DDR-Sport bei der NVA: „Vieles ist erlaubt, und nur wenig wird befohlen.“

Die körperliche Leistungsfähigkeit der neu einberufenen Soldaten entspricht nicht ganz den Anforderungen, die wir an gut ausgebildete Soldaten und Unteroffiziere in unserer Nationalen Volksarmee (NVA) stellen. Major Dehn, Sportoffizier im Truppenteil Friedrich-Wolf, kennt die Herausforderungen genau. Er und andere Fachleute haben beobachtet, dass Kraft und Ausdauer der Wehrpflichtigen in den letzten Jahren nachgelassen haben. Doch es gibt Programme, um dem entgegenzuwirken, wie den Fernwettkampf „Stärkster Mann der Armee“, der großen Zuspruch findet.

Redakteur Klaus Veith von der Zeitung „Volksarmee“, einer der Initiatoren des Wettkampfs, erklärt: „Der Kraftsport-Fernwettkampf ist einer der ältesten und populärsten Wettkämpfe unter den hundert, die wir organisiert haben. Bereits 1961 suchten wir zum ersten Mal den ‘Stärksten Mann der Armee’, und seitdem ist dieser Wettkampf unglaublich beliebt.“ Die Disziplinen des Wettkampfs sind bewusst einfach gehalten: Übungen wie Schlussdreisprung, Beugestütze oder Klimmzug können fast überall und von jedem trainiert werden.

Diese Popularität trägt zur Motivation bei und zeigt Wirkung: „Kraft und Ausdauer sind Eigenschaften, die ein Soldat dringend braucht, egal in welcher Waffengattung“ betont Veith. Wer regelmäßig trainiert, kann sich diese Fähigkeiten aneignen. Neben Wettkämpfen wie diesem gehören auch die physische Ausbildung und der militärsportliche Komplexwettkampf (MKE) seit 1984 wieder zu den Hauptausbildungsfächern der Soldaten. Ob Sturmbahn oder 3000-Meter-Lauf – solche Disziplinen sind besser zu bewältigen, wenn man sich regelmäßig belastet.

Doch Sport bei der Armee soll nicht nur harte Arbeit sein. Die taktische Marschroute lautet „freudbetonter Freizeitmassensport“. Hier sieht Major Dehn große Chancen: „Die meisten Soldaten sind Anfang 20 und haben oft seit Jahren keinen regelmäßigen Sportunterricht mehr erlebt. Bei der Armee bieten sich optimale Bedingungen, um sich wieder mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen.“ Wo das Interesse geweckt ist, findet sich auch die Zeit. Im Regiment von Major Dehn gibt es besonders gute Möglichkeiten.

Der Schlüssel liegt darin, die Soldaten für den Sport zu begeistern, erklärt Dehn: „Mit Befehlen allein erreicht man wenig. Die Soldaten müssen selbst die Bereitschaft entwickeln, ihren Körper zu erkunden, ihre Grenzen auszutesten und sich mit Kameraden zu messen.“ Dabei entscheidet nicht der Kraftaufwand, sondern der organisatorische Einfallsreichtum über den Erfolg des Massensports.

Ein Beispiel für Eigeninitiative sind Gefreiter Dannenberg und seine Kameraden. Sie haben sich gegen anfängliche Vorbehalte einiger Vorgesetzter durchgesetzt und einen eigenen Ansatz für Krafttraining entwickelt. „Wir wollten unsere Freizeit sinnvoller nutzen, als nur vor dem Fernseher zu sitzen oder uns zu langweilen“, erzählt Dannenberg. Mit vorhandenen Hanteln haben sie ein einfaches Krafttrainingsprogramm entwickelt, das sie regelmäßig durchführen.

„Es geht nicht nur darum, am Reck ein paar Klimmzüge zu schaffen, sondern insgesamt belastungsfähiger zu werden“ sagt Dannenberg. „Wir trainieren abends, meistens von acht bis neun. Der Vorteil ist, dass wir unser Training flexibel gestalten können und die Hanteln jederzeit verfügbar sind.“

Solche Eigeninitiativen zeigen, wie viel möglich ist, wenn Motivation und Organisation aufeinandertreffen. Major Dehn begrüßt diese Entwicklung und sieht sie als Modell für andere Einheiten. „Es ist wichtig, den Soldaten Freiräume zu geben, in denen sie ihre eigene Begeisterung für Sport entdecken können,“ betont er. „Das Ziel ist es, dass die Soldaten nicht nur ihre körperliche Fitness steigern, sondern auch langfristig Freude an der Bewegung entwickeln.“

Am Ende steht meist ein positives Fazit. Spielerische Fantasie und Lust an der Belastung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Sport der NVA gilt: Vieles ist erlaubt, und nur wenig wird befohlen. Diese Flexibilität schafft Raum für neue Ansätze und zeigt, wie wichtig Eigeninitiative und Begeisterung für eine nachhaltige sportliche Entwicklung sind.

Redakteur/Blogger/Journalist/Chronist: Arne Petrich

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