In einem besorgniserregenden Appell warnen zahlreiche Professorinnen und Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie weiterer Thüringer Hochschulen vor den möglichen Folgen einer Landesregierung mit Beteiligung der AfD. In einer gemeinsamen Erklärung, die fast 700 Mitglieder aus den Bereichen Wissenschaft und Forschung unterzeichnet haben, fordern sie eine stabile Landesregierung, die ohne die Unterstützung oder Duldung der rechtsextremen AfD gebildet wird. Diese Erklärung entstand in Kooperation mit der Initiative „Uni gegen Rechts“ und reflektiert die tiefgreifenden Sorgen der Wissenschaftler über die politische Entwicklung in Thüringen.
Die Wissenschaftler sehen die liberale Demokratie durch den Aufstieg der AfD ernsthaft gefährdet. Tilman Reitz, Professor für Wissenssoziologie und Gesellschaftstheorie an der Uni Jena, betont die Notwendigkeit, die vertrauenswürdigen demokratischen Parteien in die Verantwortung zu rufen. „Es zählt jetzt jede Wortmeldung“, erklärt Reitz und ruft dazu auf, trotz bestehender inhaltlicher Differenzen eine funktionierende Landesregierung zu bilden. Die Professoren sind sich einig, dass die Stärkung der AfD eine ernsthafte Bedrohung für die Werte der Demokratie und die gesellschaftliche Stabilität darstellt.
Ein weiterer zentraler Punkt der Erklärung ist die Besorgnis um die Zukunft der Hochschulen in Thüringen. Die Professoren befürchten, dass eine AfD-geführte Landesregierung eine „anti-akademische Stimmung“ fördern könnte, die sich negativ auf die Hochschulfinanzierung auswirken würde. „Zugleich sehen wir unsere Arbeit und das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit gefährdet“, wird in der Erklärung ausgeführt. Da die Länder für die Finanzierung der Hochschulen verantwortlich sind, könnten politische Entscheidungen direkt die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit beeinflussen. Insbesondere Institutionen wie der Studierendenrat sowie Gleichstellungs- und Diversitätsbüros würden als besonders gefährdet angesehen.
Angesichts dieser Risiken fordern die Wissenschaftler eine vorausschauende Sicherung der Hochschulfinanzierung. Die Zukunft der Wissenschaft sei auf ein weltoffenes Klima und internationale Kooperationen angewiesen, betonen sie. Ein erfolgreiches Hochschulsystem lebt von Vielfalt und einer offenen Gesellschaft, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, in einem förderlichen Umfeld zu arbeiten.
Tilman Reitz äußert zudem Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen einer AfD-Regierung auf die Mitarbeiter der Hochschulen. Er erklärt, dass eine solche Regierung möglicherweise dazu in der Lage wäre, finanzielle Mittel für Hochschulen zu streichen, die politisch missbilligte Positionen vertreten oder als unliebsam gelten. Diese Einschränkungen könnten dazu führen, dass keine neuen Stellen geschaffen oder vorhandene Positionen nicht nachbesetzt werden können, was langfristig die wissenschaftliche Arbeit in Thüringen gefährden würde.
Die jüngsten politischen Entwicklungen im Thüringer Landtag haben die Sorgen der Hochschulangehörigen bestärkt. „Unser Offener Brief hat sehr deutlich gezeigt, wie die Stimmung an den Hochschulen ist“, sagt Reitz. Dennoch ist man sich bewusst, dass mit dieser Stellungnahme nicht alle Bürger Thüringens überzeugt werden können. Besorgt blicken die Wissenschaftler auf die künftige Entwicklung der Studierendenzahlen. Reitz befürchtet, dass der Erfolg der AfD möglicherweise dazu führt, dass weniger Studierende aus anderen Bundesländern und insbesondere aus dem Ausland nach Thüringen kommen. „Das kann die Zukunft der Hochschulen bedrohen“, so Reitz.
Insgesamt verdeutlicht die Erklärung der Thüringer Professoren die tiefen Ängste, die mit dem politischen Aufstieg der AfD verbunden sind. Die Stimmen der Wissenschaftler sollen als Weckruf dienen, um die Bedeutung einer stabilen und demokratischen Regierung zu unterstreichen, die die Werte von Freiheit, Vielfalt und Wissenschaftsfreiheit schützt. In Zeiten, in denen politische Extremismen zunehmen, ist es unerlässlich, dass die akademische Gemeinschaft zusammensteht und ihre Stimme für eine offene und tolerante Gesellschaft erhebt.