Eisenhüttenstadt 1967: Die geplante Stadt der sozialistischen Stahlträume

Eisenhüttenstadt - Neue Stadt an der Oder (Dokumentation, 1967)

Eisenhüttenstadt, ursprünglich als Stalinstadt gegründet, ist ein markantes Beispiel für die sozialistische Planwirtschaft und den Aufbau einer Stadt aus der Retorte in der DDR. Die Stadt entstand als direkte Folge des Beschlusses des 3. Parteitages der SED 1950, die DDR von westdeutscher Rohstoffabhängigkeit zu befreien und eine eigene Stahl- und Eisenproduktion aufzubauen. Als Standort für das Eisenhüttenkombinat Ost, dem Herzstück der Stadt, wurde ein ehemaliges Heidegebiet an der Oder und am Oder-Spree-Kanal gewählt, strategisch angebunden an Eisenbahnstrecken, um den Transport der benötigten Rohstoffe zu gewährleisten.

Da die DDR über keine eigenen nennenswerten Rohstoffquellen verfügte, erfolgte die Versorgung mit Erz aus den sozialistischen Bruderländern, vor allem aus der Sowjetunion und Polen. Dies führte zu hohen Transportkosten und machte die Produktion vergleichsweise teuer, doch war das Werk dennoch ein Prestigeprojekt der DDR und ein politischer Standort von großer Bedeutung.

Die Stadt Eisenhüttenstadt symbolisierte den Fortschritt und die „neue sozialistische Gesellschaftsordnung“. Sie sollte nicht nur ein Zentrum der Stahlproduktion, sondern auch ein sozialistisches Wohn- und Lebensmodell darstellen. Hier wurden moderne Wohnungen mit hohem Komfort gebaut, die für viele Arbeiter und ihre Familien attraktiv waren. Günstige Mieten, höhere Löhne und Anreize wie die Arbeiterwohngenossenschaften (AWG) zogen zahlreiche junge Familien an, was zu einem starken Bevölkerungswachstum führte. Eisenhüttenstadt wurde so zu einer Stadt mit vielen jungen Menschen und Kindern.

Die Architektur der Stadt entsprach dem monumentalen Stil der stalinistischen Ära, mit zentralen Gebäuden wie der Poliklinik und dem Krankenhaus, die im Aufbauplan der Stadt klar definiert wurden. Auch das gesellschaftliche Leben war streng nach den Prinzipien der sozialistischen Gesellschaft organisiert. Kulturhäuser, Clubs und das soziale Engagement durch Organisationen wie die FDJ prägten den Alltag.

Doch trotz des wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs blieb Eisenhüttenstadt immer abhängig von den Rohstofflieferungen der Sowjetunion und Polens. Die Stadt, ohne eigene Rohstoffbasis, symbolisierte einerseits den industriellen Fortschritt der DDR, andererseits aber auch ihre Abhängigkeit von der sozialistischen Welt.

Redakteur/Autor/Chronist: Arne Petrich

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