Geburtenzahl in Thüringen erreicht 2024 historisches Tief

Im ersten Halbjahr 2024 hat Thüringen einen weiteren Rückgang der Bevölkerungszahl verzeichnet. Laut den vorläufigen Ergebnissen des Thüringer Landesamtes für Statistik lebten zum 30. Juni 2024 insgesamt 2.108.294 Menschen im Bundesland, was einem Rückgang von 6.576 Personen oder -0,31 Prozent im Vergleich zum 31. Dezember 2023 entspricht. Diese Zahl markiert einen weiteren Schritt in eine demografische Entwicklung, die Thüringen bereits seit Jahren prägt. Besonders auffällig ist dabei der starke Rückgang bei der Geburtenzahl und der vergleichsweise geringe Zuzug von Menschen aus dem Ausland.

Die Ursachen für den Bevölkerungsrückgang im ersten Halbjahr 2024 sind vielfältig. Zum einen ist das Geburtendefizit von 9.432 Personen zu nennen, das durch die Wanderungsgewinne von 3.060 Personen nicht ausgeglichen werden konnte. Dies zeigt einen Trend, der in vielen ländlichen Regionen Deutschlands zu beobachten ist: eine sinkende Geburtenrate und ein hoher Wanderungsverlust. Thüringen ist hiervon nicht ausgenommen. Besonders auffällig ist, dass im ersten Halbjahr 2024 mit nur 5.874 Geburten ein historisches Tief erreicht wurde, das sogar unter dem Geburtenniveau von 1994 liegt, als nur 12.721 Geburten in Thüringen registriert wurden.

Der Rückgang der Geburtenrate stellt Thüringen vor große Herausforderungen. Die Zahl der Geburten sank im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 um rund 9,4 Prozent. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die demografische Entwicklung, sondern auch auf die langfristige Wirtschaftsstruktur und die Altersvorsorge im Land. Mit weniger Geburten werden weniger junge Menschen in die Arbeitswelt eintreten, was langfristig zu einem Mangel an Fachkräften und einer alternden Gesellschaft führen könnte. Darüber hinaus ist auch zu befürchten, dass der zunehmende Mangel an jungen Menschen die sozialen Strukturen in ländlichen Gebieten weiter schwächen könnte, da Familien mit Kindern zunehmend in größere Städte oder andere Bundesländer abwandern.

Im Bereich der Wanderungsbewegungen zeigt sich ebenfalls ein negativer Trend. Zwar gab es insgesamt einen Wanderungsgewinn von 3.060 Personen, dieser fiel jedoch im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer aus – um 3.630 Personen. Besonders auffällig ist, dass die Zuzüge aus dem Ausland stark zurückgegangen sind. Im ersten Halbjahr 2024 gab es 3.872 weniger Zuzüge aus dem Ausland, was einem Rückgang von -19,1 Prozent entspricht. Dies könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, darunter politische und wirtschaftliche Unsicherheiten in den Herkunftsländern oder eine veränderte Migrationspolitik auf europäischer Ebene. Gleichzeitig sind auch die Fortzüge ins Ausland gesunken, jedoch nur um -3,0 Prozent. Der Wanderungssaldo mit dem Ausland zeigt also noch ein positives Ergebnis, allerdings fällt dieses deutlich geringer aus als im Vorjahr. Die Gründe für diesen Rückgang könnten in einer insgesamt angespannten globalen Situation liegen, in der viele Migrantinnen und Migranten von der Möglichkeit der Rückkehr oder einer Migration in andere europäische Länder abgehalten werden.

Gegenüber den anderen Bundesländern ist die Wanderungsbilanz weitgehend stabil geblieben. Der Wanderungssaldo mit den anderen Bundesländern blieb nahezu unverändert und betrug ein Minus von 1.959 Personen, was nur einen marginalen Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum darstellt. Diese Entwicklung zeigt, dass Thüringen zwar weiterhin Menschen aus anderen Teilen Deutschlands verliert, jedoch keine signifikanten Veränderungen in den innerdeutschen Wanderungsbewegungen zu verzeichnen sind. Hier könnten vor allem die großen Städte wie Erfurt und Jena eine stabilisierende Wirkung auf den Zuzug aus anderen Bundesländern haben.

Die regionale Betrachtung innerhalb Thüringens offenbart interessante Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung. Die kreisfreie Stadt Weimar verzeichnete mit einem Anstieg von 0,26 Prozent bzw. 169 Personen den größten relativen Einwohnerzuwachs im ersten Halbjahr 2024. Auch der Ilm-Kreis konnte ein kleines Plus von 22 Personen und 0,02 Prozent verbuchen. Diese Städte und Kreise profitieren möglicherweise von ihrer Nähe zu Jena und Erfurt, die als Bildungs- und Wirtschaftsstandorte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese Städte sind für junge Menschen, die eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, attraktive Anlaufstellen und bieten gute berufliche Perspektiven.

Im Gegensatz dazu mussten viele ländliche Regionen Thüringens im ersten Halbjahr 2024 Einwohnerverluste hinnehmen. Besonders betroffen war die kreisfreie Stadt Suhl, die einen dramatischen Rückgang von -2,73 Prozent bzw. -991 Personen erlebte. Auch der Landkreis Sonneberg verlor -0,86 Prozent bzw. 484 Personen, während der Landkreis Hildburghausen mit -0,57 Prozent und einem Verlust von 348 Personen ebenfalls unter einem negativen Trend litt. Diese Gebirgslagen und ländlichen Regionen kämpfen seit Jahren mit einer Abwanderung von jungen Menschen und einer alternden Bevölkerung. Die Gründe hierfür liegen oft in der fehlenden Arbeitsmarktperspektive und einer unzureichenden Infrastruktur, die in vielen ländlichen Gegenden nicht ausgebaut oder modernisiert wurde.

Insgesamt zeigt sich, dass Thüringen mit einer demografischen Krise konfrontiert ist, die nicht nur die Geburtenzahlen, sondern auch die Wanderungsbewegungen betrifft. Die sinkenden Geburtenzahlen und die rückläufigen Zuzüge aus dem Ausland stellen das Land vor erhebliche Herausforderungen, sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Angesichts dieser Entwicklung ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Attraktivität des Landes zu steigern und die Abwanderung aus ländlichen Regionen zu verhindern. Hierbei könnte insbesondere der Ausbau der Infrastruktur, die Förderung von familienfreundlichen Maßnahmen sowie die Verbesserung der beruflichen Perspektiven eine zentrale Rolle spielen. Auch die langfristige Gestaltung einer nachhaltigen Migrationspolitik könnte entscheidend dazu beitragen, den demografischen Wandel abzufedern und Thüringen als Standort für junge Menschen und Familien zu erhalten.

Redakteur/Blogger/Journalist/Chronist: Arne Petrich

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