Heutzutage finden komplizierte Rechnungen in Hosentaschen oder sogar in Armbanduhren statt – kleine technische Wunderwerke, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Doch vor wenigen Jahrzehnten, in einer Welt, in der gigantische Maschinen den Takt der digitalen Entwicklung vorgaben, schrieb die DDR ihre eigene Erfolgsgeschichte. Mit dem Namen ROBOTRON begann in der DDR die digitale Revolution, und der Chemnitzer Rolf Kutschbach, der in „GMD – Das Magazin“ von der abenteuerlichen Entwicklung des „R300“ berichtete, gilt bis heute als Vater der Rechentechnik in der DDR.
Ein kolossales Unterfangen in bewegten Zeiten
Der Robotron 300, ein Großrechner, der bis zu 300 Lochkarten pro Minute verarbeiten konnte, war mehr als nur ein technisches Gerät – er war ein Symbol für den Innovationsgeist der DDR. Mit einer beeindruckenden Aufstellungsfläche von 35 Quadratmetern und einem Gewicht von 6000 Kilogramm erinnerte sein donnerndes Anfahren an den Start eines Flugzeugs. Während das Papier in alle Richtungen flog und die Lochstreifen pfeifend wie Raketen durch die Luft zischten, wurde der Beginn einer neuen Ära eingeläutet.
Die abenteuerliche Entwicklung des R300
Rolf Kutschbach, dessen Kindheitsträume vom Erfinderdasein ihn schon früh prägten, stellte sich der gewaltigen Aufgabe, eine Maschine zu entwickeln, die den internationalen Vorreitern, wie der IBM 1401, Konkurrenz machen sollte. In einer Zeit, in der fast jedes elektronische Bauteil eigenständig hergestellt werden musste – bedingt durch das von den USA initiierte Embargo der COCOM-Liste – war jeder Schritt ein technisches und logistisch-administratives Abenteuer. Überstunden waren an der Tagesordnung: Innerhalb eines Dreivierteljahres summierten sich die zusätzlichen Arbeitsstunden teils auf bis zu 350 Stunden. Doch die Herausforderungen wurden mit Entschlossenheit und technischem Geschick gemeistert.
Technische Raffinessen und heimischer Erfolg
Der Robotron 300 beeindruckte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern auch durch seine technischen Innovationen. Als einziger Rechner weltweit ermöglichte er eine Verarbeitung mit variablen Wortlängen, die gerade bei Matrizenrechnungen und der Vermeidung von Überläufen in der Gleitpunktarithmetik von entscheidender Bedeutung war. Trotz internationaler Anfragen, etwa auf der Technikausstellung in Moskau, blieb der R300 ein heimischer Erfolg – exporttechnisch wurde er von Ulbricht verboten, denn diese moderne Anlage war für die DDR bestimmt.
Von der Schwerfabrik zum Smartphone – der Wandel der Technik
Die Zeiten, in denen Großrechner ganze Räume füllten und das Arbeitsleben dominierten, sind längst vorbei. Heute werden komplexe Berechnungen von Geräten ausgeführt, die wir in der Hand halten. Doch der Pioniergeist und die Ingenieurskunst, die in der Entwicklung des Robotron 300 steckten, legten den Grundstein für die digitale Welt, in der wir heute leben. Die Geschichte des Robotron 300 ist somit nicht nur ein Kapitel der DDR-Rechentechnik, sondern auch ein Beleg dafür, wie visionäre Technologie den Weg von massiven Großrechnern hin zu den winzigen, allgegenwärtigen Computern in unseren Hosentaschen ebnete.