Zwischen Ikone und Provokateur – Der ostdeutsche Rapper FiNCH

Wie FiNCH zur Ikone junger Ostdeutscher wurde | Ossiversum

Inmitten eines industriellen Proberaums im Osten Berlins bereitet sich FiNCH, der mit bürgerlichem Namen Nils Wehowsky heißt, auf den nächsten Höhepunkt seiner Karriere vor. Der 34-Jährige, der in Fürstenwalde, Brandenburg, aufwuchs, hat sich längst als eine der schillerndsten Figuren der deutschen Musikszene etabliert. Mit seinem Mix aus Techno, Hip-Hop und Schlagerelementen und seinen selbstironischen Texten über den Osten hat er eine Jugendkultur geprägt, die ihn als Sprachrohr ihrer Identität sieht.

In diesem Sommer feiert FiNCH sein zehnjähriges Bühnenjubiläum mit einer großen Open-Air-Tour, die ihn in 19 Städte führt und ihn vor über 200.000 Fans auftreten lässt. Sein Höhepunkt: ein Konzert in der Berliner Wuhlheide, bei dem 17.000 Menschen nicht nur seine Musik, sondern auch den Osten selbst feiern.

Ein ostdeutscher David Hasselhoff
FiNCH nennt sich selbstironisch den „ostdeutschen Hasselhoff“ – eine Bezeichnung, die seine Rolle in der Kulturlandschaft treffend beschreibt. Mit Songs wie „Ostdeutschland bleibt stabil“ und „Dorfdisco“ hat er sich als Vertreter der ostdeutschen Jugend positioniert. Seine Texte sind laut, provokativ und oft humorvoll – ein Stil, der polarisiert, aber auch begeistert.

„Der Osten, ziemlich große Klappe, trotzdem familiär und menschlich. Der Osten, unsere Heimat, unser Leben, keiner will hier weg“, rappt FiNCH in einem seiner bekanntesten Tracks. Für viele junge Ostdeutsche ist er mehr als nur ein Musiker – er ist ein Botschafter ihrer Lebenswelt, ihrer Mentalität und ihrer Identität.

Die Anfänge: Von Dorfpartys zur Ikone
Geboren 1990, wuchs Nils Wehowsky zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung auf – eine Zeit des Umbruchs, die sein Weltbild prägte. In seiner Jugend stand er auf Dorfpartys und in kleinen Clubs hinter dem DJ-Pult, wo er erste Erfahrungen sammelte.

Der Durchbruch kam 2013, als er unter dem Pseudonym „FiNCH asozial“ begann, Songs auf YouTube zu veröffentlichen. Mit Titeln wie „Fliesentisch-Romantik“ schuf er eine einzigartige Mischung aus Techno, Hardstyle und Schlager, die anfangs belächelt, später jedoch gefeiert wurde.

FiNCH und die Jugendkultur des Ostens
FiNCH versteht es, die Mentalität des Ostens in seiner Musik zu verkörpern. Er spricht offen über seine Herkunft aus Brandenburg, die Herausforderungen, die mit dem Aufwachsen in Ostdeutschland verbunden sind, und den Stolz auf seine Heimat.

„Ich habe mich nie geschämt, aus dem Osten zu kommen“, sagt FiNCH in einem Interview. „Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich stolz: aus Brandenburg.“ Dieser Stolz auf seine Herkunft hat ihn zu einem Symbol für viele junge Ostdeutsche gemacht, die sich oft missverstanden oder marginalisiert fühlen.

Kunstfigur und Kritik
Doch FiNCH ist nicht unumstritten. Seine Texte werden von Kritikern oft als zu derb, sexistisch oder provokativ bezeichnet. Songs wie „Kleiner Hai“ oder „Herzpolizei“ spielen bewusst mit Klischees und bedienen sich eines Humors, der oft an der Grenze des guten Geschmacks liegt.

FiNCH selbst sieht seine Texte jedoch als Teil einer Kunstfigur, die nicht mit der Person Nils Wehowsky gleichzusetzen ist. „Ich bin privat nicht der Typ, der auf der Bühne den großen Macho spielt“, erklärt er. „FiNCH ist eine Rolle, die ich spiele – aber das bin nicht ich.“

Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen
Trotz der provokanten Oberfläche versteckt FiNCH oft gesellschaftskritische Botschaften in seinen Liedern. In „Onkelzposter“, einem Song, den er gemeinsam mit Tarek von K.I.Z. aufgenommen hat, setzt er sich mit sozialen Problemen auseinander. Der Text erzählt die Geschichte eines Mannes, der in einem trostlosen Alltag zwischen Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch gefangen ist.

„Der Song ist eine Art Spiegel“, erklärt FiNCH. „Viele meiner Fans erkennen sich darin wieder – und das ist auch der Punkt. Ich möchte nicht nur feiern, sondern auch zeigen, was schiefläuft.“

Zwischen links und rechts: FiNCHs politische Haltung
Seine Rolle als Sprachrohr für die ostdeutsche Jugend bringt FiNCH immer wieder in politische Diskussionen. Kritiker wie Jan Böhmermann und Olli Schulz haben ihn in ihrem Podcast „Fest und Flauschig“ mit der AfD in Verbindung gebracht – ein Vorwurf, den FiNCH vehement zurückweist.

„Ich bin weder links noch rechts – ich mache Musik“, sagt FiNCH. „Aber ich habe kein Problem damit, klar Stellung zu beziehen: Rassismus ist scheiße, egal wo er herkommt.“

Ein Video, in dem auf Sylt der Satz „Ausländer raus“ skandiert wird, nahm FiNCH zum Anlass, sich auf Instagram deutlich gegen Rassismus zu positionieren. „Das ist kein Problem des Ostens, das ist ein strukturelles Problem, das wir in ganz Deutschland haben“, betonte er.

Familienmensch und gereifter Künstler
Neben seiner Musik ist FiNCH auch ein Familienmensch. Als Vater einer Tochter hat er seine Prioritäten neu gesetzt. „Ich mache das nicht mehr nur für mich“, sagt er. „Ich denke heute viel bewusster darüber nach, was ich tue, und wie ich meine Zeit nutze.“

Diese Reife spiegelt sich auch in seiner Musik wider. Während seine frühen Songs vor allem auf Party und Exzess ausgelegt waren, findet sich in seinen neueren Werken eine reflektierte und nachdenkliche Seite.

Jubiläum und Zukunftspläne
FiNCHs Jubiläumstour markiert nicht nur einen Meilenstein in seiner Karriere, sondern auch den Beginn eines neuen Kapitels. Schon jetzt kündigt er eine noch größere Arena-Tour für das kommende Jahr an, bei der er vor Zehntausenden Fans auftreten will.

„Ich möchte meinen Fans eine geile Show bieten“, sagt FiNCH. „Dieser Sommer wird vielleicht der schönste meines Lebens – aber sicher auch der anstrengendste.“

Ein Botschafter für den Osten
FiNCHs Erfolg zeigt, dass es möglich ist, mit Stolz auf die eigene Herkunft eine breite Zielgruppe zu erreichen. Für viele junge Ostdeutsche ist er ein Vorbild – nicht, weil er perfekt ist, sondern weil er authentisch ist.

Mit seinem Mix aus Humor, Gesellschaftskritik und Musik hat FiNCH eine Nische geschaffen, die ihn einzigartig macht. Er ist mehr als nur ein Musiker – er ist ein Botschafter für den Osten und ein Symbol für die Stärke einer Jugendkultur, die trotz aller Widrigkeiten ihren eigenen Weg geht.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
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