Am 19. Dezember 2024 hat die FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf zur vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags eingebracht, der unter dem Titel „Solidaritätszuschlagbefreiungsgesetz“ (SolZBFreiG, 20/14254) bekannt wurde. Dieser Entwurf sieht vor, den Solidaritätszuschlag, der ursprünglich als Sonderabgabe zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt wurde, nach fast 30 Jahren vollständig abzuschaffen. Nach der ersten Lesung im Bundestag wurde der Entwurf dem Finanzausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.
Die Grundzüge des Gesetzentwurfs beinhalten eine schrittweise Reduktion des Solidaritätszuschlags, der ab dem 1. Januar 2025 von 5,5 Prozent auf 3,0 Prozent der Bemessungsgrundlage gesenkt werden soll. Zum 1. Januar 2027 soll dieser dann komplett entfallen. Die FDP-Fraktion argumentiert, dass mit dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 die ursprünglich rechtfertigende Grundlage für die Erhebung des Solidaritätszuschlags weggefallen sei. Die Abschaffung dieses Zuschlags sei daher überfällig, da er inzwischen eine ungerechtfertigte Belastung für viele Steuerzahler darstelle.
Die Argumentation der FDP: Der Solidaritätszuschlag muss weg
Christian Dürr, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, erklärte in seiner Rede zu Beginn der Debatte, dass der Solidaritätszuschlag sowohl politisch als auch wirtschaftlich überholt sei. Er erinnerte daran, dass in den 1990er Jahren ein politisches Versprechen abgegeben worden sei, diese Abgabe abzuschaffen, sobald der Solidaritätszuschlag seinen Zweck erfüllt habe. Dies sei mit dem Ende des Solidarpakts II im Jahr 2019 der Fall. Dürr betonte, dass der Soli mittlerweile eine „Strafsteuer“ darstelle, die die Leistungsbereitschaft in Deutschland bestrafe. In seinen Augen sei der Solidaritätszuschlag nicht mehr gerechtfertigt, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass der Staat die wirtschaftlich Aktiven und Leistungsträger in Deutschland weiter belaste, anstatt sie zu entlasten.
Zudem warf Dürr der SPD vor, in der Ampel-Koalition Vorschläge zur Entlastung der Wirtschaft blockiert zu haben. Mit einer Unternehmensbesteuerung von 30 Prozent liege Deutschland im internationalen Vergleich am unteren Ende. Die FDP-Fraktion fordert daher eine Absenkung der Steuersätze, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern und Investitionen zu fördern.
Die SPD: Kritik an der FDP-Politik
Die Reaktion der SPD auf den FDP-Vorschlag war scharf. Michael Schrodi, ein SPD-Abgeordneter, kritisierte, dass die Vorschläge von FDP und Union eine Umverteilung von der breiten Mitte der Gesellschaft hin zu den Reichsten bewirken würden. Nach seiner Ansicht würde eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags vor allem den wohlhabenden oberen Einkommensschichten zugutekommen, während der Staatshaushalt durch die entfallenden Einnahmen erheblich belastet würde.
Schrodi betonte, dass die SPD statt einer Entlastung der Reichen eine Entlastung für 95 Prozent der Bevölkerung fordere. Die höchsten Einkommen sollten zur Finanzierung von Steuererleichterungen für die breite Masse herangezogen werden. Er warnte vor den finanziellen Konsequenzen eines solchen Gesetzes und erklärte, dass die Vorschläge der Union und FDP auf wackeligem Fundament basierten. Stattdessen plädierte er für eine faire und sozial ausgewogene Finanzpolitik.
CDU/CSU: Unterstützung für die vollständige Abschaffung
Olav Gutting von der CDU/CSU-Fraktion unterstützte die Forderung der FDP nach einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Er stellte fest, dass die ursprüngliche Begründung für den Soli – die Finanzierung der deutschen Einheit – nicht mehr zutreffe, da dieser Solidarpakt im Jahr 2019 ausgelaufen sei. Der Solidaritätszuschlag sei mittlerweile zu einer zusätzlichen Belastung für viele Bürger, insbesondere für Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen, geworden. Er bezeichnete den Soli als eine Sondersteuer auf Leistung, Innovation und unternehmerisches Risiko, die besonders kleine und mittelständische Unternehmen treffe. Gutting forderte daher ebenfalls die vollständige Abschaffung dieser Steuer.
Grüne: Kritik an der Finanzierung der Abschaffung
Sascha Müller von den Grünen warf der FDP vor, sich nicht zu den Finanzierungsfragen zu äußern, die mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags verbunden seien. Er forderte mehr Transparenz und konstruktive Vorschläge, wie die entstehenden Mindereinnahmen ausgeglichen werden könnten. Zwar räumte auch er ein, dass der Solidaritätszuschlag Unternehmen belastet und deren Entlastung durch die Abschaffung sinnvoll sei, doch er hielt es für wichtig, die strukturellen Schwächen der deutschen Volkswirtschaft zu adressieren, statt lediglich Steuern zu senken.
Müller kritisierte auch, dass die FDP sich nicht an der Wachstumsinitiative der Ampel-Koalition beteiligt habe, die auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Struktur abzielte. Für ihn sei die Lösung für die Probleme der deutschen Wirtschaft nicht nur eine Steuererleichterung, sondern ein umfassenderer Ansatz zur Behebung der strukturellen Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
AfD: Vorschläge zur Gegenfinanzierung
Kay Gottschalk von der AfD stimmte der FDP ebenfalls zu und erklärte, dass seine Fraktion schon vor fünf Jahren die Abschaffung des Solidaritätszuschlags gefordert habe. Er ging einen Schritt weiter und schlug vor, wie die Mindereinnahmen durch die Abschaffung des Solis kompensiert werden könnten. Gottschalk argumentierte, dass der Staat bei den Ausgaben ansetzen müsse, nicht bei den Einnahmen. Er nannte Beispiele wie eine Reduzierung der EU-Ausgaben um zehn Prozent, eine Rückführung von Arbeitslosen ins Arbeitsverhältnis und Einsparungen in der Entwicklungshilfe, um Milliardenbeträge zu sparen.
Linke und BSW: Kritik an Klientelpolitik
Die Linke und der Bund der Steuerzahler (BSW) kritisierten die FDP als Partei der reichen Eliten. Christian Görke von der Linken warf der FDP vor, eine Klientelpolitik für die reichsten ein Prozent der Bevölkerung zu machen. Auch Alexander Ulrich vom BSW warf den Unionsparteien und der FDP vor, durch ihre Politik die arbeitende Mitte des Landes zu übersehen und stattdessen die Reichen zu begünstigen.
Fazit und Ausblick
Die Diskussion über den Solidaritätszuschlag wird weiterhin polarisiert bleiben. Während die FDP und CDU/CSU eine vollständige Abschaffung fordern, sehen SPD, Grüne, Linke und der BSW diese Forderung als eine Belastung für den Staatshaushalt und die breite Masse der Bevölkerung. Die SPD fordert eine sozial gerechtere Finanzierung, während die Grünen mehr strukturelle Reformen in der Wirtschaft anmahnen. Die AfD wiederum bringt Vorschläge zur Gegenfinanzierung, indem sie Ausgabenkürzungen fordert. Die endgültige Entscheidung über die Zukunft des Solidaritätszuschlags wird in den kommenden Monaten fallen, wenn der Gesetzentwurf weiter beraten und möglicherweise verabschiedet wird.
Das geplante „Solidaritätszuschlagbefreiungsgesetz“ ist nicht nur eine Frage der Steuerpolitik, sondern auch eine der wirtschaftlichen Ausrichtung Deutschlands in den kommenden Jahren. In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft, insbesondere der Rezession und des Fachkräftemangels, könnte die Entscheidung über den Soli eine richtungsweisende Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und das Vertrauen der Bürger in die Regierungspolitik haben.