Im Schatten der Geschichte – Das vergessene KZ von Nohra in Thüringen

Nohra, Thüringen – Ein Ort, der heute kaum Spuren der Vergangenheit aufweist, barg einst eines der ersten Konzentrationslager des NS-Regimes. Kaum jemand spricht darüber, doch die Geschichte dieses provisorischen Lagers mahnt noch heute an die Ursprünge staatlich organisierter politischer Repression.

Der Ursprung eines düsteren Kapitels
Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 ordnete das Regime in Thüringen die massenhafte Verhaftung politischer Gegner an – vor allem kommunistischer Funktionäre. Die überfüllten Gefängnisse machten rasch eine Lösung notwendig. In der Heimatschule Mitteldeutschland in Nohra wurde deshalb bereits am 3. März 1933 ein provisorisches Sammellager eingerichtet, das wenig später als erstes Konzentrationslager in die offiziellen Akten einging. Anders als die später berüchtigten Lager wie Buchenwald oder Auschwitz diente dieses Lager ausschließlich der Inhaftierung politischer Gegner – systematische Misshandlungen, Häftlingskleidung oder Zwangsarbeit waren hier noch nicht an der Tagesordnung. Dennoch herrschten äußerst menschenunwürdige Bedingungen: Nur alle zwei Tage durften die 260 Häftlinge für einen halben Moment an die frische Luft, und schon ein einziger Tod – Fritz Koch aus Gotha, der an einer Zahnentzündung starb – zeugt von den fatalen hygienischen Zuständen. Bereits am 10. Mai 1933 wurde das Lager aufgelöst, und die verbliebenen Häftlinge in andere Haftanstalten verlegt.

Ein vergessenes Kapitel in der Erinnerungskultur
Trotz der historischen Bedeutung dieses Lagers geriet es in den Hintergrund – überschattet von bekannteren Orten der NS-Verfolgung. Florian Kleiner, Mitglied des Vereins Flugplatz Nora e.V., berichtet: „In unserer Gemeinde erinnert kaum noch jemand an diesen Ort. Es gibt in der Schule keine Auseinandersetzung damit und nur spärliche Hinweise im öffentlichen Raum.“ Während Buchenwald und Auschwitz regelmäßig im Geschichtsunterricht und in medienwirksamen Gedenkveranstaltungen thematisiert werden, blieb Nohra weitgehend unsichtbar. Selbst die erste Erinnerungstafel, die in den 1980er-Jahren auf Initiative des Stadtparlaments aufgestellt wurde, geriet bald in Vergessenheit und landete Jahre später auf einem Dachboden, bevor sie 2017 wiederentdeckt wurde.

Lokales Engagement für das Gedenken
Angesichts dieses Mangels an Erinnerungskultur hat sich der Verein Flugplatz Nora e.V. zum Ziel gesetzt, dem Ort neues Gesicht zu verleihen. In einer kleinen Ausstellung im Bürgerhaus Ulla wird bereits heute die Geschichte des Konzentrationslagers aufgearbeitet. „Wir haben Fotos, Quellen und erste Ansätze zusammengetragen“, so Kleiner. Neben der Ausstellung plant der Verein die Errichtung einer neuen Gedenktafel, die nicht nur den Ort markiert, sondern auch die Hintergründe und die tragische Geschichte des Lagers umfassend dokumentiert. Ergänzt wird das Engagement durch ein geplantes Buch, das die Entwicklung vom provisorischen Sammellager zum Vorläufer der späteren Konzentrationslager nachvollziehbar machen soll.

Mahnung für die Gegenwart
Die Aufarbeitung der Geschichte dieses vergessenen Ortes ist mehr als nur ein nostalgischer Blick zurück. Sie steht sinnbildlich für die Notwendigkeit, sich an die Wurzeln staatlicher Willkür und Unterdrückung zu erinnern – gerade in Zeiten, in denen gesellschaftliche und politische Radikalisierung wieder an Fahrt gewinnt. „Es ist wichtig, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Nur so können wir verhindern, dass sich solche Entwicklungen wiederholen“, betont Kleiner.

Indem lokale Initiativen den Dialog mit den Einwohnern suchen und aufzeigen, wo radikale Tendenzen ihren Ursprung haben, wird das Gedenken an das Konzentrationslager von Nohra zu einem Appell für demokratische Werte und Menschenwürde. Die Geschichte mag zwar nur einen kurzen Zeitraum umfassen, doch ihre Bedeutung als Warnung vor dem Vergessen ist heute aktueller denn je.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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