Wolf Biermanns Blick auf Robert Habeck – Eine Begegnung mit Haltung

Vor wenigen Tagen begab sich der Liedermacher und Publizist Wolf Biermann ins Literaturhaus an der Hamburger Alster, um Robert Habeck bei der Vorstellung seines neuen Buches zu erleben. Der Grünen-Politiker, der derzeit als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz im Fokus steht, hat Biermanns Interesse geweckt – nicht nur wegen seiner politischen Positionen, sondern vor allem aufgrund seiner Haltung und seines Auftretens.

Biermann, bekannt für seine scharfsinnigen Analysen und seine poetische Art, beschreibt eine Szene, die ihn besonders beeindruckt hat: Habeck sprach auf einer Delegiertenkonferenz der Grünen in Berlin – doch er tat dies auf eine ungewöhnliche Weise. Statt den Applaus der Zuhörer anzunehmen und ihn als Bestätigung zu genießen, sprach er gegen das Klatschen an. Dieses Verhalten widerspricht der üblichen politischen Dramaturgie, in der Beifall als Erfolgsmesser gilt. Die meisten Redner streben nach Zustimmung, nach kleinen Lachern, nach Momenten der Begeisterung im Publikum. Doch Habeck, so Biermanns Beobachtung, wollte keine bloße Akklamation, sondern vermitteln, was ihm wirklich wichtig ist. „Sowas habe ich im Leben noch nicht gesehen“, sagt Biermann – ein bemerkenswertes Statement aus dem Mund eines Mannes, der Jahrzehnte politischer Inszenierungen erlebt hat.

Diese Beobachtung führt Biermann zu einer tieferen Reflexion über Habecks Charakter. Er sieht in ihm nicht nur einen Politiker, sondern einen Menschen, der sich in einem ständigen Lernprozess befindet. „Auf dessen Bildung hat man viel Mühe verwandt“, stellt Biermann fest – eine Feststellung, die sowohl Habecks akademischen Hintergrund als auch seine Bereitschaft zur Selbstreflexion einbezieht. Dabei erinnert ihn Habeck an das berühmte Gemälde des spanischen Malers Francisco de Goya, auf dem ein alter Mann mit dem Satz „Aún aprendo“ („Ich lerne immer noch“) dargestellt ist. Diese Metapher beschreibt nicht nur Habeck, sondern auch Biermann selbst. Der 87-jährige Liedermacher, der in der DDR als Dissident verfolgt wurde und nach seiner Ausbürgerung in der Bundesrepublik eine neue Heimat fand, sieht sich ebenfalls als jemanden, der nie aufhört zu lernen.

Doch es geht Biermann nicht nur um Bewunderung. Sein Interesse an Habeck ist auch eine Einladung zum Dialog. Er zeigt sich neugierig darauf, den Politiker abseits öffentlicher Auftritte zu treffen. „Jetzt bin ich erst neugierig auf den Geborenen“, sagt er mit seiner typischen Mischung aus Ernst und Augenzwinkern. Und weiter: „Ich möchte ihn mal treffen, ohne alle Lesungen, dass wir uns unterhalten und alle Probleme der Menschheit endgültig lösen. Dafür brauchen wir ungefähr eine halbe Stunde.“ Hier blitzt Biermanns ironischer Humor auf – doch zugleich wird deutlich, dass er Habeck für einen Denker hält, mit dem es sich lohnt, eine tiefgehende Diskussion zu führen.

Biermanns Einschätzung ist ein bemerkenswertes Kompliment für Habeck, der nicht selten in der politischen Auseinandersetzung kritisiert wird – sei es für seine Krisenkommunikation oder für seine wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Doch für Biermann zählt etwas anderes: die Fähigkeit zur Selbstveränderung, die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Dies unterscheidet ihn in Biermanns Augen von vielen Politikern, die in ihren eingefahrenen Mustern verharren.

Die Begegnung zwischen dem politischen Poeten Biermann und dem intellektuellen Politiker Habeck bleibt vorerst eine einseitige Betrachtung. Ob es tatsächlich zu einem persönlichen Gespräch kommt, bleibt abzuwarten. Doch eines steht fest: Biermann hat in Habeck einen Gesprächspartner erkannt, mit dem es sich zu streiten, zu lachen und vielleicht sogar für einen Moment die Welt zu verbessern lohnt.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
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