Am 15. April 2025 ließ Prof. Mojib Latif, oft als „Klimapapst“ bezeichnet, in einem offenen Gespräch seine alarmierenden Prognosen zur Klimaentwicklung in Europa – und damit auch in Deutschland – erneut vernehmen. Der renommierte Klimaforscher erklärt, warum gerade Europa ungewöhnlich stark erwärmt und welche Herausforderungen und Lösungsansätze sich daraus ergeben.
Schnellere Erwärmung Europas – Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren
Prof. Latif betont, dass Europa aus unterschiedlichen Gründen stärker von der globalen Erwärmung betroffen ist. Zum einen spielen geographische Gegebenheiten eine zentrale Rolle: Landflächen, wie jene Europas, heizen sich wesentlich schneller auf als die umliegenden Meeresflächen, da Wasser als Wärmespeicher nur träge reagiert. Zudem führt die rapide Erwärmung der Arktis zu spürbaren Temperaturanstiegen, vor allem in nördlichen Regionen wie Skandinavien.
Ein weiterer Beitrag zur Hitze sind veränderte Großwetterlagen. Während im Winter verstärkt Westwindlagen für vergleichsweise milde Temperaturen sorgen, dominieren im Sommer extreme Hitzewellen mit Temperaturen, die oft 30 bis über 40 Grad erreichen. Überraschenderweise spielt auch die saubere Luft in Europa eine Rolle: Mit abnehmender Aerosolbelastung, die früher einen kühlenden Effekt hatte, dringt heute mehr Sonnenstrahlung ungehindert auf den Erdboden – ein Umstand, der die Erwärmung zusätzlich befeuert.
Globale Herausforderungen und nationale Lösungsansätze
Der Klimawandel sei ein globales Problem, so Latif, bei dem der Ort der Emissionen kaum ins Gewicht falle – Entscheidend sei der weltweit ausgestoßene Treibhausgasausstoß. Deshalb könnte Deutschland zwar als Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien gelten – bereits 60 % im Stromsektor –, doch in anderen Sektoren wie dem Heizungs- und Verkehrsbereich blieben dringend notwendige Fortschritte aus.
Einen tiefgreifenden Einschnitt in der öffentlichen Wahrnehmung beschreibt der Forscher anhand historischer Krisen: Nach dem „Film der unbequemen Wahrheit“ von Al Gore, der 2007 für Aufmerksamkeit sorgte, verdrängte 2008 die Finanzkrise das Thema. Ähnliche Muster zeigten sich nach anderen nationalen und globalen Krisen, was zudem den langsamen politischen Reaktionsprozess deutlich mache.
Wechselhafte Extremwetter und die Vision der Schwammstadt
Neben der anhaltenden Erwärmung rückt auch die Zunahme extremer Wetterereignisse in den Fokus. Von heftigen Starkregenfällen, die zu verheerenden Überschwemmungen führen, bis hin zu langanhaltenden Dürreperioden – das Wetter werde immer unberechenbarer. Daraus entwickle sich das Konzept der sogenannten „Schwammstadt“. Diese Strategie sieht vor, urbanen Raum so zu gestalten, dass Regenwasser nicht direkt in die Kanalisation abfließt, sondern aufgefangen und langfristig gespeichert werden kann – ein Ansatz, der nicht nur vor Überschwemmungen schützt, sondern auch in Trockenzeiten als Ressource dient.
Der Blick in die Zukunft – Handlung ist gefragt
Prof. Latif weist eindringlich darauf hin, dass der Klimawandel keine abstrakte Ferne sei, sondern sich bereits in unserem Alltag deutlich manifestiere. Trotz vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse und zahlreicher Warnungen reagiert die Politik zu langsam, während kurzfristige Krisen immer wieder langfristige Herausforderungen überlagern. Insbesondere in Städten mangelt es bisher an umfassenden Anpassungsmaßnahmen, obwohl Beispiele aus anderen Ländern, wie die gezielte Begrünung in Spanien, verdeutlichen, wie urbanes Klimamanagement erfolgreich aussehen kann.
Ob Wissenschaftler den notwendigen Gehör finden und ob „Klimaweisen“ – vergleichbar mit Wirtschaftsweisen – in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden werden, bleibt jedoch offen. Klar ist für Latif: Ohne entschlossene, schnelle Maßnahmen und eine Neuausrichtung der politischen Prioritäten wird Europa auch in den kommenden Jahren immer stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Das Gespräch mit Prof. Mojib Latif zeigt eindrücklich, dass der Klimawandel in Europa kein Zukunftsszenario, sondern eine bereits ablaufende Realität ist. Die Erkenntnisse, die Latif präsentiert, machen deutlich, dass es einer konsequenten, global abgestimmten Anstrengung bedarf, um den Wandel aufzuhalten oder zumindest seine verheerenden Auswirkungen zu mildern. Es bleibt zu hoffen, dass Wissenschaft, Politik und Gesellschaft bald schneller und entschlossener handeln – für eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten.