Die Runden Tische waren ein fundamentales Element der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 und im Frühjahr 1990. Sie ermöglichten einen Dialog zwischen der alten Macht der SED und den neuen Oppositionsgruppen sowie Bürgerbewegungen. Durch diese Gespräche und den Austausch zwischen den früheren Machthabern und den Oppositionsvertretern wurde der friedliche Übergang von der Diktatur zur Demokratie in der DDR sichergestellt. Die Runden Tische bildeten ein Forum für Verhandlungen und Kompromisse und trugen maßgeblich dazu bei, die politische Krise zu überwinden und die Grundlage für die spätere deutsche Einheit zu legen.
Entstehung und Ausbreitung der Runden Tische
Die Entstehung der Runden Tische lässt sich nicht isoliert betrachten, sondern muss im Kontext der dramatischen Entwicklungen in der DDR vor und nach dem Jahr 1989 verstanden werden. Vor diesem Jahr befand sich die DDR in einem desolaten Zustand. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme nahmen zu, und das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Staatsmacht war angespannt. In vielen Bereichen – von der Umwelt bis zur Wirtschaft – gab es ungelöste Probleme, und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs. Das Land war von einer tiefen politischen Krise geprägt.
Oppositionelle Gruppen wurden von der Staatsmacht verfolgt und in vielen Fällen inhaftiert. Dennoch nahm der Widerstand gegen die SED-Diktatur immer mehr zu, vor allem unter dem Schutz der Kirchen, die als Rückzugsorte für die Opposition dienten. Besonders entscheidend war der 4. September 1989, als in Leipzig die erste Montagsdemonstration stattfand, die eine neue Welle von Protesten auslöste. In den folgenden Wochen bildeten sich in der DDR immer mehr Bürgerbewegungen, wie „Demokratie Jetzt“ und das „Neue Forum“, die sich für politische und gesellschaftliche Veränderungen einsetzten.
Die Reaktion der Staatsmacht war zunächst von Ablehnung und Verfolgung geprägt, doch die Proteste weiteten sich aus. Tausende von DDR-Bürgern flohen in die westdeutschen Botschaften in Prag und Warschau. In dieser angespannten Lage war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Dialog zwischen den Regierenden und den oppositionellen Gruppen unvermeidlich wurde. Dieser Dialog fand in Form der Runden Tische statt.
Der Runde Tisch in Dresden als Vorläufer
Ein erster Vorläufer der Runden Tische fand am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, in Dresden statt. An diesem Tag versammelten sich Tausende von Demonstranten vor dem Dresdner Rathaus, um gegen die SED-Diktatur zu protestieren und Reformen einzufordern. Dies geschah vor dem Hintergrund eines festlichen Aktes der Staatsführung im Rathaus. Der damalige Oberbürgermeister von Dresden, Wolfgang Berghofer, entschied sich, entgegen den Vorgaben der SED mit den Demonstranten in Dialog zu treten. Dies war ein mutiger Schritt, der den Weg für die spätere Einführung der Runden Tische ebnete.
Die Gespräche zwischen den Demonstranten und der „Gruppe der 20“, einer informellen Gruppe, die sich aus Vertretern der Opposition zusammensetzte, und dem SED-beherrschten Bezirksleiter von Dresden, stellten einen frühen Versuch dar, Gewalt zu verhindern und einen Dialog zu etablieren. Dieser Dialog in Dresden war von entscheidender Bedeutung, weil er die Möglichkeit eröffnete, eine nicht-gewaltsame Lösung für die politischen Spannungen zu finden, und das Modell für die späteren Runden Tische lieferte.
Der Zentrale Runde Tisch in Berlin
Am 7. Dezember 1989, nach den dramatischen Ereignissen des Herbstes, bildete sich der Zentrale Runde Tisch in Berlin. Dieser zentrale Runden Tisch war das maßgebliche Forum für die Verhandlungen zwischen der alten DDR-Regierung und der Opposition. Er konstituierte sich im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, einem Gebäude der Kirchen, und bestand aus 16 Vertretern der Regierung sowie 16 Vertretern der Opposition, die durch drei Kirchenmänner moderiert wurden. Diese ersten Treffen waren von dramatischen Diskussionen geprägt, in denen die alten Machthaber auf die Forderungen der Opposition reagierten.
Der Runde Tisch verstand sich jedoch nicht als Ersatzregierung, sondern als ein Gremium, das den friedlichen Übergang zur Demokratie sichern sollte. Es wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit wichtigen politischen und gesellschaftlichen Themen wie Wahlgesetz, Parteiengesetz, Verfassung und Sicherheitsfragen beschäftigten. Dabei spielte der Runde Tisch eine Schlüsselrolle bei der Planung der ersten freien Wahlen, die für den 6. Mai 1990 angesetzt wurden.
Herausforderungen und Konflikte im Runden Tisch
Trotz des guten Willens und der Bemühungen um den Dialog war die Arbeit des Runden Tisches von erheblichen Herausforderungen und Konflikten geprägt. Eines der größten Probleme war die Unklarheit über die Zusammensetzung des Gremiums und die Legitimation der Entscheidungen. Die SED-regierte Regierung und die oppositionellen Gruppen hatten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer am Runden Tisch vertreten sein sollte und wie die Verhandlungen ablaufen sollten.
Ein weiteres Problem war die Frage der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi). Die Opposition forderte von Anfang an die Auflösung des repressiven Apparats der Stasi, doch die Regierung zögerte zunächst und blockierte eine schnelle Lösung. Dies führte zu Spannungen und zu einem Machtkampf, als Ministerpräsident Hans Modrow sich weigerte, auf Aufforderung des Runden Tisches zu erscheinen.
Die Gewaltfreiheit der Revolution stand schließlich auf der Probe, als am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin gestürmt wurde. Dieser Vorfall zeigte, wie schwierig es war, die Revolution ohne Gewalt fortzusetzen und führte zu einer verstärkten Diskussion über die Rolle der Stasi und die Notwendigkeit von Reformen.
Von der Zusammenarbeit zum Wahlkampf
Mit der Festlegung des Wahltermins für den 18. März 1990 begannen sich die Runden Tische zunehmend auf die bevorstehenden Wahlen zu konzentrieren. Dies führte zu einem klareren Fokus auf die politischen Auseinandersetzungen und den Wahlkampf. Die einst so vereinten Oppositionsgruppen begannen, sich stärker zu profilieren und gegeneinander anzutreten. Die politische Diskussion wurde rauer, und aus den ursprünglich zusammenarbeitenden Kräften wurden nun politische Kontrahenten.
Ein zentrales Thema war die Frage der deutschen Einheit. Die Parteien des Runden Tisches standen unter dem Druck, ihre Positionen zu diesem Thema zu klären. Besonders die Opposition, die bisher keine Unterstützung aus dem Westen erfahren hatte, kämpfte im Wahlkampf gegen die etablierten Parteien der DDR. Der Wahlsieg der Allianz für Deutschland mit der CDU an der Spitze spiegelte den klaren Wunsch der Bevölkerung nach einer schnellen Wiedervereinigung Deutschlands wider.
Bedeutung und Erbe der Runden Tische
Die Bedeutung der Runden Tische für die friedliche Revolution kann kaum überschätzt werden. Sie schufen einen Raum, in dem der Dialog zwischen den ehemaligen Machthabern und der Opposition möglich wurde und trugen entscheidend zur Stabilisierung des Landes bei, als die DDR sich im Übergang zur Demokratie befand. Die Runden Tische standen als Symbol für die demokratischen Bestrebungen der Bevölkerung und für die Möglichkeit eines friedlichen Wandels.
Darüber hinaus legten sie den Grundstein für eine demokratische Kultur in Deutschland und machten die Entwicklung einer offenen und pluralistischen Gesellschaft möglich. In der breiten Gesellschaft wie auch in der politischen Landschaft zeigte sich das Potenzial eines zivilgesellschaftlichen Dialogs, der auf Konsens und Kompromissen basiert.
Das Erbe der Runden Tische wirkt noch heute nach und ist ein Vorbild für demokratische Prozesse in vielen anderen Ländern. Es zeigt, wie durch Zusammenarbeit und Kompromisse auch in Zeiten politischer Umbrüche Lösungen gefunden werden können.
Kritik an den Runden Tischen
Trotz ihrer historischen Bedeutung sind die Runden Tische nicht ohne Kritik geblieben. Einige Kritiker werfen ihnen vor, dass sie der Bürgerrechtsbewegung nicht ausreichend Gehör verschafft hätten und stattdessen die alten Machthaber legitimierten. Besonders die Beteiligung der Bürgerrechtsbewegung an der Regierung Modrow führte zu Bedenken, dass die Revolution in einen eher gemäßigten Kurs gelenkt wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass der Runde Tisch nicht die nötigen Maßnahmen ergriff, um die Regierung schneller zu stürzen und einen radikaleren Wandel zu bewirken.
Trotz dieser Kritik bleibt die Rolle der Runden Tische im Kontext der friedlichen Revolution unbestritten. Sie waren ein entscheidendes Instrument auf dem Weg von der Diktatur hin zur Demokratie und trugen zur erfolgreichen Überwindung der SED-Herrschaft bei.