Urlaub in der DDR – Eine Reise durch die Sehnsuchtsorte im eigenen Land

Wer denkt, Urlaub in der DDR sei langweilig gewesen, der irrt gewaltig. Viele Bürger der Deutschen Demokratischen Republik warteten nicht selten bis zu zehn Jahre auf einen begehrten Ferienplatz und schwärmen noch heute von ihren Erlebnissen. Fernab von Massentourismus und westlichem Luxus prägten Gemeinschaftssinn, Naturverbundenheit und oft eine Prise Abenteuer die Urlaubslandschaft der DDR. Das Angebot war begrenzt, die Nachfrage riesig, doch die Erinnerungen sind unvergesslich.

Die Ostsee: Sehnsuchtsort und Privileg Für viele DDR-Bürger war die Ostsee das ultimative Urlaubsziel. Das Meer, die salzige Luft und das Rufen der Möwen symbolisierten Freiheit im Rahmen des Möglichen. Wer einen Ferienplatz über den FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) zugewiesen bekam, konnte sich glücklich schätzen, denn die Verteilung erfolgte fair, aber selten spontan. Besonders begehrt waren Orte wie Rügen und Usedom.

Rügen, die größte Insel Deutschlands, faszinierte mit schroffen Kreidefelsen wie dem Königsstuhl, stillen Buchten und mondänen Seebrücken wie der in Sellin. Usedom hingegen wirkte mit ihren sogenannten Kaiserbädern wie Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin fast noch eleganter und erinnerte mit ihrer verspielten Bäderarchitektur eher an westliche Kurorte. Kühlungsborn war ein weiteres Highlight, bekannt nicht nur für seinen Strand, sondern auch für die nostalgische Schmalspurbahn „Molly“. Eine Besonderheit an der Ostsee war die allgegenwärtige FKK-Kultur, die in der DDR nicht nur toleriert, sondern als Normalität empfunden wurde, besonders an abgelegenen Strandabschnitten wie auf dem Darß oder bei Prerow.

Grün, Still und Zeitlos: Die Bergregionen Wer nicht ans Meer konnte oder die Berge bevorzugte, landete oft im Thüringer Wald. Diese Region war vor allem grün, still und irgendwie zeitlos, geprägt von Fichtenluft, rauschenden Bächen und Wanderpfaden. Der Rennsteig, ein rund 170 km langer Wanderweg, war ein Klassiker unter den DDR-Wanderern. Oberhof, bekannt als das „St. Moritz des Ostens“, war das Zentrum für Wintersport und Hochleistungstraining. Doch auch im Sommer boten die kühlen, sattgrünen Wälder und klaren Luft ihren Reiz, mit Ferienlagern und Betriebsheimen versteckt in Tälern.

Besonders märchenhaft wurde es im Winter im Erzgebirge. Hier verdichteten sich Geschichte, Tradition und Heimat zu einer eigenen Welt, duftend nach Holz, Räucherkerzen und Plätzchen, besonders zur Weihnachtszeit, wenn sich das ganze Gebirge in ein Lichtermeer verwandelte. Orte wie Annaberg-Buchholz oder Seiffen waren bekannt für ihre Handwerkskunst. Doch das Erzgebirge war auch rau, seine Wurzeln lagen im Bergbau, und die alte Silberstraße lud zu Besuchen in Museen und Schaubergwerken ein. Oberwiesenthal war schon damals ein Magnet für Wintersportfans.

Der Harz und die Sächsische Schweiz boten eine Mischung aus Bewegung und Magie. Der Brocken, der höchste Berg der Region, hatte einen legendären Ruf, umwoben von Geschichten um Walpurgisnacht und Hexentanz. Die Anreise mit der dampfenden Harzer Schmalspurbahn war bereits ein Erlebnis. Die Sächsische Schweiz, ein bizarres Felsenlabyrinth entlang der Elbe, faszinierte mit schroffen Sandsteintürmen und tiefen Schluchten. Die Basteibrücke war ein Klassiker für DDR-Urlauber, und Klettern war hier Teil der Kultur, das schon Kinder lernten. In diesen Regionen gab es die typischen Ferienformen: staatliche Wanderheime, Betriebsunterkünfte und Ferienlager, die Gemeinschaft und Austausch förderten.

Stille Seen und Autolose Inseln Wer es ruhiger mochte, abseits des Touristentrubels, fuhr an die Mecklenburgische Seenplatte, einen Flickenteppich aus Seen und stillen Wasserarmen. Orte wie Waren (Müritz) standen für Urlaub, der nach Stillstand schmeckte – kein Lärm, kein Plan, nur Luft und Licht.

Ein besonderer Rückzugsort war Hiddensee, eine Insel, die man nur per Fähre erreichte und die autofrei war. Hier gab es keine Hupen oder Parkplatzsuche, stattdessen nur Fahrradreifen auf Muschelkalk, das Klappern von Bollerwagen und das Schnauben von Pferden, die Kutschen zogen. Die Unterkünfte waren einfach, doch Hiddensee war ein Ort für stille Gedanken, Künstler und Familien, die Muscheln sammelten und Burgen bauten – ohne Radio oder Fernsehen, nur Wind und Wellen.

Kultur und Metropole: Weimar und Berlin Wer Geist tanken wollte, fuhr nach Weimar. Die Stadt war kein klassischer Ferienort, doch Tausende von Schulklassen, FDJ-Gruppen und kulturinteressierten Familien besuchten sie jährlich, gefördert von der DDR. Hier schlenderten Besucher über Kopfsteinpflaster, vorbei an klassizistischen Fassaden, stellten sich Goethe und Schiller vor, besuchten das Goethehaus, das Schillerhaus und das Bauhausmuseum. Urlaub in Weimar bedeutete kein Abschalten, sondern ein „Aufschalten“, ein Nachdenken über Humanismus und Fortschritt.

Die Hauptstadt Berlin tickte anders – größer, ernster, lauter. Am Alexanderplatz fühlte man sich wie vor einem riesigen Spielplatz aus Stein. Der Fernsehturm thronte über allem und bot einen beeindruckenden Blick auf die Stadt. Die Museumsinsel mit dem Pergamonmuseum war Pflicht, und abends lockte der Palast der Republik mit Theater und Konzerten. Der Tierpark bot eine weitläufige grüne Oase mit Elefanten und Giraffen.

Ungezwungene Freiheit: Camping, Datsche und Ferienlager Nicht jeder kam im Sommer nach Rügen oder ins Erzgebirge. Eine Urlaubsform, die ganz ohne Losverfahren oder FDGB-Zuweisung auskam, war das Camping. Wer mit Trabbi, Zelt und Klappfix losfuhr, ließ den Alltag zurück und fand Gemeinschaft auf der Wiese zwischen Kiefern, Grillgeruch und Hilfsbereitschaft. Der Campingdienst der DDR organisierte offizielle Plätze, aber auch unzählige „wilde Ecken“ wurden geduldet.

Ein weiterer Traum vieler war die Datsche, ein kleines Wochenendhäuschen auf Pachtland, oft selbst gebaut. Hier wurde Gemüse gezogen, Wäsche getrocknet, und abends saß man beisammen, trank selbstgemachten Saft und diskutierte.

Für viele Kinder waren die Ferienlager die prägendsten Wochen des Jahres. Abseits der Eltern, betreut von jungen Gruppenleitern, gab es feste Programme aus Frühsport, Basteln, Wandern und Singen, aber auch Raum für erste Verliebtheiten und Abenteuer. Die Unterkünfte waren einfach, aber die Gemeinschaft war stets ein Erlebnis.

Diese Urlaubsformen – Camping, Datsche, Ferienlager – waren vielleicht nicht spektakulär, aber jeder konnte teilhaben und sie mitgestalten. Sie waren keine Luxusreisen, sondern Erlebnisse von Gemeinschaft, Natur und der Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen. Erinnerungen daran sind für viele bis heute unvergesslich und tief im Gedächtnis eingebrannt.