Die Geister der „Weißen Stelle“ – Eine Erkundung im ehemaligen Stasi-Gefängnis

Im Osten Berlins, mitten in einem Wohngebiet, steht ein Koloss, der einst zu den bestgehüteten Geheimnissen der DDR zählte: Das Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen. Offiziell existierte dieser Ort nicht – auf keinem Stadtplan der DDR war er eingezeichnet, stattdessen nur ein weißer Fleck. Heute ist Hohenschönhausen eine Gedenkstätte und offen für Besucher, doch eine Erkundungstour in seinen Mauern bleibt eine Grenzerfahrung, ein tiefes Eintauchen in eines der dunkelsten Kapitel deutsch-deutscher Geschichte.

Das Gelände wurde 1951 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) von der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen und zu einer Stasi-Hochburg ausgebaut. Rund um das Gefängnis befanden sich Stasi-Behörden, Mitarbeiter wohnten sogar in unmittelbarer Nähe. Für alle anderen war das Gebiet Sperrzone. Bis zur Wende saßen hier über 10.000 Menschen ein – darunter Schriftsteller, Andersdenkende, Künstler, Politiker. Ihnen wurde Regimekritik oder geplante Republikflucht vorgeworfen. Die DDR schloss ihre eigenen Bürger nach dem Mauerbau 1961 ein, offiziell zum Schutz vor „schädlichen Einflüssen aus dem Westen“. Die Stasi, die Geheimpolizei der DDR, setzte alles daran, die Diktatur zu stützen und jeglichen politischen Widerstand zu zersetzen. Das Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen spielte dabei eine Schlüsselrolle.

Totale Isolation und Psychoterror als Methode
Eine der wichtigsten Stasi-Methoden war die totale Isolation der Gefangenen. Schon die Sowjets nutzten ein unterirdisches Verlies, das sogenannte „U-Boot“. Hier saßen Gefangene monatelang in Einzelhaft, abgeschnitten von der Außenwelt. Spätere Zellen waren zwar nicht unterirdisch, aber ebenfalls auf maximale Desorientierung ausgelegt. Die Zellen waren klein – zum Beispiel zwei Quadratmeter groß – hatten keine Fenster (oder nur solche mit dickem Ziegelglas) und es brannte ständig Licht. Das Ziel: Die Gefangenen sollten jedes Zeitgefühl und jede Orientierung verlieren.

In den Zellen herrschte absolute Stille. Sprechen, Singen oder Pfeifen war verboten. Kontakt zu anderen Gefangenen gab es nicht, sprechen durfte man nur mit seinem Vernehmer. Um sich abzulenken, versuchten Gefangene wie Arno Treffke, der 1953 als 19-Jähriger festgenommen wurde, sich Worte auf die Handfläche zu schreiben, da es keine Bücher, Zeitungen oder Schreibutensilien gab. Selbst kleinste private Gegenstände waren in den Zellen verboten.

Neben der physischen Isolation setzte die Stasi auf systematischen Psychoterror. Arno Treffke erlebte eine Tortur aus Schlafentzug, Hunger und stundenlangen Verhören. Besonders zermürbend waren oft die kleinen, täglichen Schikanen. Schließer trugen Hausschuhe mit Filzsohlen, waren also absolut nicht zu hören, wenn sie Gefangene beobachteten. Wenn sie weggingen, schauten sie aber bewusst mit der Klappe am Guckloch, um den Gefangenen alle acht bis zehn Minuten zu signalisieren: „Jetzt wirst du kontrolliert“, um dies „einzuhämmern“.

Die Vernehmer spielten eine Schlüsselrolle. Jörg Kirschner, 1979 wegen Buchschmuggels verhaftet, erlebte in Hohenschönhausen sechs Monate Verhörterror. Die Vernehmer waren psychologisch geschult und setzten bewusst auf Zermürbung. Sie nutzten den anfänglichen „Haftschock“ für tägliche Verhöre und wechselten zwischen großer Freundlichkeit und ätzender Widerwärtigkeit. Auch das bewusste Vorenthalten von Briefen, wie es Kirschner erlebte, diente dazu, Gefangene mürbe zu machen.

Um Begegnungen zwischen Häftlingen zu verhindern, gab es auf den Fluren ein Ampelsystem. Wenn ein Gefangener zum Verhör gebracht wurde, wurde dies durch eine Lampe signalisiert, damit andere Insassen in ihren Zellen blieben. In den 1960er Jahren wurden Häftlinge teilweise auch zu zweit untergebracht – ein bewusster Trick der Stasi, damit sie sich gegenseitig aushorchten.

Arbeit und letzte Maßnahmen
Ab den 1980er Jahren diente Hohenschönhausen nicht nur als Untersuchungsgefängnis, hier saßen Gefangene auch ihre Haftstrafe ab. Sie mussten arbeiten; weibliche Häftlinge etwa in der Großküche, um das Essen für die anderen zuzubereiten. Essen wurde nicht in einem Speisesaal, sondern streng isoliert in Töpfen zu den Zellen gebracht.

Wer trotz aller Methoden widerständig blieb, landete in der Gummizelle im Keller – eine letzte Maßnahme, um auch die Unbeugsamen zu brechen. Diese Zelle war mit Gummi ausgepolstert, komplett schallisoliert und hatte keine gute Luft. Nach einer Woche hier, so die Annahme, sei man sicher zu jeder Aussage bereit, nur um herauszukommen.

Spuren des Widerstands und eine Parallelwelt
Trotz der drakonischen Bedingungen suchten Gefangene nach Wegen, Widerstand zu leisten oder ihre Menschlichkeit zu bewahren. Im ersten Stock befand sich eine Bibliothek – Zugang dazu war eine Vergünstigung für Kooperation. Beim genauen Hinsehen wurden Markierungen in den Büchern gefunden: unterstrichene Wörter wie „Unfreiheit“, „zahlt“, „Freiheit“. Ob dies stummer Protest, ein geheimer Code oder einfach ein Versuch war, durch Worte Trost zu finden, weiß bis heute niemand. Auf den Zellwänden ritzten Gefangene auch Markierungen ein, um die Zeit zu dokumentieren.

Schockierend erscheint die „Parallelwelt“ der Stasi-Mitarbeiter. In unmittelbarer Nähe des Foltertrakts, nahe dem „U-Boot“, befand sich ein Trakt für die Wärter und Vernehmer. Hier gab es eine Sauna und sogar ein Schwimmbecken, wo sie sich nach Dienstschluss entspannten. Die Vernehmer hatten in ihrem Trakt über 120 Verhörräume, die immer bereitstehen mussten, falls ein Häftling ein Geständnis ablegen wollte.

Das Erbe von Hohenschönhausen
Arno Treffke hielt den Psychoterror fünf Monate lang aus, bevor er ein Geständnis unterschrieb. Er bekam lebenslänglich wegen angeblicher Spionage, kam nach 10 Jahren frei – unter der Bedingung absoluten Stillschweigens. Aus Angst vor dem Psychoterror hielt er sich 25 Jahre daran; selbst seine Familie erfuhr erst nach der Wende von seiner Geschichte. Jörg Kirschner wurde nach zwei Jahren Haft von der Bundesregierung freigekauft.

Die Desorientierung der Gefangenen hatte System. Angehörige und Freunde hielten die Verschwundenen oft für tot. Selbst die Gefangenen wussten nicht, wo sie sich befanden. Die Ankunft war oft der erste Schock: Verdächtige wurden in fensterlosen Transportern, fahrenden Gefängniszellen, nach Hohenschönhausen gebracht, eingepfercht in winzigen Zellen. Die Neonbeleuchtung beim Ankommen war extrem hell, um gleich einen Schock auszulösen. Einmal im Gefängnis, hatte die Stasi sie rund um die Uhr im Blick. Im Kontrollraum, der Schaltzentrale, liefen die Kameras und Kontrolllampen zusammen.

Heute ist das ehemalige Stasi-Gefängnis eine Gedenkstätte mit 400.000 Besuchern pro Jahr. Es ist ein stummer Zeitzeuge düsterer Jahre. Die Erkundung zeigt, wie perfide das Überwachungssystem der Stasi war und welch psychische Qualen die Isolation bedeutete. Jeder, der in der DDR anders war – sei es durch Musikgeschmack, Bücherwahl oder einfach durch seine Meinung – konnte ins Visier der Stasi geraten und in Hohenschönhausen landen. Die Gedenkstätte sorgt dafür, dass diese Geschichte nicht vergessen wird. Das Wissen, dass die Stasi und die DDR nicht mehr existieren, ist dabei ein buchstäblich befreiendes Gefühl.

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Der Riss durch die Erinnerung: Wenn Ostalgie auf Trauma trifft

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Suchttransformation in den neuen Bundesländern nach 1990

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Der hohe Preis des Protests: Ein Kassensturz für Ostdeutschland

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Generation Gleichschritt: Ein Ostdeutscher rechnet mit der westlichen Moral-Elite ab

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Der letzte bürokratische Rettungsversuch der Staatssicherheit

Journalistischer Text: MASTER-PROMPT Teaser Seite Planungen für den neuen Geheimdienst Ich betrachte diese kurze Notiz vom Dezember 1989 und sehe das Bild von Funktionären vor mir, die inmitten des politischen Sturms noch immer an die Macht der Verwaltung glaubten. Es wirkt fast gespenstisch, wie routiniert über die "Arbeitsfähigkeit" neuer Dienste debattiert wurde, während das Fundament des Staates bereits unaufhaltsam wegbrach. Die Reform sollte das Überleben sichern. Journalistischer Text - Seite Das Ende der Staatssicherheit Am 21. Dezember 1989 meldete der ADN, dass Experten aus Berlin und den Bezirken die Aufteilung des Sicherheitsapparates in einen Verfassungsschutz und einen Nachrichtendienst vorbereiteten. Die Regierung Modrow versuchte mit diesem Schritt, die Strukturen des ehemaligen MfS durch eine organisatorische Trennung in die neue Zeit zu retten und die Dienste schnellstmöglich arbeitsfähig zu machen. Dieses Expertentreffen markierte einen letzten bürokratischen Rettungsversuch in der Endphase der DDR. Die administrative Planung stand jedoch im scharfen Kontrast zur gesellschaftlichen Realität, da der Druck der Bürgerbewegung und des Runden Tisches bereits auf eine vollständige Auflösung aller geheimpolizeilichen Strukturen hinwirkte und die Pläne bald obsolet machte.

Bärbel Bohley und die Entstehung der Opposition in der DDR

Journalistischer Text - Seite (Teaser) Die Entscheidung zur Rückkehr in ein geschlossenes System Ein schmuckloses Dokument und der Wille einer einzelnen Frau standen gegen den Apparat eines ganzen Staates. Ich betrachte diesen Lebensweg und sehe, wie Bärbel Bohley im August 1988 eine Entscheidung traf, die für viele Außenstehende kaum nachvollziehbar war. Anstatt im sicheren Westen zu bleiben, kehrte sie in die DDR zurück, wohlwissend, dass dort erneute Überwachung und Gängelung auf sie warteten. Diese individuelle Haltung, im Land zu bleiben, um es zu verändern, erscheint mir als der eigentliche Kern des späteren Umbruchs. Es fällt auf, dass die Gründung des Neuen Forums im Herbst 1989 kein spontaner Akt war, sondern die Folge dieser beharrlichen Vorarbeit. Wenn ich auf den 9. November blicke, sehe ich nicht nur die jubelnde Masse an der Grenze, sondern auch die Pressekonferenz in einem Hinterhof, bei der Bohley die Legalität der Opposition verkündete. Es waren diese kleinen, fast unsichtbaren Momente der Organisation, die das Fundament für die friedliche Revolution legten.

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Egon Krenz und die Legende vom verratenen Staat

MASTER-PROMPT HOOK - Profil Egon Krenz und die Deutung der Geschichte Ein älterer Herr im dunklen Anzug tritt ans Mikrofon, die Hände fest am Pult, der Blick fest in den Saal gerichtet, wo Menschen sitzen, die auf ein bestätigendes Wort warten. Er spricht von 1989, von Entscheidungen im Zentralkomitee und von einer Ordnung, die seiner Meinung nach nicht von innen zerbrach, sondern von außen zerstört wurde. MASTER-PROMPT Teaser JP (Reflective) Erinnerung an den Herbst 1989 Wenn ich die Stimme von Egon Krenz heute höre, vermischen sich die Bilder des aktuellen Auftritts mit den verblassten Fernsehaufnahmen jenes Abends im November vor vielen Jahren. Damals herrschte eine Ungewissheit, die sich in den Gesichtern meiner Eltern spiegelte, während auf dem Bildschirm Weltgeschichte geschrieben wurde. Egon Krenz spricht auf dem "Nationalen Denkfest" über seine Sicht auf die Wende, verteidigt die Rolle der Sicherheitsorgane und zieht Parallelen zur heutigen Russlandpolitik, die mich irritieren. Für mich klingt das nicht nach der Befreiung, die ich damals als Kind in der Euphorie der Erwachsenen zu spüren glaubte. MASTER-PROMPT Teaser Coolis (Neutral) Egon Krenz äußert sich zur DDR-Geschichte Der ehemalige SED-Generalsekretär Egon Krenz hat auf dem "Nationalen Denkfest" eine Rede zur Geschichte der DDR und den Ereignissen von 1989 gehalten. Vor dem Publikum verteidigte er die politischen Entscheidungen der damaligen Führung und wies die Verantwortung für den Zusammenbruch des Staates externen Faktoren zu. Krenz thematisierte in seinem Vortrag auch den aktuellen Konflikt in der Ukraine und kritisierte die Rolle der NATO, wobei er für eine Annäherung an Russland plädierte. Er betonte die seiner Ansicht nach friedenssichernde Funktion der DDR-Sicherheitskräfte während der friedlichen Revolution im November 1989.

Sahra Wagenknecht: Die Rückkehr geglaubter Vergangenheiten

Journalistischer Text - Profil Sahra Wagenknecht über das Déjà-vu der Unfreiheit Ein Gefühl der Beklemmung macht sich breit, wenn man beobachtet, wie schnell abweichende Haltungen heute nicht mehr diskutiert, sondern sanktioniert werden. Es ist, als ob ein alter Film erneut abgespielt wird, dessen Handlung man eigentlich im Archiv der Geschichte wähnte. Manche erleben diese Tage mit einem bitteren Gefühl der Wiedererkennung, das tief im kollektiven Gedächtnis verankert ist. Es sind jene, die wissen, wie es sich anfühlt, wenn der Staat definiert, was Wahrheit ist, und wenn Kritik an der Regierung als Angriff auf das Staatswohl uminterpretiert wird. Die Rede ist von einer schleichenden Rückkehr autoritärer Muster, bei denen Hausdurchsuchungen wegen Online-Postings und die soziale Ächtung von Andersdenkenden wieder zum Repertoire gehören. Die Sorge ist groß, dass der liberale Diskurs, in dem auch die unbequeme Meinung ihren Platz hat, einer neuen Konformität weicht. Wenn politische Gegner nicht mehr inhaltlich gestellt, sondern moralisch delegitimiert oder juristisch behindert werden, verliert die Demokratie ihre Substanz. Es entsteht eine Gesellschaft, in der die Angst vor dem falschen Wort wieder das Handeln bestimmt. Journalistischer Text - Seite Sahra Wagenknecht sieht Schatten über dem Diskurs Die Mechanismen der Ausgrenzung funktionieren oft lautlos, bis sie einen selbst treffen und die Grenzen des Sagbaren verschieben. Es beginnt nicht mit Verboten, sondern mit einer Atmosphäre, in der der Preis für die eigene Meinung plötzlich zu hoch erscheint. Viele blicken mit Sorge auf eine Entwicklung, in der staatliche Stellen und mediale Öffentlichkeit Hand in Hand zu gehen scheinen, um einen engen Meinungskorridor zu zementieren. Die historische Sensibilität für solche Prozesse ist gerade dort hoch, wo man Erfahrung mit Systembrüchen hat. Wenn der Schutz der Demokratie als Argument dient, um demokratische Rechte wie die Meinungsfreiheit einzuschränken, befindet sich das Gemeinwesen auf einer abschüssigen Bahn.

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