Günther Krause’s Identitätsflucht im offenen Geständnis

Günther Krause zeigte sich in einem jetzt aufgetauchtem Interview wie selten zuvor: selbstbewusst am Rande der Selbstentblößung und doch meisterlich ausweichend. Schon bei der ersten Frage nach seiner Identität wich er lapidar aus: „Darüber muss ich nicht nachdenken, wer ich bin. Denn die Identität als Subjekt festzustellen, ist immer furchtbar.“ Mit dieser lakonischen Floskel errichtete Krause einen rhetorischen Schutzwall und offenbarte gleichzeitig sein Unbehagen, als Akteur statt als Objekt wahrgenommen zu werden.

Im weiteren Verlauf nahm die Unterhaltung kafkaeske Züge an, als Krause alle Anschuldigungen bezüglich einer „Leiche im Keller“ mit dem Verweis auf fehlende Beweise abwehrte: „Weil ich kein Papier habe, wird wahrscheinlich ein anderer auch kein Papier haben.“ Seine verschlungenen Gedankengänge lenkten geschickt von möglichen Schuldfragen ab und warfen ein Schlaglicht auf die Grenzen journalistischer Beweisführung.

Sein Umgang mit den Medien wirkte ebenso selektiv: Den „Spiegel“ erwähnte er mit einem Achselzucken, Spiegel TV sah er nur als kuratiertes Produkt seiner Mitarbeiter – während die FAZ und die „Welt“ weiterhin zu seiner Pflichtlektüre gehörten. Diese bewusste Auswahl mutete wie ein persönlicher Zensurfilter an, mit dem Krause kritische Reflexionen ausblendete und seine Selbstinszenierung kontrollierte.

Der Moment der Wahrheit rückte näher, als der Interviewer ihn fragte: „Menschen, die keine Angst haben, machen mir Angst.“ Krause entgegnete kalt, er fürchte sich nicht einmal vor sich selbst. Statt ehrlicher Selbstzweifel zeigte sich ein Politikprofi, der Widerspruch reflexartig mit kategorischem Verneinen beantwortete. Seine Behauptung, Entscheidungen treffe er nur, wenn er „den Kopf rausgehoben und nicht immer in den Spiegel geguckt“ habe, klang weniger nach innerer Stärke als nach konsequenter Verdrängung.

Den Schlusspunkt setzte eine verschmitzte Andeutung zu Kohls schärfstem Wort: Es „umschrieb ein Körperteil“, das man allerdings nicht aussprach. Dieser lakonische Abschluss erinnerte an psychologische Diskretion und entließ das Publikum mit einem Schmunzeln – und der Frage, was zwischen den Zeilen verborgen lag.

In der Rückschau war es ein Gespräch extremer Kontraste: zwischen philosophischer Entrückung und politischem Kalkül, zwischen scheinbarer Offenheit und bewusster Transparenzverweigerung. Und eines wurde klar: Wer Günther Krause wirklich verstehen wollte, musste tiefer graben – und fand dort womöglich mehr Fragen als Antworten.

 

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