Wenn das Statistische Landesamt Thüringen von einem neuen Rekord-Tief bei den Geburtenzahlen spricht, dann fühlt sich das wie ein Weckruf an. Ein Weckruf für uns alle, die wir in diesem Land leben und es gestalten. Die Zahlen sind alarmierend – junge Menschen werden weniger, und auch die Zahl derjenigen, die aus Thüringen wegziehen, sinkt. Ein Trend, der nicht nur statistisch, sondern vor allem menschlich von Bedeutung ist.
Es lässt einen nachdenklich zurück. In einer Zeit, in der wir uns über Digitalisierung, Effizienz und Fortschritt definieren, wird immer klarer, dass das wahre Fundament einer Gesellschaft nicht in der Technik, sondern in den Menschen liegt. Und hier kommt die entscheidende Frage: Wer bleibt eigentlich noch, wenn immer weniger junge Familien in Thüringen Fuß fassen können und viele die Region verlassen?
Ich habe in den letzten Jahren immer wieder darüber nachgedacht, wie es hier weitergehen soll. Thüringen steht heute vor einer anderen Herausforderung als noch vor 30 Jahren, als nach der Wende viele in den Westen zogen. Heute bleiben viele nicht mehr unbedingt aus Mangel an Arbeit, sondern wegen einer Zukunftsperspektive, die sie hier nicht sehen. Das ist ein Problem, das uns alle betrifft – nicht nur die Politik oder die Wirtschaft.
Und genau hier sehe ich den Wendepunkt: Thüringen braucht nicht nur junge Menschen, die das Land wieder bevölkern. Thüringen braucht vor allem eins – Zusammenhalt. Wir müssen nicht nur auf junge, dynamische Kräfte setzen, sondern auch die älteren Generationen in den Blick nehmen, die trotz ihrer Jahre noch so viel beizutragen haben. Ich glaube fest daran, dass in jedem Geist – egal wie alt er ist – noch immer gute Ideen schlummern.
Es geht jetzt nicht mehr darum, schneller, höher oder weiter zu kommen. Es geht darum, Beständigkeit zu wahren, Traditionen zu pflegen und vor allem eines: Jeder soll das Gefühl haben, dazu zu gehören. Denn wenn wir ehrlich sind, dann geht es in unserer Gesellschaft nicht nur um das Leben der Jungen, sondern auch um den respektvollen Umgang mit den Älteren, die oft das Fundament dieser Region bilden.
Derzeit müssen wir in Thüringen mehr über Gemeinschaft nachdenken – eine Gemeinschaft, die sich nicht nur in Arbeit und Fortschritt definiert, sondern in Zusammenhalt und gegenseitiger Unterstützung. Jeder Mensch sollte das Gefühl haben, gefragt zu werden, gebraucht zu werden. Und die Politik sollte sich darauf einstellen, dass wir alle dazugehören, egal woher wir kommen, welche Religion wir haben oder welche Partei wir unterstützen.
Thüringen steht heute an einem Scheideweg. Wenn wir wollen, dass dieses Land nicht weiter leerläuft, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir alle miteinander arbeiten und leben. Denn nur so können wir verhindern, dass diese Region weiter ausblutet und sich in eine Gesellschaft der Isolation und Ungleichheit verwandelt. Es ist an der Zeit, dass wir uns alle verantwortlich fühlen – jeder von uns, unabhängig vom Alter, dem Hintergrund oder der Herkunft.
Denn die Zukunft von Thüringen hängt nicht nur von jungen Menschen ab. Sie hängt von uns allen ab.