Gelebte Geschichte: Videointerview mit Peter Neumann

Gelebte Geschichte: Videointerview mit Peter Neumann

Peter Neumann, geboren am 12. März 1955 in Berlin-Weißensee (damals Hohenschönhausen), blickt auf ein bewegtes Leben zurück, das stark von den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen in der DDR und der Wiedervereinigung geprägt ist. Bereits als Kind erlebte er die Teilung Berlins hautnah: Während des Mauerbaus im August 1961 befand er sich bei seiner Großmutter in West-Berlin, während seine Eltern im Osten lebten. Diese Erfahrung prägte seine Sicht auf die deutsch-deutsche Teilung und die darauffolgenden Entwicklungen.

In der Schule wurde schnell klar, dass ein Abitur für ihn nicht infrage kam, da er und seine Familie sich entschieden hatten, nicht der FDJ (Freie Deutsche Jugend) beizutreten. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, sich beruflich zu entfalten. Er begann eine Facharbeiterausbildung und arbeitete später in einem Betonwerk. Trotz der begrenzten Möglichkeiten in der DDR fand er Wege, sich aktiv zu engagieren, insbesondere im Bereich Umweltschutz. Er baute eine kleine Bibliothek im Betrieb auf, in der er Literatur zur Umweltproblematik sammelte und versuchte, das Bewusstsein seiner Kollegen für ökologische Fragen zu schärfen. Dieses Engagement spiegelte seinen Wunsch wider, Veränderungen vor Ort zu bewirken, ohne dabei provokativ aufzutreten.

Der Fall der Mauer am 9. November 1989 war für Neumann ein ambivalentes Ereignis. Zwar erkannte er die historische Bedeutung dieses Moments, doch er beobachtete auch, wie schnell die politischen Ideale der DDR-Bevölkerung, symbolisiert durch den Slogan „Wir sind das Volk“, in den Ruf nach Konsum und der D-Mark („Wir sind ein Volk“) umschlugen. Für ihn war dies eine Enttäuschung, da er gehofft hatte, dass die friedliche Revolution zu einer tiefgreifenderen gesellschaftlichen Veränderung führen würde.

In der Transformationszeit nach der Wiedervereinigung war Neumann in der Innenverwaltung tätig, wo er an der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beteiligt war. Dabei setzte er sich insbesondere für die Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität ein, die bereits in den letzten Monaten der DDR begann, als viele Funktionäre versuchten, sich staatlichen Besitz anzueignen.

Obwohl er den 3. Oktober 1990, den Tag der deutschen Einheit, nicht als sein Fest betrachtete und sich lange Zeit gegen die Vereinigung aussprach, erkennt er heute an, dass die Wiedervereinigung Deutschlands letztlich der beste Weg war. Mit 30 Jahren Abstand sieht er die Entwicklungen in einem anderen Licht und ist froh, auf der „richtigen Seite der Welt“ angekommen zu sein.

Heute engagiert sich Peter Neumann als Zeitzeuge, insbesondere in der Arbeit mit Jugendlichen. Er sieht es als seine Aufgabe, jungen Menschen, die die DDR nur aus Erzählungen kennen, ein realistisches Bild dieser Zeit zu vermitteln. Besonders schätzt er den Austausch mit Schülern und Lehrern, der ihm ermöglicht, Missverständnisse aufzuklären und die Komplexität der DDR-Geschichte zu erläutern. Dieses Engagement bereitet ihm große Freude, da es ihm ermöglicht, seine Erfahrungen weiterzugeben und zugleich von den Perspektiven der jüngeren Generationen zu lernen.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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