Welche Rolle spielen alternative Medien?

Kommunikationswissenschaftler der Uni Jena untersuchen in Kooperation mit der TU Ilmenau alternative Online-Medien

Jena. Jede Medaille hat zwei Seiten und es gehört zur guten journalistischen Praxis, diese beiden Seiten in den Blick zu nehmen. Seit einigen Jahren entsteht aber in der Medienlandschaft zunehmend der Eindruck, die Medaille habe mehr als zwei Seiten, ja womöglich sei sie gar keine Medaille. Von einem Korrektiv ist zuweilen die Rede, das diese alternativen Medien den etablierten Angeboten gegenüber einnehmen wollen.

Prof. Dr. Ines Engelmann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena möchte diese alternativen politischen Online-Medien mit ihrem Team in Kooperation mit der Technischen Universität Ilmenau genauer untersuchen. Das Projekt „Alternativ(los)? Einflussfaktoren auf die Populismuskonstruktion in alternativen politischen Online-Medien“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund 950.000 Euro gefördert, es wurde jetzt begonnen und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Die Produzenten nach ihrem Selbstverständnis befragen

Primär finden sich sogenannte alternative Online-Medien im rechten, konservativen und teilweise sogar rechtsextremen politischen Spektrum“, sagt Ines Engelmann. Doch ob diese neuen Medien den Diskurs bereichern oder sich vielleicht gegen das demokratische System positionieren oder gar zum Umsturz aufrufen, das wollen die Forscherinnen und Forscher um Ines Engelmann herausfinden. Ihr Forschungsprojekt gliedert sich in drei Teilstudien, von denen zwei in Jena und eine in Ilmenau bearbeitet werden.

Prof. Dr. Emese Domahidi und Dr. Anke Stoll in Ilmenau konzentrieren sich auf die zehn reichweitenstärksten Online-Angebote und analysieren deren Inhalte auf den jeweiligen Websites sowie sozialen Netzwerken wie Telegram. Im Fokus stehen Angebote wie „Tichys Einblick“, „Compact“ oder „PI-News“. Bei der Inhaltsanalyse, so erläutert Ines Engelmann, würden die Alternativ-Medien automatisiert mit etablierten Medien wie „Süddeutscher Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine“ und anderen verglichen. Der Fokus liege dabei auf Worten und Wortbedeutungen.

Ergänzend dazu wollen die Doktoranden Antonia Wurm und Immanuel von Detten von Jena aus die Produzenten und das Publikum der Alternativ-Medien in den Blick nehmen. „Wir wollen die Produzenten nach ihrem Selbstverständnis befragen, nach Strukturen und Zielen“, sagt Antonia Wurm. Noch sei aber nicht klar, ob die Produzenten der Alternativ-Medien tatsächlich Auskunft geben werden. „Diesen Punkt umgehen wir bei der Analyse des Publikums“, sagt Immanuel von Detten, „wo wir die veröffentlichten Nutzerbeiträge, darin enthaltene politische Feindbilder und Interaktionen mit den Produzenten beleuchten.“

Große Reichweite trotz geringer Ressourcen

Das Spektrum sogenannter alternativer politischer Online-Medienangebote (APOM) umfasse im deutschsprachigen Raum gegenwärtig etwa 120 Angebote, konstatiert Ines Engelmann. Sie reichten von linken, kapitalismuskritischen Medien über Kanäle von Verschwörungstheoretikern bis hin zu rechts-populistischen und rechtsextremen Medien. „Einen spürbaren Aufschwung erlebten diese Alternativ-Medien während der Corona-Pandemie“, sagt Antonia Wurm.

Weitere Reizthemen seien die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 gewesen und aktuell der Ukraine-Krieg. Gemeinsam sei diesen medialen Angeboten durch die Verlagerung ins Digitale eine große Reichweite bei vergleichsweise geringen Ressourcen. Offen sei allerdings, welche Ursachen diese Reichweite hervorrufen, das heißt, welche Motive von Produzenten und Nutzern die Inhalte der Alternativ-Medien mitbestimmen, schätzt Ines Engelmann ein. Spannend sei zudem die Frage, ob die Inhalte der Alternativ-Medien den demokratischen Diskurs erweitern oder sich eher gegen die Demokratie wenden. „Erst wenn es dazu Ergebnisse gibt, lässt sich entscheiden, inwieweit eine Regulierung alternativer Medien notwendig sein könnte“, sagt die Jenaer Kommunikationswissenschaftlerin.