Am 14. April 2023 jährte sich die Eröffnung des Notaufnahmelagers Marienfelde zum siebzigsten Mal. Ursprünglich 1953 als Zufluchtsort für Flüchtlinge aus der DDR eingerichtet, wandelte sich das Lager im Laufe der Jahrzehnte zu einem wichtigen Übergangswohnheim – seit 1964 werden hier auch Aussiedlerinnen und Aussiedler aufgenommen, und seit 2010 dient Marienfelde als Anlaufstelle für Geflüchtete und Asylsuchende aus aller Welt.
Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung wurde ein Film gezeigt, der die bewegte Geschichte des Lagers anhand der Berichte dreier Zeitzeuginnen und Zeitzeugen lebendig werden lässt:
Wilfried Seyring – Flucht aus der DDR
Als junger Erwachsener floh Wilfried Seyring 1957 aus der DDR und fand im Notaufnahmelager Marienfelde Zuflucht. Er erinnert sich an die enge, fast schon schonungslose Atmosphäre des Lagers, in dem jede Ankunft von einer Mischung aus Hoffnung und Angst begleitet war. Sein Erfahrungsbericht zeichnet ein eindrucksvolles Bild der damaligen Zustände – ein Zeugnis einer Generation, die in unsicheren Zeiten ihren Weg in die Freiheit suchte.
Dorota Danielewicz – Aufbruch aus Polen
1981 kam Dorota Danielewicz mit ihrer Familie aus Polen nach Marienfelde. In ihrem persönlichen Bericht wird deutlich, wie sehr der Verlust der gewohnten Heimat und der Zwang, in einem provisorischen Heim zu leben, das Leben nachhaltig veränderte. Dorota beschreibt den Schmerz und die Unsicherheit, aber auch den Willen, sich neu zu orientieren und einen Platz in der Fremde zu finden.
Sandy Albahri – Die Flucht aus Syrien
Auch die jüngere Generation bringt ihre Geschichte mit: Sandy Albahri floh 2014 als Jugendliche aus Syrien nach Berlin. Ihre Erlebnisse im Übergangswohnheim, in dem sie von Juni 2014 bis Mai 2015 lebte, spiegeln die Herausforderungen und zugleich die Hoffnung wider, die Flüchtlinge weltweit antreibt. Sandy berichtet von den ersten Eindrücken, von der fremden Sprache und den neuen, oftmals überwältigenden Erfahrungen in einer Stadt, die für sie plötzlich zur neuen Heimat werden sollte.
Ein Ort, der verbindet und erinnert
Die Geschichten der drei Zeitzeugen – aus verschiedenen Epochen und Herkunftsländern – zeigen eindrücklich, wie das Notaufnahmelager Marienfelde immer wieder zu einem Zufluchtsort in Zeiten der Not wurde. Die bewegte Vergangenheit des Lagers, das mit jeder neuen Welle von Geflüchteten auch neue Kapitel der Hoffnung und des Neuanfangs schrieb, ist heute in einer Dauerausstellung lebendig erhalten.
Der am 14. April 2023 gezeigte Film „70 Jahre Notaufnahmelager Marienfelde“ dokumentiert nicht nur die historischen Ereignisse, sondern vermittelt auch, wie sehr der Ort zum Symbol für das Überwinden von Grenzen und das Suchen nach einem neuen Zuhause geworden ist. Die Erinnerung an diese bewegten Zeiten fordert uns auch heute auf, den Blick auf das zu richten, was Menschen in Not miteinander verbindet – den unerschütterlichen Glauben an einen Neubeginn.