückblick auf seine Kindheit um 1900, zeigt seine Stationen in der Arbeiterbewegung, seinen Exilaufenthalt in der Sowjetunion und endet schließlich mit seinem Aufstieg zur zentralen Figur des jungen sozialistischen Staates.
Die DDR erscheint in der filmischen Erzählung als ein Land der Ordnung, der Aufbruchsstimmung und der Solidarität. Ulbricht wird zum Vater der Nation stilisiert. In pathetischen Kommentaren heißt es: „Genosse Walter Ulbricht ist der Schöpfer unserer Pläne, der Mann des scharfen Blicks und der schnellen Entscheidungen, der Freund des Lebens und der Jugend, der Generalsekretär der Arbeiterpartei.“
Zu viel der Ehre
Doch der Film wurde nie gezeigt. Der sowjetische Hohe Kommissar in Ost-Berlin urteilte, die geplante Geburtstagsinszenierung für Ulbricht sei unangemessen und zu selbstherrlich. In der heiklen Nachkriegszeit, in der die DDR noch unter sowjetischer Kontrolle stand, konnte sich ein einzelner Politiker keine derart große Selbstdarstellung erlauben – schon gar nicht ohne Rückendeckung aus Moskau.
Nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953, bei dem Tausende gegen die politische Führung der DDR protestierten, verschwand der Film endgültig im Archiv. Der Ulbricht-Kult geriet ins Stocken, das Projekt wurde zur politischen Peinlichkeit.
Ein spätes Licht auf die Geschichte
1997 – sieben Jahre nach dem Ende der DDR – wurde der Film schließlich im Zuge von Recherchen zur Geschichte der DEFA wiederentdeckt und erstmals in Berlin öffentlich aufgeführt. Für Historiker ist er heute ein aufschlussreiches Dokument der Frühphase der DDR-Propaganda. Er zeigt, wie Macht inszeniert und Geschichte zurechtgerückt wurde – und wie sensibel die sowjetische Führung auf übermäßigen Personenkult reagierte, zumindest solange er nicht vom Kreml selbst ausging.
Der Film bleibt ein Stück filmischer Zeitgeschichte. Nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen seiner Absenz: Ein Dokument, das zeigt, wie der Wunsch nach politischer Inszenierung an den Grenzen der Realität scheiterte.