Der Historiker und Bestseller-Autor Yuval Noah Harari hat in einem Gespräch mit der Journalistin Sandra Maischberger eindringlich vor den Gefahren für die Demokratie durch moderne Technologien und den Aufstieg des Populismus gewarnt. In dieser Unterhaltung, die eine klare Analyse der gegenwärtigen politischen und technologischen Herausforderungen unserer Zeit bietet, thematisiert Harari, wie sehr Demokratie, soziale Stabilität und internationale Zusammenarbeit unter dem Einfluss von Desinformation, Populismus und unkontrollierter Künstlicher Intelligenz (KI) leiden.
Harari macht deutlich, dass er besorgt darüber ist, wie Populisten gezielt das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben und eine Gesellschaft erschaffen, in der das Vertrauen in objektive Fakten, unabhängige Institutionen und eine auf Regeln basierende Ordnung zunehmend verloren geht. Populisten würden versuchen, das Vertrauen der Menschen in die Institutionen, die die Demokratie stärken und sichern, systematisch zu zerstören. Sie förderten eine Weltanschauung, die von Zynismus und Machtdenken geprägt sei und in der Regeln, Normen und Wahrheit keine Bedeutung mehr hätten. „Populisten untergraben die Institutionen, die die Grundlage der Demokratie sind“, betont Harari und zeigt sich über die langfristigen Folgen für die Gesellschaft beunruhigt. In einer Welt, in der Macht das einzig Relevante sei und in der das Vertrauen in staatliche Institutionen und Medien verloren gehe, werde der Boden für autoritäre Regime bereitet, die Terror und Diktatur als Machtmittel einsetzen könnten. Harari sieht in diesen Entwicklungen eine erhebliche Gefahr, da autoritäre Kräfte oft genau dann die Kontrolle übernehmen, wenn das Vertrauen in die Demokratie untergraben ist.
Besonders kritisch äußert sich Harari zu den sozialen Medien und ihrer Rolle bei der Verbreitung von Desinformation. Die Flut an Informationen, die tagtäglich auf Plattformen wie Facebook, Twitter und TikTok verbreitet werde, mache es extrem schwierig, Fiktion von Fakten zu unterscheiden. Soziale Medien seien häufig nicht mehr ein Ort der Wissensverbreitung und des Austauschs, sondern vielmehr Plattformen, die gezielt Falschinformationen und polarisierende Inhalte fördern. Harari sieht hier ein strukturelles Problem: Während die Verbreitung von Lügen und vereinfachten Erklärungen oft sehr schnell vonstattengeht, sei das Erzählen der Wahrheit ein komplexer und langwieriger Prozess. Es brauche gründliche Recherche, ein fundiertes Wissen und oft auch viel Zeit, um die Wahrheit über komplexe Themen zu vermitteln – Ressourcen, die den sozialen Medien jedoch oft fehlen. „Die Wahrheit zu erzählen, erfordert Forschung und Recherche“, sagt Harari. Dadurch entstehe eine Art Teufelskreis, in dem die schnelle Verbreitung von Falschinformationen das Vertrauen der Menschen in die traditionelle Berichterstattung und in die wissenschaftliche Forschung unterminiere.
Eine weitere Sorge, die Harari äußert, betrifft die Künstliche Intelligenz. Die rasante Entwicklung der KI habe eine Dimension erreicht, die neue Fragen zur Rolle und Kontrolle dieser Technologie aufwerfe. KI sei längst nicht mehr nur ein einfaches Werkzeug, das Menschen unterstütze, sondern habe sich in einen eigenständigen Akteur entwickelt, der immer mehr Entscheidungen treffe, oft ohne menschliches Eingreifen oder Verständnis der vollen Tragweite dieser Entscheidungen. Besonders kritisch sieht Harari die Anwendung von KI im militärischen Bereich, wo autonome Waffensysteme Entscheidungen über Leben und Tod treffen könnten. „Wir bringen in die Welt Millionen neuer unabhängiger Akteure, die intelligenter sind als wir“, erklärt Harari. Diese Entwicklung könne die internationale Stabilität bedrohen, wenn nicht rechtzeitig geeignete Kontrollmechanismen geschaffen würden. Ohne klare Regeln und internationale Abkommen zur Regulierung von KI bestehe die Gefahr, dass Staaten und sogar Unternehmen eigenmächtig über den Einsatz und die Weiterentwicklung von KI entscheiden und damit unabsehbare Folgen für die globale Sicherheit in Kauf nähmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den Harari im Gespräch mit Maischberger anspricht, ist die fragil gewordene internationale Ordnung und der Bruch globaler Normen, wie es am Beispiel des Ukraine-Krieges deutlich werde. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine stelle nicht nur eine territoriale Aggression dar, sondern sei ein gefährlicher Präzedenzfall für die Weltordnung. Harari betont, dass die internationale Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg darauf beruhe, dass souveräne Staaten in ihrer territorialen Integrität respektiert würden. Wenn jedoch Staaten wie Russland ungestraft in andere, souveräne Länder einmarschieren könnten, gefährde dies die gesamte Nachkriegsordnung, die darauf ausgelegt sei, solche Konflikte zu verhindern. „Wenn man das Tabu bricht, dass man in anerkannte Staaten nicht einfallen darf, gerät die internationale Ordnung ins Wanken“, warnt Harari. Dies sei umso bedrohlicher, da autoritäre Staaten zunehmend die globale Bühne dominierten und ihre eigene Interpretation von Recht und Ordnung durchsetzen könnten, wenn die demokratischen Länder nicht geschlossen handelten und diese Verstöße verurteilten.
Trotz dieser düsteren Aussichten sieht Harari jedoch auch Möglichkeiten, die Demokratie und die internationale Ordnung zu stabilisieren und zu stärken. Er betont, dass der Schlüssel zur Bewältigung der gegenwärtigen Krisen im Zusammenhalt und in der Kooperation der demokratischen Staaten liege. Harari ist der Überzeugung, dass die internationalen Gemeinschaften und demokratische Gesellschaften angesichts der globalen Herausforderungen wie Populismus, Künstliche Intelligenz und internationaler Konflikte enger zusammenarbeiten müssen. Nur durch eine vereinte Front und den Austausch von Informationen und Ressourcen könnten die Demokratien ihre Position auf der Weltbühne festigen und den autoritären Strömungen entgegenwirken.
Am Ende des Gesprächs bleibt Harari nachdenklich, doch auch vorsichtig optimistisch. Er sieht die gegenwärtigen Herausforderungen als eine Prüfung für die Weltgemeinschaft und für die Demokratien, die zeigen müssen, dass sie nicht nur Krisen bewältigen können, sondern auch bereit sind, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein gerechteres und stabileres internationales System zu schaffen.