Fünf Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie sind ihre Auswirkungen immer noch spürbar – nicht nur in Form von gesundheitlichen Folgen, sondern auch in der Gesellschaft, der Wirtschaft und den psychischen Belastungen, die sie mit sich brachte. In diesem Kontext stehen zwei Schicksale, die exemplarisch für die dramatischen Veränderungen stehen, die die Pandemie mit sich brachte: die Geschichte von Aryna Tkachuk, die während der Corona-Zeit beinahe starb, und die von Ricarda Piepenhagen, die mit den Langzeitfolgen von Covid-19, besser bekannt als Long Covid, zu kämpfen hat. Beide Frauen haben in ihren Erfahrungen mit den Langzeitfolgen der Pandemie eine bemerkenswerte Resilienz gezeigt und kämpfen dafür, dass diese Themen endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.
Aryna Tkachuk: Ein Leben am Rande des Abgrunds
Aryna Tkachuk war gerade 14 Jahre alt, als die Corona-Pandemie sie mit voller Wucht traf. Wie für viele junge Menschen weltweit brachten die plötzlichen Schulschließungen und die Isolation zu Hause nicht nur eine Umstellung des Alltags, sondern auch eine Bedrohung für ihre psychische Gesundheit. Aryna war gezwungen, ihren Alltag weitgehend alleine zu gestalten, während ihre Eltern beruflich eingespannt waren. Was zu dieser Zeit als „Freizeit“ erschien, wurde für sie zum Nährboden für eine schwere psychische Erkrankung.
In der Isolation entwickelte sie ein immer gefährlicher werdendes Schönheitsideal, das durch die sozialen Medien verstärkt wurde, insbesondere durch TikTok. Auf der Plattform sah sie extrem dünne Models, deren Körperbilder sie in den Bann zogen. Sie begann, sich immer mehr zu isolieren und ihren Körper immer weiter zu verhungern, in der Hoffnung, wie diese Frauen auszusehen. Aryna wog zu diesem Zeitpunkt weniger als 40 Kilogramm, doch sie wollte immer dünner werden, was schließlich zu einer lebensbedrohlichen Magersucht führte.
Im Sommer 2022, als sie nur noch 37 Kilogramm wog, wurde sie schließlich in die Psychiatrie eingeliefert. Ihr Zustand war so kritisch, dass sie auf die Intensivstation verlegt werden musste, da ihre Leber zu versagen drohte. Es war ein dramatischer Moment, als sie mit 32 Kilogramm in einem Krankenhausbett lag, an Schläuchen und Kabeln angeschlossen, und ihr eigener Körper dem Verfall näher rückte. Sie hatte sich schon darauf vorbereitet, dass sie diese Nacht möglicherweise nicht überstehen würde. Doch Aryna überlebte, dank der medizinischen Hilfe und der Sonde, die ihr Leben rettete.
Die Ärzte konnten bestätigen, dass die Isolation und die psychischen Belastungen der Pandemie einen direkten Einfluss auf ihren Zustand hatten. „Was Corona damit gemacht hat, kann man so sagen, das hat es einfach verdunkelt“, erklärt Aryna. Die sozialen Kontakte, die sie früher hatte, die Aktivitäten, die ihr Freude bereiteten – alles war durch die Pandemie weggefallen. Als ihre Welt zusammenbrach, griff sie nach TikTok, um in einer digitalen Welt Trost zu finden. Doch dieser Trost war trügerisch und führte sie tiefer in die Sucht nach einem unerreichbaren Körperbild.
Experten bestätigen, dass es während der Pandemie einen dramatischen Anstieg von Essstörungen wie Anorexie gab. Burkhard Rodeck, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, berichtete, dass die Zahlen von Magersucht in den Jahren 2019 bis 2022 um 38 Prozent anstiegen. Für viele junge Menschen, die während des Lockdowns isoliert waren, wurde die virtuelle Welt zu einer gefährlichen Zuflucht. Die ständige Konfrontation mit unrealistischen Schönheitsidealen verstärkte die Essstörungen und führte zu schweren gesundheitlichen Folgen.
Ricarda Piepenhagen: Long Covid und die Folgen für die Gesellschaft
Während Aryna Tkachuk einen langen und schmerzhaften Weg der Genesung hinter sich hat, kämpft Ricarda Piepenhagen seit der Pandemie mit einer anderen, aber ebenso schweren Erkrankung: Long Covid. Im November 2021, nach einer durchgemachten Corona-Infektion, war sie plötzlich nicht mehr in der Lage, zu arbeiten. Die ehemals aktive Lehrerin litt an den anhaltenden Folgen von Covid-19, die in der medizinischen Fachwelt als Long Covid bekannt sind.
Long Covid ist eine Multisystemerkrankung, die zahlreiche Organe betreffen kann und deren Symptome über Monate oder sogar Jahre anhalten können. Bei Ricarda Piepenhagen äußerten sich die Folgen der Erkrankung in einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Beschwerden, die ihr Leben auf den Kopf stellten. Ihre Kräfte schwanden, ihre Mobilität wurde stark eingeschränkt, und sie war zunehmend auf Hilfe angewiesen. Auch die Psyche litt unter den Auswirkungen von Long Covid. So wie bei vielen anderen Betroffenen, waren es nicht nur die physischen, sondern auch die emotionalen Belastungen, die das Leben von Ricarda Piepenhagen drastisch veränderten.
Ricarda Piepenhagen machte ihre Erkrankung öffentlich und gründete den Geschädigtenverein „Nicht Genesen“, um auf das Schicksal von Long-Covid-Betroffenen aufmerksam zu machen. Die Zahl der Betroffenen ist nach wie vor hoch, und viele von ihnen sind nicht in der Lage, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Wie Ricarda Piepenhagen selbst berichtet, sind Millionen von Menschen weltweit von Long Covid betroffen, ohne dass es bislang ausreichende Therapien oder Medikamente gibt. Besonders problematisch ist, dass diese Menschen in vielen Fällen nicht als „gesund“ gelten, aber auch keine ausreichende Unterstützung erhalten.
Ihre Erfahrungen und die ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter verdeutlichen, dass Long Covid nicht nur eine medizinische Herausforderung ist, sondern auch eine gesellschaftliche. Der Verlust von Arbeitsfähigkeit, die Isolation und die ständige Ungewissheit über die Zukunft stellen für viele Betroffene eine enorme Belastung dar. Die mangelnde Anerkennung und Forschung zu dieser Krankheit sind weitere Hürden, die den Betroffenen das Leben erschweren.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie
Neben den persönlichen Schicksalen von Aryna Tkachuk und Ricarda Piepenhagen hat die Pandemie auch erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht. Michael Grömling, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, hat sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie beschäftigt. Seine Untersuchungen zeigen, dass die Corona-Krise in Deutschland die wirtschaftlichen Einbußen der letzten drei Jahrzehnten übertrifft. Allein im Jahr 2020 beliefen sich die wirtschaftlichen Verluste auf etwa 200 Milliarden Euro, und auch 2021 kamen weitere 100 Milliarden Euro an Schäden hinzu. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch lange spürbar sein werden.
Ein weiteres Problem, das Grömling anspricht, sind die überschüssigen Impfdosen, die während der Pandemie bestellt wurden. Deutschland hatte mehr als 616 Millionen Impfdosen bestellt – genug, um jeden Bürger siebenmal zu impfen. Doch tatsächlich wurden nur etwa ein Drittel dieser Dosen verabreicht. Diese Fehlplanung führte zu einem weiteren finanziellen Verlust für den Staat und die Steuerzahler. Die Pandemie hat damit nicht nur gesundheitliche, sondern auch finanzielle und politische Auswirkungen, die noch lange nachwirken werden.
Die Pandemie ist noch nicht vorbei
Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie wird deutlich, dass die Auswirkungen der Krise noch lange nicht überwunden sind. Die Geschichten von Aryna Tkachuk und Ricarda Piepenhagen sind nur zwei Beispiele für die unzähligen Schicksale, die durch die Pandemie geprägt wurden. Die wirtschaftlichen Verluste, die psychischen Belastungen und die gesundheitlichen Langzeitfolgen von Long Covid und Essstörungen werden uns noch lange begleiten.
Es ist an der Zeit, dass diese Themen endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Experten und Betroffene fordern mehr Forschung und bessere Unterstützung für diejenigen, die durch die Pandemie geschädigt wurden. Die Pandemie mag offiziell vorbei sein, aber ihre Auswirkungen sind noch immer spürbar – und sie werden uns noch lange beschäftigen.