Der Bau der „Druschba“-Erdgastrasse in den 1970er und 1980er Jahren gilt als eines der größten Infrastrukturprojekte des Ostblocks, an dem Tausende DDR-Bürger in der Sowjetunion beteiligt waren. Das Projekt war nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch geopolitisch von hoher Relevanz. Das als „Freundschafts-Trasse“ bekannte Bauwerk entstand vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und basierte auf einer komplexen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Ost und West. Während die DDR-Propaganda das Projekt primär als ideologisches Gemeinschaftswerk darstellte, waren die realen Hintergründe von pragmatischen ökonomischen Interessen geprägt.
Die Grundlage für den Bau bildete das sogenannte „Erdgas-Röhren-Geschäft“. Dieses Abkommen sah einen trilateralen Austausch vor, bei dem die Bundesrepublik Deutschland und andere westliche Staaten Großrohre und Kredite lieferten, die Sowjetunion die Erdgasreserven zur Verfügung stellte und die DDR sich mit Arbeitskräften sowie technischer Ausrüstung am Bau der Infrastruktur beteiligte. Für die DDR-Führung war diese Beteiligung wirtschaftlich notwendig, da die heimische Braunkohle den steigenden Energiebedarf der Industrie nicht mehr decken konnte und das Land somit auf sowjetische Erdgaslieferungen angewiesen war. Die Bereitstellung von Arbeitskräften diente dabei als Gegenleistung für die Rohstoffimporte.
Die Rekrutierung der Arbeitskräfte erfolgte offiziell über die Freie Deutsche Jugend (FDJ) im Rahmen eines „Zentralen Jugendobjekts“, wobei die Motivation der meist jungen Arbeiter häufig weniger auf ideologischer Überzeugung als auf materiellen Anreizen basierte. Die Arbeit an der Trasse war körperlich fordernd, mit Schichten von oft zehn bis zwölf Stunden bei extremen klimatischen Bedingungen, die von Temperaturen bis minus 30 Grad im Winter bis zu großer Hitze im Sommer reichten. Im Gegenzug bot der Staat Vergünstigungen, die in der DDR sonst schwer erreichbar waren. Dazu zählten eine überdurchschnittliche Entlohnung weit über dem DDR-Durchschnitt sowie der Zugang zu sogenannten „Genex“-Waren und Rubel-Konten. Ein besonders begehrtes Privileg war der „Auto-Gutschein“: Wer sich für drei Jahre verpflichtete, erhielt bei Rückkehr das Recht auf den sofortigen Kauf eines PKW, was angesichts der regulären Wartezeiten von über einem Jahrzehnt einen erheblichen Vorteil darstellte.
Vor Ort zeigte sich oft eine Diskrepanz zwischen dem propagierten Bild einer technologisch führenden DDR und den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Infrastruktur in den abgelegenen Gebieten der Ukraine und Russlands war oft rudimentär und viele Dörfer waren nicht elektrifiziert. Auch beim Bau selbst stieß die Technik des Ostblocks an ihre Grenzen. In schwierigem Gelände kamen daher regelmäßig Baumaschinen aus dem Westen zum Einsatz, darunter Planierraupen des japanischen Herstellers Komatsu oder Transporter der westdeutschen Firma FAUN. In der offiziellen Berichterstattung der DDR wurde der Einsatz dieser westlichen Technologie in der Regel ausgeblendet.
Für die eingesetzten Arbeiter bedeutete der Aufenthalt in der Sowjetunion eine Zeit der Isolation, aber auch des kulturellen Austauschs. Die Unterbringung erfolgte meist in Wohnwagenlagern fernab der Heimat. Anfängliche Vorbehalte der lokalen Bevölkerung, die oft noch durch Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg geprägt waren, wichen im Laufe der Zeit meist pragmatischen Arbeitsbeziehungen und persönlichem Austausch. Bis heute ist die Trasse ein zentraler Bestandteil der europäischen Energieinfrastruktur. Für die beteiligten Arbeiter blieb der Bau ein prägender Lebensabschnitt, der durch die spezifische Mischung aus harter Arbeit, materiellen Privilegien und der Erfahrung des Lebens im Ausland gekennzeichnet war.