In der DDR hatte der Geschichtsunterricht nicht nur die Aufgabe, historische Entwicklungen zu vermitteln, sondern auch, die marxistisch-leninistische Geschichtsauffassung zu prägen. Ein Unterrichtsfilm aus der 7. Klasse, der den Übergang von der Manufaktur zur industriellen Revolution thematisierte, zeigt eindrucksvoll, wie die DDR ihre Ideologie in die Geschichtsdarstellung einfließen ließ.
Der Film beginnt in den Manufakturen – jenen Werkstätten, in denen der Übergang zur arbeitsteiligen Produktion sichtbar wird. Die Zuschauer sehen Arbeiter, die in verschiedenen Schritten Textilien verarbeiten: vom Reinigen und Kämmen der Wolle bis zum Färben des fertigen Stoffs. In der Darstellung wird betont, dass die Aufteilung der Arbeit unter mehreren Arbeitern eine radikale Neuerung darstellte, die die Produktivität enorm steigerte. Damit folgte der Film der marxistischen Theorie, wonach die gesellschaftliche Arbeitsteilung eine entscheidende Voraussetzung für den Übergang zu einer neuen Produktionsweise war.
Der nächste Abschnitt illustriert die Entstehung der Fabriken und den Einzug der Maschinen. Dampfende Schlote symbolisieren den Wandel, während die Kamera über mechanische Webstühle und Spinnmaschinen fährt. Die entscheidende Veränderung, so der Film, sei die Übertragung der Werkzeugführung vom Menschen auf die Maschine. Besonders auffällig ist die sprachliche Gestaltung: Begriffe wie „vergegenständlichte Arbeit“ und „gesellschaftliche Produktivkraft“ sind typisch für den DDR-Geschichtsunterricht und sollten die Schüler früh an marxistische Denkweisen heranführen.
Ein zentrales Motiv ist das „Geheimnis der Maschine“: Der Film erklärt, dass jede Maschine das Produkt der vergegenständlichten Arbeit vieler Arbeiter sei – von Bergleuten, die Eisenerz fördern, bis zu Schreinern, die Holzteile fertigen. Hier zeigt sich erneut die ideologische Rahmung: Die industrielle Produktion wird als kollektives Werk dargestellt, in dem jeder Arbeiter Teil eines größeren Ganzen ist. Dies steht im Kontrast zu westlichen Darstellungen, die häufig den Erfindungsgeist einzelner Ingenieure und Unternehmer in den Vordergrund rücken.
Neben der inhaltlichen Ausrichtung fällt auch die visuelle Gestaltung auf. Die Bilder sind sachlich, oft dokumentarisch, mit ruhiger Erzählstimme und nüchternen Animationen. Emotionale Inszenierungen fehlen – es geht nicht um Einzelschicksale, sondern um die „historische Notwendigkeit“ der technischen Revolution. Der Film ordnet sich damit in das propagandistische Bildungsangebot der DDR ein, das Geschichte nicht nur erklären, sondern gezielt interpretieren wollte.
Heute bietet dieser Film ein interessantes Zeitdokument. Er zeigt, wie stark Bildung in der DDR ideologisch geprägt war und wie historische Entwicklungen stets durch das Prisma des Marxismus-Leninismus betrachtet wurden. Gleichzeitig bleibt er ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die DDR versuchte, junge Menschen auf die Arbeitswelt in einem sozialistischen System vorzubereiten – mit dem Glauben an die Überlegenheit der kollektiven Produktionsweise als zentralem Leitmotiv.