In den 1960er Jahren war die DDR stark damit beschäftigt, sich ideologisch und kulturell gegenüber der Bundesrepublik Deutschland abzugrenzen. Der Kalte Krieg prägte das gesellschaftliche und politische Klima, und die filmische Propaganda spielte eine zentrale Rolle dabei, die sozialistische Ideologie der SED zu verbreiten. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist der 1961 veröffentlichte Film Der Erzfeind. Dieser Streifen, der unter der Regie von Martin Hellberg entstand, war ein typisches Propaganda-Werk, das sich den Kampf der Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten zum zentralen Thema machte. In diesem Kontext wurde der Film genutzt, um Feindbilder zu schärfen und den sozialistischen Heldenmythos zu festigen.
Inhalt und Handlung des Films
Der Erzfeind erzählt die Geschichte von Friedrich Ludwig Jahn, einer der Schlüsselfiguren der deutschen Turnbewegung im 19. Jahrhundert. Der Film nutzt die historische Figur Jahn, um die Themen des Klassenkampfes und der kapitalistischen Unterdrückung zu thematisieren. Die zentrale Handlung des Films dreht sich um den Widerstand gegen die feudalen und kapitalistischen Eliten des frühen 19. Jahrhunderts und die Befreiung der Arbeiterklasse.
Der Film ist in seinem Aufbau typisch für die DDR-Propaganda jener Zeit: Er konstruiert ein einfaches, binäres Weltbild, in dem die kapitalistischen Kräfte als Unterdrücker und Feinde der Arbeiterklasse dargestellt werden, während die sozialistisch gesinnten Helden den Mut haben, gegen die Ungerechtigkeit zu kämpfen. In Der Erzfeind werden diese beiden Pole klar durch die Protagonisten und Antagonisten definiert. Die Helden des Films sind die Arbeiter und Bauern, die gegen die herrschenden Klassen aufbegehren, während die Kapitalisten als unmoralische und habgierige Feinde dargestellt werden.
Durch diese vereinfachte Darstellung eines Gut-Böse-Schemas konnte der Film das ideologische Ziel der SED leicht transportieren. Die Rolle des Films war nicht, historische Genauigkeit zu wahren, sondern das Publikum emotional und intellektuell zu beeinflussen. Dabei spielte Der Erzfeind gezielt mit der symbolischen Überhöhung seiner Figuren, um das Narrativ des sozialistischen Kampfes zu fördern.
Politische Botschaft und Propaganda
Die Botschaft von Der Erzfeind ist eindeutig: Der Feind der Arbeiterklasse ist der Kapitalismus, und es ist die Pflicht eines jeden Menschen, sich gegen diese Form der Unterdrückung zu erheben. Der Film diente dazu, das Bild des „Erzfeindes“ – des Kapitalisten und westlichen Imperialisten – zu festigen. Diese Propaganda war im Einklang mit der SED-Ideologie, die den Kapitalismus als Quelle allen Übels und den Sozialismus als einzigen Weg zur Befreiung und Gerechtigkeit ansah.
Im Kontext der 1960er Jahre war die DDR darauf bedacht, ihre Bürger zu einem kritischen Bewusstsein gegenüber dem Westen zu erziehen. Der Mauerbau 1961 markierte eine Zeit, in der die Abgrenzung zur BRD auf allen Ebenen intensiviert wurde. Der Erzfeind passte perfekt in diese Zeit der verstärkten ideologischen Kontrolle und Propaganda. Er stellte den historischen Klassenkampf als Vorläufer der aktuellen Auseinandersetzungen dar und vermittelte, dass der Kampf gegen den Kapitalismus ein zeitloses, unabgeschlossenes Projekt sei.
Darüber hinaus sollten Filme wie Der Erzfeind die Zuschauer in ihrer sozialistischen Identität bestärken und ihnen zeigen, dass sie Teil einer historischen Mission sind. Die ideologische Botschaft war klar: Die DDR war der legitime Erbe der deutschen Freiheitskämpfer, die sich seit Jahrhunderten gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung gewehrt hatten.
Stilistische Mittel der Propaganda
Auf der stilistischen Ebene nutzt Der Erzfeind eine Vielzahl von propagandistischen Techniken, um seine Botschaft zu vermitteln. Die Charakterisierung der Figuren ist stark schwarz-weiß gezeichnet, und es gibt wenig Raum für Ambivalenzen oder komplexe moralische Entscheidungen. Der Kapitalist wird als gierig, unmoralisch und letztlich niederträchtig dargestellt, während die sozialistischen Kämpfer als mutig, gerecht und moralisch überlegen erscheinen.
Ein weiteres typisches Stilmittel, das in der DDR-Filmpropaganda oft zum Einsatz kam, war die Überhöhung des Kollektivs gegenüber dem Individuum. Auch in Der Erzfeind liegt der Fokus auf der Gemeinschaft der Arbeiter, die zusammen gegen ihre Ausbeuter kämpfen. Der Held des Films ist nicht eine Einzelperson, sondern das Kollektiv der Unterdrückten, das sich solidarisch zur Wehr setzt.
Zusätzlich setzt der Film auf eine stark dramatisierte Bildsprache, die den Konflikt zwischen den Klassen visuell unterstreicht. Die Szenen, in denen die Arbeiter gegen die Kapitalisten kämpfen, sind voller Kontraste: Dunkle, bedrohliche Bilder symbolisieren die Macht und Brutalität der Kapitalisten, während helle und hoffnungsvolle Bilder das Leben und die Solidarität der Arbeiter darstellen. Diese Visualisierung des Klassenkampfes zieht sich durch den gesamten Film und verstärkt die ideologische Botschaft auf emotionaler Ebene.
Historischer Kontext und Bedeutung für die DDR
Der Erzfeind entstand in einer Zeit, in der die DDR nach innen ihre sozialistische Identität festigen wollte und nach außen in ständiger Konfrontation mit dem Westen stand. Der Kalte Krieg war nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle Auseinandersetzung. Filme waren ein wichtiges Mittel der ideologischen Beeinflussung und der Bildung einer sozialistischen Identität. Der Erzfeind zeigt exemplarisch, wie die DDR versuchte, historische Figuren und Ereignisse für ihre Propaganda zu instrumentalisieren.
Der Film erfüllte in der DDR eine doppelte Funktion: Einerseits sollte er das Publikum emotional mobilisieren und die Solidarität innerhalb der sozialistischen Gesellschaft stärken. Andererseits diente er der ideologischen Erziehung, indem er den Klassenkampf und den Sozialismus als moralische Notwendigkeit darstellte. Die historische Genauigkeit oder die Komplexität der Charaktere war dabei zweitrangig; wichtig war, dass die einfache Botschaft des Films beim Publikum ankam.
Fazit: Der Erzfeind als klassischer Propaganda-Film
Der Erzfeind ist ein typisches Beispiel für die Propagandafilme der DDR in den 1960er Jahren. Er nutzt die Mittel des Kinos, um ein stark vereinfachtes Weltbild zu zeichnen, in dem die kapitalistischen Feinde der Arbeiterklasse als „Erzfeinde“ der Menschlichkeit dargestellt werden. Der Film unterstreicht die ideologischen Ziele der SED, indem er historische Figuren und Ereignisse zur Festigung des sozialistischen Narrativs instrumentalisiert.
Seine Bedeutung liegt weniger in der künstlerischen Qualität, sondern vielmehr in seiner Rolle als ideologisches Werkzeug der SED. Der Erzfeind zeigt eindrücklich, wie die DDR-Kulturpolitik Filme nutzte, um die Bevölkerung zu formen und ihre politische Loyalität zu festigen. So bleibt der Film ein Beispiel für die Kraft der Propaganda in einer Gesellschaft, die stark von ideologischen Auseinandersetzungen geprägt war.