Die geplanten Einsparungen im Berliner Nachtragshaushalt von 2025 werfen lange Schatten über zahlreiche Lebensbereiche. Mit einer Reduktion der Mittel um insgesamt 3 Milliarden Euro stehen Projekte der Jugendsozialarbeit und kulturellen Förderung besonders im Fokus. In einer Stadt, die für ihre Diversität und ihren kulturellen Reichtum bekannt ist, bedrohen diese Einschnitte nicht nur einzelne Programme, sondern auch die grundlegenden Strukturen, die vielen jungen Menschen als Anker dienen. Dieser Bericht zeigt anhand von Stimmen und Erfahrungen junger Künstler*innen, wie tiefgreifend die Auswirkungen solcher Entscheidungen sind.
Jugendsozialarbeit im Fokus: Was wird gekürzt?
Die beschlossenen Haushaltskürzungen betreffen zahlreiche Bereiche, darunter Umweltschutz, Verkehr, Kultur und soziale Arbeit. Besonders hart trifft es jedoch Projekte der Jugendsozialarbeit, die essenzielle Unterstützung für junge Menschen bieten. Einrichtungen wie die Kreativetage F16 und das Street College, die jungen Menschen nicht nur künstlerische, sondern auch soziale und berufliche Perspektiven öffnen, stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Für viele Jugendliche bedeuten diese Orte weit mehr als alternative Freizeitgestaltung. Sie bieten sichere Räume, sogenannte „Safe Spaces“, in denen junge Menschen sich entfalten können, fernab von gesellschaftlichem Druck oder Leistungszwängen. Diese Programme schaffen Perspektiven, die über den Rahmen der Kunst hinausgehen, indem sie gezielt auf die individuelle Entwicklung und Stärkung der Teilnehmenden abzielen.
Stimmen aus der Jugendsozialarbeit: Junge Menschen berichten
Die Erfahrungen von jungen Menschen wie Ahmad oder den Teilnehmenden des Street College zeigen, wie tief verwurzelt diese Projekte in ihrem Leben sind. Ahmad, der seit 2018 mit der Organisation Gangway zusammenarbeitet, spricht über die transformative Kraft, die solche Programme entfalten können: „Ich war dieses Jahr in New York. Für mich war das unfassbar. Es zeigt, dass man etwas schaffen kann, selbst wenn alle sagen, es sei unmöglich. Durch Gangway habe ich das erste Mal erlebt, dass ich meine Träume verfolgen darf.“
Ahmads Geschichte illustriert die Chancen, die durch Austauschprojekte und kreative Räume entstehen. Diese Möglichkeiten helfen jungen Menschen nicht nur, ihre Träume zu verwirklichen, sondern auch Selbstvertrauen und Mut zu entwickeln. Ahmad erklärt weiter „Durch diese Projekte habe ich gelernt, dass nichts unmöglich ist. Ich kann jetzt sagen: Ich liebe mich selbst mehr als früher, weil ich mein Hobby leben und lieben gelernt habe.“
Ein weiterer Teilnehmer des Street College hebt hervor, wie wichtig der Zugang zu Ressourcen ist: „Ich habe mit neun Jahren angefangen, Musik zu machen. Aber eine Musikschule war für meine Familie zu teuer. Erst durch das Street College konnte ich meine Leidenschaft ernsthaft verfolgen. Hier kann ich Kameras und Laptops ausleihen und habe erfahrene Leute, die mich unterstützen. Das hat alles in meinem Leben verändert.“
Safe Spaces: Räume für Entwicklung und Gemeinschaft
Ein zentraler Aspekt der Jugendsozialarbeit ist die Schaffung von Orten, an denen junge Menschen sich sicher fühlen können. Diese Safe Spaces sind nicht nur physische Räume, sondern symbolisieren auch Gemeinschaft, Unterstützung und die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten zu entdecken. Viele Teilnehmende betonen, dass diese Einrichtungen ein Umfeld bieten, in dem sie nicht nur kreativ arbeiten, sondern auch wichtige soziale Kompetenzen entwickeln können.
Ein Teilnehmer beschreibt es so:
„Hier kann man ankommen, ohne Druck zu haben. Man kann chillen, wenn man will, oder Musik machen. Es geht nicht darum, etwas liefern zu müssen, sondern darum, dass man sich selbst entwickeln darf. Das macht einen riesigen Unterschied.“
Diese Aussagen verdeutlichen, dass es bei den Projekten nicht nur um individuelle Talente geht, sondern um die Stärkung sozialer Bindungen und die Vermittlung von Lebenskompetenzen. Viele Jugendliche betonen, dass die Sozialarbeitenden eine zentrale Rolle spielen, indem sie zuhören, unterstützen und Orientierung bieten.
Die Bedrohung durch Kürzungen
Die geplanten Einsparungen stellen diese essenziellen Strukturen vor große Herausforderungen. Ohne ausreichende finanzielle Mittel könnten viele der beschriebenen Angebote verschwinden. Ahmad bringt die Konsequenzen auf den Punkt:
„Wenn diese Orte weniger werden, verlieren wir nicht nur Kunst, wir verlieren Menschenleben. Diese Projekte helfen uns, mit schwierigen Erfahrungen klarzukommen. Sie geben uns Hoffnung und Perspektiven.“
Ein anderer Teilnehmer ergänzt:
„Meine Kunst bedeutet Freiheit. Sie gibt mir die Möglichkeit, mich auszuleben und meine individuelle Kreativität zu entfalten. Wenn diese Orte wegfallen, verlieren wir auch diese Freiheit.“
Die Einsparungen treffen nicht nur die Teilnehmenden direkt, sondern auch die Gemeinschaften, die von ihren Beiträgen profitieren. Viele der jungen Menschen, die heute in Programmen wie dem Street College oder Gangway gefördert werden, entwickeln sich zu Multiplikatoren, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben.
Kunst als Weg zur Selbstwirksamkeit
Ein zentrales Thema, das in den Gesprächen immer wieder aufkommt, ist die Bedeutung der Kunst als Mittel zur Selbstfindung und Selbstwirksamkeit. Ob Musik, Fotografie oder Film – die kreativen Ausdrucksformen helfen jungen Menschen, ihre Stimme zu finden und ihre Identität zu stärken. Die Teilnehmenden betonen, dass sie durch diese Arbeit nicht nur künstlerische Fähigkeiten entwickeln, sondern auch lernen, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen.
Ein Teilnehmer erklärt:
„Durch das Street College habe ich gelernt, dass ich meinen Träumen folgen darf. Diese Projekte haben mir gezeigt, dass ich etwas bewirken kann, und sie haben mir geholfen, meine Ziele zu erreichen.“
Diese Geschichten sind ein eindrucksvolles Zeugnis für die transformative Kraft der Kunst und die Bedeutung von Projekten der Jugendsozialarbeit.
Fazit: Eine Investition in die Zukunft
Die geplanten Kürzungen im Bereich der Jugendsozialarbeit werfen die Frage auf, ob Einsparungen an dieser Stelle wirklich im Interesse der Gesellschaft sind. Die Geschichten der jungen Künstler*innen zeigen, dass diese Projekte weit mehr sind als Freizeitangebote. Sie sind Orte der Hoffnung, des Wachstums und der Gemeinschaft.
Wenn Berlin die Zukunft seiner jungen Generation sichern will, muss es in diese Projekte investieren – nicht nur finanziell, sondern auch durch Anerkennung ihrer zentralen Rolle für eine gerechte und kreative Gesellschaft. Es geht nicht nur um die Frage, was wir uns leisten können, sondern um die Frage, welche Zukunft wir uns wünschen. Die Antwort darauf liegt in den Stimmen der jungen Menschen, die diese Räume bereits jetzt mit Leben füllen.