Umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik: Die Meinungen gehen auseinander

Vom 12. bis 15. November 2024 führte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) eine Umfrage unter dem Titel „Corona: Wie viel Aufarbeitung braucht es?“ durch. Ziel war es, die Stimmungslage zu diesem Thema in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen einzufangen. Mit fast 22.000 Teilnehmenden zeigt die Befragung eine Vielzahl von Perspektiven, die die Komplexität der Thematik unterstreichen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Corona-Maßnahmen das Vertrauen in die Politik bei vielen nachhaltig geschädigt haben. Gleichzeitig gibt es sowohl Kritik an als auch Verständnis für die Entscheidungen, die in dieser beispiellosen Krise getroffen wurden.

Kaum Verständnis für Fehler in der Corona-Politik
Die Pandemie stellte Politik, Gesellschaft und Gesundheitswesen vor bislang ungekannte Herausforderungen. Entscheidungen mussten oft schnell und ohne ausreichende Erfahrungswerte getroffen werden. Dennoch äußert die Mehrheit der MDR-Befragten wenig Verständnis für damalige Fehlentscheidungen. Nur etwas mehr als zwei Fünftel der Teilnehmenden zeigen sich nachsichtig und sehen in den Umständen eine Erklärung für mögliche Fehleinschätzungen. Dabei variiert die Haltung stark mit dem Alter: Jüngere Befragte äußern häufiger Unverständnis, während die über 65-Jährigen eher Verständnis für die Schwierigkeiten in der Entscheidungsfindung aufbringen.

Rückblick: Viele empfanden die Maßnahmen als übertrieben
Rund zwei Drittel der Befragten geben heute an, dass die Corona-Maßnahmen insgesamt zu weit gingen. Ein Drittel hält sie für angemessen, während nur drei Prozent rückblickend noch striktere Maßnahmen befürwortet hätten. Diese Einschätzungen zeigen eine deutliche Verschiebung im Vergleich zur akuten Phase der Pandemie. Ende 2020 hielten lediglich 20 Prozent der MDRfragt-Gemeinschaft die Maßnahmen für zu streng. Diese Meinung veränderte sich im Verlauf der Pandemie und erreichte zwischen 2021 und 2022 Werte von bis zu 44 Prozent.

Auch hier zeigt sich ein Altersgefälle: Während etwa zwei Drittel der Befragten unter 65 Jahren die Maßnahmen heute für überzogen halten, teilt nur rund die Hälfte der über 65-Jährigen diese Ansicht.

Besondere Kritik an Schulschließungen
Ein wiederkehrendes Thema in den Kommentaren der Befragten ist die Kritik an den Schulschließungen. Viele Eltern und Lehrkräfte heben die negativen Auswirkungen auf die Bildung und das soziale Leben von Kindern hervor. So berichtet Jana (44) aus dem Landkreis Gotha, dass ihr Kind bis heute mit sozialen und schulischen Defiziten zu kämpfen habe. Eva (32) aus dem Landkreis Stendal nennt die Schließungen eine Maßnahme, die „viel Leid bei Jugendlichen und jungen Menschen verursacht“ habe. Sie fordert, dass bei zukünftigen Krisen psychische und soziale Folgen stärker berücksichtigt werden.

Auch Maßnahmen wie die Isolation in Senioreneinrichtungen wurden mehrfach kritisch reflektiert. Hierzu äußert sich Manfred (71) aus dem Landkreis Zwickau: „Das Sterben in Einsamkeit hätte vermieden werden müssen. Für die Zukunft sollten solche Szenarien besser abgewogen werden.“

Die Rolle von „Systemrelevanz“ und Impfentscheidungen
Der Begriff „systemrelevant“, der während der Pandemie eine zentrale Rolle spielte, sorgt auch heute noch für Diskussionen. Einige Befragte bemängeln die Einteilung in systemrelevante und nicht systemrelevante Berufe als ungerecht. Sandy (44) aus Mittelsachsen kommentiert: „Ich musste Kinder systemrelevanter Berufe betreuen, hatte jedoch selbst keinen Anspruch auf Betreuung.“

Auch die Corona-Schutzimpfungen sind ein Thema. Andrea (59) aus dem Landkreis Meißen schildert, wie sie durch ihre Entscheidung gegen die Impfung aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wurde. „Bis heute gab es dafür keine Entschuldigung“, bemerkt sie.

Vertrauen in die Politik stark beeinträchtigt
Die Corona-Maßnahmen haben das Vertrauen in die Politik bei vielen Befragten nachhaltig beschädigt. 59 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass ihr Vertrauen in die Politik gesunken ist. Gründe hierfür sind unter anderem die Wahrnehmung von Intransparenz, Fehlern bei der Umsetzung und mutmaßliche Skandale wie die Masken-Beschaffung. Klaus (74) aus Magdeburg fordert: „Es braucht eine Aufarbeitung der Maskendeals, und Verantwortliche sollten zur Rechenschaft gezogen werden.“

Auf der anderen Seite gibt es auch Stimmen, die Verständnis für die damaligen Entscheidungen äußern. Jana (40) aus dem Vogtlandkreis meint: „Gemessen an dem damaligen Wissensstand kann niemand behaupten, dass es nicht angemessen war. Hinterher ist man immer schlauer.“

Forderungen nach Aufarbeitung
Die Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmenden spricht sich für eine politische Aufarbeitung der Corona-Politik aus – vor allem auf Bundesebene. Knapp sechs von zehn Befragten wünschen sich eine umfassende Analyse und Bewertung der Maßnahmen. Eine gute Alternative sehen einige Befragte in landespolitischen Untersuchungsausschüssen, die sich bereits in Sachsen und Thüringen in Vorbereitung befinden.

Allerdings gehen die Meinungen darüber, was diese Untersuchungsausschüsse leisten sollen, auseinander. Während manche Befragte eine „Lessons-learned“-Perspektive bevorzugen, sehen andere darin eher die Gefahr einer politischen „Hexenjagd“. Heike (48) aus Bautzen kommentiert: „Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, Fehler zu analysieren und für die Zukunft besser aufgestellt zu sein.“

Ausblick: Lehren für die Zukunft
Mit Blick auf mögliche zukünftige Pandemien äußert die Mehrheit der Befragten den Wunsch, dass aus den Erfahrungen der Corona-Krise Lehren gezogen werden. Henrike (30) aus Stendal hofft, dass in den Untersuchungsausschüssen konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit künftigen Krisen erarbeitet werden.

Während 85 Prozent der Befragten keine Angst vor einer erneuten Corona-Welle haben, teilen viele die generelle Sorge vor zukünftigen Pandemien. Die Diskussion um die Aufarbeitung der Corona-Politik bleibt damit nicht nur ein Rückblick, sondern hat auch eine wegweisende Bedeutung für die zukünftige Krisenbewältigung in Deutschland.

Der Gefangene von Grünheide: Wie der Staat einen seiner Besten zerstören wollte

Teaser-Varianten für "Der Gefangene von Grünheide" 1. Persönlich: Der Mann hinter der Mauer Er war ein Held, der dem Tod im Nazi-Zuchthaus entronnen war, ein gefeierter Wissenschaftler, ein Vater. Doch Robert Havemanns größter Kampf fand nicht in einem Labor statt, sondern in seinem eigenen Haus in Grünheide. Von seinen einstigen Genossen verraten und isoliert, lebte er jahrelang unter dem Brennglas der Stasi. Sie nahmen ihm seine Arbeit, seine Freunde und fast seine Würde – aber niemals seine Stimme. Lesen Sie die bewegende Geschichte eines Mannes, der lieber einsam war als unehrlich, und erfahren Sie, wie er aus der Isolation heraus ein ganzes System das Fürchten lehrte. Ein Porträt über Mut, Verrat und die unbesiegbare Freiheit der Gedanken. 2. Sachlich-Redaktionell: Chronik einer Zersetzung Vom Vorzeige-Kommunisten zum Staatsfeind Nr. 1: Der Fall Robert Havemann markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der DDR-Opposition. Unser Hintergrundbericht analysiert die systematische Strategie der „Zersetzung“, mit der das MfS ab 1964 versuchte, den kritischen Professor gesellschaftlich und physisch zu vernichten. Wir beleuchten die Hintergründe seines Parteiausschlusses, die perfiden Methoden der Isolation in Grünheide und das kalkulierte Verwehren medizinischer Hilfe bis zu seinem Tod 1982. Eine detaillierte Rekonstruktion des Machtkampfes zwischen einem totalitären Apparat und einem einzelnen Intellektuellen, der zur Symbolfigur für die Bürgerrechtsbewegung von 1989 wurde. 3. Analytisch & Atmosphärisch: Die Angst des Apparats Es ist still in den Wäldern von Grünheide, doch der Schein trügt. Vor dem Tor parkt ein Wartburg, darin Männer in grauen Mänteln, die auf eine unsichtbare Bedrohung starren: einen lungenkranken Professor. Diese Reportage nimmt Sie mit an den Ort, an dem die Paranoia der DDR-Führung greifbar wurde. Warum fürchtete ein hochgerüsteter Staat das Wort eines einzelnen Mannes so sehr, dass er ihn in einen goldenen Käfig sperrte? Wir blicken hinter die Kulissen der Macht und zeigen, wie die Stasi mit operativer Kälte versuchte, einen Geist zu brechen – und dabei ungewollt einen Mythos schuf, der mächtiger war als jede Mauer. Eine Geschichte über das Schweigen, das Schreien und die subversive Kraft der Wahrheit.