Drei unbequeme Wahrheiten über die Wende in der DDR

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Die Bilder des Herbstes ’89 prägen unser Gedächtnis: „Wir sind das Volk“ in Leipzig, Tränen der Freude, der Fall der Mauer. Doch was wirklich geschah, war komplizierter. Der evangelische Pfarrer Lothar König war mittendrin – und erzählt eine Geschichte, die kaum jemand hören will.

Lothar König (11. März 1954 in Leimbach, Kreis Nordhausen; †21. Oktober 2024 in Jena) war ein deutscher evangelischer Pfarrer, Mitglied des Neuen Forums und eine prägende Figur der DDR-Opposition. 1989/90 organisierte er in Merseburg die Montagsdemonstrationen und leitete von 1990 bis 2019 die Junge Gemeinde Jena, die zu einem wichtigen Treffpunkt für Jugendliche und politische Diskussionen in Ostdeutschland wurde.

1. Die wahren Pioniere hatten nichts mehr zu verlieren
Nicht die bekannten Oppositionellen brachten die Revolution in Gang, sagt König, sondern die Ausreiseantragsteller. Menschen, die innerlich mit der DDR abgeschlossen hatten. „Die sind zuerst auf die Straße gegangen, bevor wir überhaupt raus sind“, erinnert er sich. Jahrelang kamen sie zu den Montagsgebeten in der Leipziger Nikolaikirche, geschützt von Pfarrer Christian Führer. Ihre Verzweiflung machte sie mutig – und sie wurden zur treibenden Kraft der Bewegung.

2. Verrat und Abschiebung befeuerten den Widerstand
Ein Schlüsselmoment war die Rosa-Luxemburg-Demonstration 1988. Oppositionelle wie Bärbel Bohley wurden verhaftet und in den Westen abgeschoben – unter Mitwirkung des Anwalts Wolfgang Schnur und „mancher Kirchenleute“, wie König bitter feststellt. „Mensch, könnt er nicht mal ein halbes Jahr Knast her, andere sitzen zwanzig Jahre!“ Seine Enttäuschung sitzt tief. Doch statt die Bewegung zu bremsen, entfachte dieser Verrat neue Wut. Trotz Repression und Abschiebung waren die Montagsdemos nicht mehr zu stoppen.

3. Am Ende siegte nicht der Mut, sondern die Ohnmacht der Macht
Am 9. Oktober 1989 stand alles auf der Kippe. „Schießen sie oder schießen sie nicht?“ – diese Frage lag über Leipzig. Der Befehl kam nicht, nicht aus Menschlichkeit, sondern, wie König sagt, aus Ratlosigkeit. „Wenn Egon Krenz irgendeine Idee gehabt hätte, hätte er schießen lassen.“ Das System war am Ende, die Führung handlungsunfähig. Danach wollte niemand verantwortlich gewesen sein.

Lothar König zeigt eine andere Wende: getragen von Verzweifelten, verraten von Mitstreitern, entschieden durch die Schwäche der Mächtigen. Seine Erinnerungen kratzen am Heldenmythos – und erinnern daran, dass Geschichte selten aus Stärke, sondern oft aus Erschöpfung entsteht.