Thüringer Rechnungshofs rügt Jenaer Stadtrat wegen Sorgfaltspflicht

 

Der Thüringer Rechnungshof hat kürzlich die Haushaltsführung der Stadtverwaltung Jena eingehend geprüft und dabei einige kritische Punkte in Bezug auf die Schulstandorte und bedeutende Neubauprojekte festgestellt. Diese Prüfungen werfen Fragen zur Wirtschaftlichkeit und zur künftigen Ausrichtung der Jenaer Bildungslandschaft auf. Der Prüfbericht wird in der kommenden Sitzung des Finanzausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses des Stadtrates eingehend besprochen.

In den letzten Jahren hat Jena sich einen Namen als Stadt mit einer hochgelobten Schullandschaft gemacht, doch die damit verbundenen Kosten steigen kontinuierlich. Der Rechnungshof lenkt in seinem Bericht die Aufmerksamkeit auf zwei bedeutende Schulneubauprojekte, die im Rahmen dieser Analyse besonders im Fokus standen. Auch die Wirtschaftlichkeit des Neubaus der Ernst-Abbe-Bibliothek und des Bürgerzentrums am Engelplatz wird thematisiert.

Die Prüfer des Rechnungshofs betrachten die aktuelle Anzahl der Schulstandorte in Jena als problematisch. Ihrer Meinung nach hat die Stadt zu viele Schulstandorte geschaffen, was in der Zukunft sowohl personelle als auch wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringen könnte. Der Schulnetzplan der Stadt sieht vor, dass eine Klassengröße von 23 Schülern angestrebt wird. In der Realität beträgt die durchschnittliche Klassengröße jedoch nur 21,5 Schüler. Dieses Missverhältnis führt zu höheren Betriebskosten und einem steigenden Bedarf an Lehrkräften – in einem Bundesland, das ohnehin mit einem Lehrermangel kämpft. Die Prüfer schlagen vor, die Anzahl der Schulstandorte zu reduzieren und stattdessen verstärkt auf Campus-Standorte zu setzen.

Jedoch könnte ein solcher Schritt auch dazu führen, dass viele Schüler längere Wege zu ihren Schulen zurücklegen müssen. Die Stadtverwaltung hat bereits im Prüfverfahren auf diese Bedenken reagiert und betont, dass es zwar einige freie Plätze in den Jahrgangsklassen gebe, diese jedoch nicht ausreichten, um überfüllte Klassen in anderen Jahrgängen zu entlasten. Ein Verzicht auf die beiden Gemeinschaftsschulstandorte „Wenigenjena“ und „An der Trießnitz“ würde bedeuten, dass mehr als 1200 Schüler auf andere, oft weit entfernt liegende Schulen verteilt werden müssten.

Jürgen Häkanson-Hall, der Vorsitzende des städtischen Rechnungsprüfungsausschusses, sieht den Bericht als wertvollen Diskussionsstoff. Jena ist bekannt für seine pluralistische und vielfältige Schullandschaft, doch diese Vielfalt hat offenbar zur Folge, dass die Auslastung der verschiedenen Schulformen nicht gleichmäßig verteilt ist. Der Rechnungshof kritisiert zudem, dass der Stadtrat seiner Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Schulstandorte nicht ausreichend nachgekommen ist.

Ein weiterer Kritikpunkt des Rechnungshofs betrifft den Neubau der Ernst-Abbe-Bibliothek sowie des Bürgerservices am Engelplatz. Die Prüfer stellen fest, dass dem Stadtrat bei seinem Beschluss im Jahr 2016 nicht alle finanziellen Konsequenzen bekannt waren. Eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung, die auch die Möglichkeit des Verbleibs der Bibliothek im Volkshaus sowie des Bürgeramtes am Löbdergraben berücksichtigt hätte, sei versäumt worden. Laut den Prüfern hätte der Stadtrat damit gegen seine Sorgfaltspflichten gemäß der Thüringer Kommunalordnung verstoßen. Zudem sei der städtische Eigenbetrieb nicht in der Lage gewesen, seine satzungsgemäßen Aufgaben angemessen zu erfüllen.

Um den Herausforderungen in der Jenaer Schullandschaft und den Neubauprojekten gerecht zu werden, sind Stadtrat, Verwaltung und die Kommunale Infrastruktur Jena (KIJ) gefordert, eine umfassende Aufgabenkritik durchzuführen. Diese soll dazu dienen, die zukünftigen Handlungen und Strategien zu überdenken und den aktuellen Herausforderungen besser gerecht zu werden.

Ein weiterer zentraler Punkt der Prüfung war die komplexe Abrechnung von Bauleistungen beim Schulbauprojekt an der Trießnitz. Hierbei wurden Ausgaben in Höhe von 130.000 Euro für Nachtragsleistungen bei Rohbau und Trockenbau festgestellt, die vertraglich nicht begründet waren. Dies könnte dazu führen, dass diese Kosten nicht an die Baufirmen gezahlt werden dürfen. Die Stadtverwaltung sieht dies jedoch anders und argumentiert, dass es sich bei diesen Kosten um Teuerungszuschläge handelt, die durch Materialpreiserhöhungen sowie Bauzeitverlängerungen aufgrund des Ukrainekriegs und der Coronapandemie entstanden sind. Der Rechnungshof hingegen bemängelt, dass die damaligen gesellschaftlichen Bedingungen in der Beurteilung unberücksichtigt blieben.

Letztlich hat Jürgen Häkanson-Hall, der Chefrechnungsprüfer des Stadtrates, betont, dass eine stetige Verbesserung der Bedingungen angestrebt werden müsse. Er fügt hinzu, dass die genannten Summen im Kontext der Gesamtkosten betrachtet werden sollten. In den Medien war zuletzt von rund 23 Millionen Euro für das Projekt „An der Trießnitz“ die Rede. Der Prüfbericht und die daraus resultierenden Diskussionen werden die zukünftige Ausrichtung der Jenaer Schullandschaft sowie der städtischen Neubauprojekte maßgeblich beeinflussen.

Redakteur/Autor/Chronist: Arne Petrich

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