Das Ministerium für Staatssicherheit: Schild und Schwert der SED und „Meister der Angst“

Die DDR ist Geschichte, doch ihr Überwachungsapparat, das Ministerium für Staatssicherheit – kurz Stasi genannt – wirft bis heute lange Schatten. Während der Existenz der Deutschen Demokratischen Republik war wenig über die genauen Arbeitsweisen dieser Geheimpolizei bekannt, doch nach dem Fall der Mauer offenbarte sich das volle Ausmaß ihrer Tätigkeit. Bei der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin entdeckten Bürgerrechtler und Bürger Berge von Akten: 111 Regalkilometer Schriftstücke, über 30.000 Video- und Audio-Dokumente sowie rund 41 Millionen Karteikarten zeugen von der beispiellosen Überwachung.

Die Stasi agierte als mächtiges Werkzeug der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und wurde daher auch als das „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnet. Ihr oberster Auftrag war es, über alles Bescheid zu wissen, denn die Devise lautete: „Wissen ist Kontrolle, Kontrolle ist Macht“. Das MfS hatte die Aufgabe, Gegner der Parteidiktatur zu überwachen und zu bekämpfen – oder zumindest diejenigen, die sie dafür hielten. Dies betraf politisch auffällige Bürger, Oppositionsgruppen, aber auch eigene Parteimitglieder und staatliche Behörden wurden kontrolliert.

Das Ziel war klar: Jede Herausforderung des SED-Führungsanspruchs sollte bereits im Keim erstickt werden. Wer einmal unter Verdacht geriet, wurde gnadenlos unter die Lupe genommen. Eine Familie, die einen Ausreiseantrag stellte, erlebte beispielsweise, wie sie von morgens bis abends bespitzelt wurde, wobei immer dasselbe Auto hinter oder vor ihnen fuhr – ein deutliches Zeichen der Überwachung im Rahmen eines sogenannten operativen Vorgangs.

Die Stasi verfügte über ein riesiges Netzwerk an Mitarbeitern. Neben über 90.000 hauptamtlichen Kräften, was statistisch einem Mitarbeiter auf 180 DDR-Bürger entsprach (ein im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoher Wert), gab es eine weitaus größere Zahl inoffizieller Mitarbeiter (IM). Zuletzt waren dies rund 100.000 Personen, die eine schriftliche, konspirative Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit der Stasi getroffen hatten. Die Rekrutierung erfolgte nicht immer freiwillig; neben versprochenen Karrierevorteilen und Geldzahlungen spielte auch Erpressung eine Rolle. IMs konnten Nachbarn sein, wie im Fall der bespitzelten Familie, von denen einer bekanntermaßen bei der Staatssicherheit arbeitete und sogar unbemerkt die Wohnung betrat.

Der Überwachungsgrad war extrem hoch. Das MfS baute die Staatssicherheit flächendeckend aus und steigerte den Grad der verdeckten Überwachung. Unter dem Spitznamen „Horch und Guck“ betrieb die Stasi eine regelrechte Rundum-Überwachung. Mitarbeiter setzten Wanzen und Kameras ein, kontrollierten Post und Telefon, befragten Nachbarn und durchsuchten Wohnungen. Privatsphäre war ein Fremdwort. Die Stasi agierte dabei jenseits von Rechtsstaatlichkeit und unter Missachtung von Menschen- und Bürgerrechten.

Zu den Spezialgebieten des MfS gehörte die „operative Psychologie“, die auf die gezielte psychische Beeinflussung des Verhaltens bestimmter Personen abzielte. Die Stasi kalkulierte sogar die Wachsamkeit der Bürger ein, um sie gezielt einzuschüchtern. Die grundlegende Methode des MfS war die sogenannte „Zersetzung“. Man versuchte auf alle Fälle zu verhindern, dass sich oppositionelle Gruppen manifestieren konnten, indem man sie vereinzelt. Zudem wurden besonders aktive Mitglieder verunsichert, indem man sie in den Geruch brachte, selbst für das MfS zu arbeiten. Offene und versteckte Drohungen, oft bezogen auf die Familie und Kinder, gehörten ebenfalls zum Repertoire.

Es war nicht schwer, der Stasi aufzufallen. Eine kritische Aussage über das System, provokante Kunst, Literatur oder Musik, eine andere sexuelle Orientierung und grundsätzlich alles, was zu sehr nach westlicher Lebensweise aussah, machte die Stasi misstrauisch. Stasi-Chef Erich Mielke, der unter Erich Honecker ins Politbüro aufstieg und als „Meister der Angst“ beschrieben wird, hatte einen so großen politischen Machtrahmen, dass sich selbst Parteifreunde nicht sicher fühlten.

Die Schlagkraft des MfS reichte weit. Mielkes Männer stellten die Passkontrolleure an den Grenzübergängen, musterten Wehrpflichtige, sandten Spione in den Westen und unterstützten sogar Sportvereine wie den BFC Dynamo Berlin. Sie hatten die Macht, Einfluss auf fast alle wichtigen Lebensentscheidungen der Bürger zu nehmen.

Mit den Demonstrationen im Herbst 1989, bei denen Rufe wie „Stasi raus“ erschallten, begann das Ende des Überwachungsapparates. Günther Siegel, ein Stasi-Mitarbeiter in Mühlhausen, beschreibt die Situation Ende Oktober 1989 als äußerst beklemmend, als Demonstranten vor seiner Kreisdienststelle standen – eine Situation, die er in über 30 Dienstjahren noch nie erlebt hatte. Nach dem Mauerfall begann das MfS, Akten zu vernichten, auch die Umbenennung in „Amt für Nationale Sicherheit“ im November 1989 änderte wenig. Die Auflösung der Stasi verlief schleppend.

Der Protest der Bürgerrechtsgruppen gipfelte am 15. Januar 1990 in der Erstürmung der Berliner Stasi-Zentrale, der letzten Bastion des SED-Staates. Diese Besetzung gilt als wesentlicher Bestandteil der Bürgerrechtsbewegung und trieb die Auflösung der Staatssicherheit sowie die Schaffung eines Gesetzes zur Behandlung der Stasi-Unterlagen maßgeblich voran.

Seit 1992 können Betroffene auf Basis des Stasi-Unterlagengesetzes ihre persönlichen Akten einsehen. Millionen Menschen haben bereits von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, um die Wahrheit über die Überwachung und die Rolle von Spitzeln im eigenen Umfeld zu erfahren. Die erhaltenen Dokumente bleiben ein einzigartiges Zeugnis der Methoden und des Ausmaßes der Staatssicherheit in der DDR.

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