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Björn Höcke zur Ministerpräsidentenwahl und AfD-Strategie in Thüringen

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Das Interview mit Björn Höcke, dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, bei der Landespressekonferenz am 5. Dezember 2024, behandelte verschiedene politische Themen und die strategische Ausrichtung der AfD in Thüringen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Ministerpräsidentenwahl.

Zu Beginn des Gesprächs ging es um die Frage, ob die AfD eine Kandidatur für den Posten des Ministerpräsidenten in Thüringen in Erwägung zieht. Höcke erklärte, dass die AfD als stärkste Fraktion im Landtag durchaus eine wichtige Rolle in den bevorstehenden Wahlgängen spielen werde, auch wenn die Entscheidung noch nicht endgültig gefallen sei. Er erwähnte, dass es innerhalb der AfD-Fraktion unterschiedliche Überlegungen gebe, ob man sich auf einen internen Kandidaten wie Mario Vogt stützen oder einen externen Bewerber aufstellen sollte. Diese Überlegungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen, und Höcke betonte, dass die Fraktion in den kommenden Tagen die verschiedenen Optionen weiter abwägen werde.

Höcke gab außerdem zu, dass es derzeit Unklarheiten über die genaue Taktik gebe. Während er die Möglichkeit einer Unterstützung für Vogt in Betracht zog, ließ er auch offen, ob es sinnvoll sei, Vogt in seiner Wahl zum Ministerpräsidenten „einfach tun zu lassen“, um zu sehen, ob sich seine politischen Widersprüche in der Praxis zeigen würden. Höcke widersprach der Annahme, dass die AfD darauf abziele, den politischen Prozess oder bestimmte Kandidaten bloß „vorzuführen“, sondern er betonte, dass die AfD als stärkste Kraft im Landtag ein starkes Mandat habe, das ihre politischen Ziele untermauere.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wie die AfD zu den sogenannten „Kartellparteien“ (SPD, CDU, Grüne) steht und ob die AfD intern darüber nachdenke, ihren politischen Kurs zu ändern, um Mehrheiten für eine Regierungsbildung zu gewinnen. Höcke antwortete, dass die AfD in Thüringen immer stärker werde, weil die bestehenden Parteien aus seiner Sicht „das Land gegen die Wand gefahren“ hätten, insbesondere in den Bereichen Energiepolitik, Einwanderung, Corona-Politik und Außenpolitik. Er stellte fest, dass immer mehr Thüringer von den etablierten Parteien abwichen, was der AfD zugutekomme. Auf die Frage nach extremen Äußerungen innerhalb der AfD reagierte Höcke ruhig und betonte, dass seine Partei nicht die Verantwortung für vergangene Einzelaussagen von Mitgliedern übernehmen könne, die er als „aus dem Zusammenhang gerissen“ betrachtete.

Ein zentrales Thema des Interviews war auch die Frage nach einem möglichen „Politikwechsel“ in Thüringen, der erforderlich wäre, um Mehrheiten zu gewinnen. Höcke wies darauf hin, dass die AfD stets auf Stabilität und eine konservative Ausrichtung der Landespolitik setze und die Notwendigkeit betone, eine stärkere Berücksichtigung bürgerlicher Werte zu erreichen. Es sei für die AfD klar, dass sie für eine stabile und zukunftsfähige Regierung in Thüringen eintrete, jedoch in Konkurrenz zu den „linken“ Kartellparteien, die nach seiner Meinung zu einer negativen Entwicklung des Landes geführt hätten.

Höcke ging auch auf die aktuellen politischen Konstellationen ein und erwähnte, dass eine mögliche Koalition zwischen der CDU und der Linken in Thüringen aus seiner Sicht sehr schwer zu realisieren sei. Er erklärte, dass die AfD bereit sei, parlamentarische Initiativen zu ergreifen, um auf die inneren Widersprüche der aktuellen Koalition hinzuweisen. Ein Beispiel für solche Spannungen sei die Windkraftpolitik im Wald, bei der die CDU im Wahlkampf gegen den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald aufgetreten sei, sich jedoch später im Koalitionsvertrag für die Möglichkeit eines Ausbaus im Wald ausgesprochen habe. Höcke deutete an, dass es in der Koalition brüchige Stellen gebe, die durch parlamentarische Initiativen der AfD verstärkt in den Fokus gerückt werden könnten.

Ein weiteres Thema war die Frage nach der Rolle der AfD in der Ministerpräsidentenwahl und dem dritten Wahlgang, bei dem Höcke erklärte, dass die AfD im Falle eines dritten Wahlgangs nicht vor das Verfassungsgericht ziehen werde, wenn weniger Ja- als Nein-Stimmen abgegeben würden. Die AfD werde die politischen Entwicklungen genau beobachten und sich für eine klare Position einsetzen, die mit den Interessen ihrer Wähler übereinstimme.

Abschließend ging Höcke auf die Spekulationen ein, dass er sich für eine Kandidatur für den Bundestag überlegt habe, aber daraufhin entschied, diese Möglichkeit nicht zu verfolgen. Seine Gründe, sich gegen eine Kandidatur zu entscheiden, erläuterte er nicht im Detail, gab aber zu verstehen, dass er weiterhin den Fokus auf die politische Arbeit in Thüringen legen wolle.

Insgesamt zeigte das Interview, dass die AfD in Thüringen in einer Phase der strategischen Neuorientierung steckt, wobei die Führung um Höcke weiterhin große Ambitionen hegt, die politische Landschaft in Thüringen zu prägen. Auch wenn noch nicht alle Entscheidungen getroffen sind, verfolgt die AfD einen klaren Kurs und wird weiterhin ihre Themen und Forderungen in den Vordergrund stellen.

Mark Müller über das Mieterstrommodell der Stadtwerke Dessau

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Am 5. Dezember 2024 gab Mark Müller, Fachbereichsleiter Energiedienstleistung der Stadtwerke Dessau, einen umfassenden Einblick in das Mieterstrommodell der Stadtwerke Dessau. Im Gespräch auf dem „Blauen Plaudersofa“ wurde die Bedeutung dieses innovativen Ansatzes für die Energiewende und die Vorteile für Mieter und Vermieter gleichermaßen hervorgehoben.

Mieterstrom – Was steckt dahinter?
Mieterstrom ermöglicht es Mietern, Strom direkt von einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) auf dem Dach ihres Wohngebäudes zu beziehen. Dabei bleibt das Modell denkbar einfach: Die Stadtwerke errichten die PV-Anlagen und übernehmen deren Betrieb. Der erzeugte Solarstrom wird ohne Umwege an die Bewohner geliefert. Überschüssiger Strombedarf, der nicht durch die PV-Anlage gedeckt werden kann, wird mit zertifiziertem Ökostrom aus dem Netz ergänzt.

Für die Mieter bedeutet dies: kürzere Wege, geringere Kosten und ein Beitrag zur Energiewende. „Unser Mieterstromprodukt ‚Dessau Strom SolarDreck‘ ist nicht nur unser günstigstes Angebot, sondern auch zu 100 Prozent ökologisch“, erklärte Mark Müller. Der Reststrom stammt aus dem Produkt „Dessau Strom Natur“, das ebenfalls ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gespeist wird.

Kooperation mit Wohnungsunternehmen
Die Stadtwerke Dessau haben das Mieterstrommodell zunächst in Zusammenarbeit mit dem Wohnungsverein umgesetzt, einem ihrer ersten Großkunden in diesem Bereich. Inzwischen wurden auch Vereinbarungen mit der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft (DWG) und der EVG Rottleben getroffen, wodurch zahlreiche Objekte in Dessau und Umgebung bereits mit PV-Anlagen ausgestattet sind.

Mark Müller betonte die Bedeutung solcher Partnerschaften: „Diese Zusammenarbeit ist essenziell, um das Mieterstrommodell flächendeckend in der Region anzubieten. Ohne die Unterstützung der Wohnungswirtschaft wäre ein solches Projekt in dieser Dimension kaum umsetzbar.“

Herausforderungen bei denkmalgeschützten Gebäuden
Eine besondere Herausforderung stellen denkmalgeschützte Gebäude dar. Die Installation von PV-Anlagen ist hier oft rechtlich schwierig. Müller erläuterte, dass es in jüngster Zeit jedoch gesetzliche Lockerungen gab, die erste Pilotprojekte ermöglichten. So konnten die Stadtwerke Dessau gemeinsam mit der Deutschen Denkmalschutzgesellschaft (DDG) neue Regelungen erarbeiten, um Mieterstrom auch auf denkmalgeschützten Gebäuden anbieten zu können.

„Es ist immer noch eine heikle Geschichte, aber wir sehen Fortschritte. Gerade im Pilotprojekt mit der DDG haben wir wichtige Schritte gemacht, um nachhaltige Energielösungen auch für diese besonderen Gebäude zu realisieren“, so Müller.

Die Rolle des Mieterstroms für die Energiewende
Mieterstrom spielt eine Schlüsselrolle in der dezentralen Energiewende. Der Ansatz minimiert den Stromtransport über weite Strecken und setzt auf lokale Erzeugung und Verbrauch. Dies entlastet nicht nur die Infrastruktur, sondern reduziert auch Kosten und Umweltbelastungen.

Müller hob hervor, dass Mieterstrom besonders effizient sei: „Die Energie wird dort erzeugt, wo sie verbraucht wird. Das spart nicht nur Übertragungsverluste, sondern auch Kosten für die Endkunden. Außerdem fördern wir durch diesen Ansatz die Akzeptanz erneuerbarer Energien bei den Verbrauchern.“

Weitere Energiedienstleistungen der Stadtwerke Dessau
Neben dem Mieterstrommodell bieten die Stadtwerke Dessau eine breite Palette weiterer Energiedienstleistungen an. Dazu gehören Pachtmodelle für Heizungs- und Klimaanlagen sowie innovative Kombiprodukte. Besonders gefragt sind derzeit Wärmepumpen, die mit klassischen Gasthermen kombiniert werden können, um sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile zu bieten.

„Unsere Kunden können sich vertrauensvoll an uns wenden, egal ob es um Mieterstrom, Wärmepumpen oder andere Energiedienstleistungen geht. Wir beraten individuell und finden für jeden Bedarf die passende Lösung“, betonte Müller.

Ein Modell mit Vorbildcharakter
Das Mieterstrommodell der Stadtwerke Dessau zeigt, wie lokale Energiedienstleister einen Beitrag zur Energiewende leisten können. Durch die enge Zusammenarbeit mit Wohnungsunternehmen und die Anpassung an gesetzliche Vorgaben gelingt es, nachhaltige Lösungen auch in komplexeren Kontexten wie denkmalgeschützten Gebäuden anzubieten.

Mark Müller schloss das Gespräch mit einer klaren Botschaft: „Die dezentrale Stromversorgung ist die Zukunft. Mit Modellen wie dem Mieterstrom schaffen wir es, die Energiewende greifbar und bezahlbar zu machen – für alle.“

Kontakt und weitere Informationen
Interessierte Mieter, Vermieter oder Institutionen können sich direkt an die Stadtwerke Dessau wenden, um mehr über das Mieterstrommodell oder andere Energielösungen zu erfahren. Die Experten vor Ort stehen bereit, um individuelle Fragen zu klären und maßgeschneiderte Angebote zu erstellen.

Mit Projekten wie diesen wird deutlich, wie Kommunen und lokale Energieversorger die Energiewende aktiv vorantreiben können – und dabei nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile für die Bürger schaffen. Das Mieterstrommodell ist ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu einer nachhaltigeren und effizienteren Energiezukunft.

Bürgerproteste gegen Windkraft – Stimmen aus dem Harz

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Der Harz, bekannt für seine beeindruckende Natur und touristische Attraktivität, steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Frage, wie die Energiewende mit dem Schutz der einzigartigen Landschaft vereinbart werden kann, beschäftigt die Menschen vor Ort. Bis vor Kurzem galten Windkraftanlagen in dieser Region aufgrund strenger gesetzlicher Vorgaben und ihrer Bedeutung für den Tourismus als ausgeschlossen. Doch diese Restriktionen wurden aufgehoben, und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat die Weichen für den Ausbau der Windenergie gestellt.

Im Sommer 2024 wurde das Waldgesetz reformiert, um Flächen für Windkraftnutzung auch im Harz zu ermöglichen. Das ehrgeizige Ziel: Bis 2027 sollen mindestens 1,2 Prozent der Fläche des Landkreises Harz für Windenergie ausgewiesen werden. Für viele Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies jedoch den Verlust eines vertrauten Lebensraums, der ihnen als Rückzugsort, Erholungsraum und identitätsstiftendes Naturgebiet dient.

Ein Regionalkonflikt in der Energiewende
Armin Willingmann, Minister für Umwelt und Energie in Sachsen-Anhalt, verteidigt die Pläne vehement. Beim jüngsten Brockenstammtisch hob er die Notwendigkeit hervor, die Energiewende voranzutreiben, dabei aber auch die Menschen mitzunehmen:

„Wir sind in einer entscheidenden Phase. Die Energiewende wird nur dann erfolgreich sein, wenn wir nicht nur den Klimaschutz vorantreiben, sondern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen. Es braucht echte Vorteile für die Kommunen, sowohl finanzieller Natur als auch durch Infrastrukturprojekte, die die Lebensqualität vor Ort stärken.“

Willingmann betonte außerdem, dass eine sensible Flächennutzung entscheidend sei, um den Eingriff in touristisch genutzte und ökologisch sensible Gebiete zu minimieren. Doch seine Worte konnten die aufgebrachten Gemüter vieler Bürgerinitiativen nicht besänftigen.

Widerstand aus der Bevölkerung
Die Proteste gegen die Windkraftpläne formieren sich insbesondere in kleinen Orten wie Breitenstein im Westharz. Dort sind 18 Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zum Ort vorgesehen. Für die Bewohner, darunter Bernd Ohlendorf von der Bürgerinitiative Pro-Südharz, sind die geplanten Windräder nicht nur eine optische Beeinträchtigung, sondern eine Bedrohung für die lokale Tierwelt.

Ohlendorf führt an, dass vor allem Fledermäuse und Zugvögel durch die Anlagen gefährdet seien. Auch Axel Schmelzer von der Bürgerinitiative Harz-Gerode Windkraftfrei sieht die Pläne kritisch. Seiner Ansicht nach würde die Natur des Harzes, die ohnehin schon durch den Klimawandel und Forstwirtschaft unter Druck steht, einer weiteren Belastung ausgesetzt:

„Es ist, als würde man ein ohnehin wankendes Gebäude mit zusätzlichen Steinen belasten. Der Harz kann nicht die gesamte Verantwortung der Energiewende schultern.“

Tourismus und Wirtschaft im Zwiespalt
Der Harzer Tourismusverband zeigt sich gespalten. Einerseits sieht man die Chance, durch Einnahmen aus Windkraftprojekten kommunale Haushalte zu entlasten und regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Andererseits fürchten Vertreter wie Johanna Kremer, Vorsitzende eines lokalen Fremdenverkehrsvereins, um das Landschaftsbild und die Attraktivität des Harzes als Reiseziel:

„Wenn wir die Unberührtheit des Harzes opfern, riskieren wir, das zu verlieren, was die Menschen hierherzieht. Es braucht eine Lösung, die uns als Tourismusregion nicht nachhaltig schädigt.“

Anreize und Kompromisse
Die Landesregierung plant, finanzielle Anreize für Kommunen zu schaffen, die Windkraftprojekte unterstützen. Betreiber von Windkraftanlagen sollen verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen an die Gemeinden abzuführen. Diese Mittel könnten für Infrastruktur, Schulen oder Freizeitangebote genutzt werden. Doch die Diskussion darüber, ob dies die negativen Auswirkungen aufwiegen kann, bleibt hitzig.

Laut Umfragen in der Region steht eine Mehrheit der Bürger den Plänen skeptisch gegenüber. Sie sehen die Versprechen der Politik kritisch, vor allem weil frühere Zusagen oft nicht eingehalten wurden. Besonders emotional wird das Thema, wenn es um konkrete Standorte geht, wie etwa Flächen in der Nähe des Nationalparks Harz oder geschützter Waldgebiete.

Dialog als Schlüssel?
Viele Experten sind sich einig, dass ein offener Dialog notwendig ist, um die unterschiedlichen Interessen zu vereinen. Stefan Lüders, ein unabhängiger Moderator, der ähnliche Konflikte in anderen Bundesländern begleitet hat, sieht vor allem in transparenten Verfahren und Bürgerbeteiligung eine Möglichkeit, die Spannungen zu entschärfen:

„Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingt, wenn die Menschen einbezogen werden. Projekte ohne echte Mitbestimmung führen zu Widerstand und Verzögerungen.“

Zukunft ungewiss
Während die ersten Vorbereitungen für den Ausbau der Windkraft im Harz anlaufen, bleibt die Zukunft des Projekts ungewiss. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Politik einen Weg findet, die Energiewende in der Region sozialverträglich und umweltgerecht umzusetzen. Eines steht fest: Der Harz steht vor einer tiefgreifenden Transformation – und die Frage, ob diese zum Vorteil aller gestaltet wird, bleibt offen.

Die Stimmen der Bürger, Kommunen und Naturschutzverbände werden in diesem Prozess entscheidend sein. Der Harz hat schon viele Herausforderungen gemeistert – ob er auch diese bestehen kann, wird sich zeigen.

Jenaer Tafel wird Teil des AWO-Regionalverbands: Integration ab 2025

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Die Jenaer Tafel steht vor einem bedeutenden Wendepunkt: Ab 2025 wird sie unter das Dach des AWO-Regionalverbandes Mitte Westthüringen integriert. Diese Entscheidung ist sowohl ein Schritt in Richtung Professionalität als auch eine Antwort auf die wachsenden Herausforderungen in der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen. Laut der Leiterin Katja Pfeiffer ist die Arbeit der Tafel geprägt von ständigen Herausforderungen, die durch die wirtschaftliche Lage und den Rückgang an Spenden verschärft werden.

Die Integration in den AWO-Regionalverband soll nicht nur den Betrieb stabilisieren, sondern auch das durch einen Veruntreuungsskandal im Jahr 2023 erschütterte Vertrauen wiederaufbauen. Sprecher der Tafel betonen, dass es zunehmend schwieriger wird, ausreichend Lebensmittel von Supermärkten und anderen Spendern zu erhalten. Die Tafel fungiert nicht als Vollversorgung, sondern versucht, die vorhandenen Ressourcen gerecht zu verteilen.

Die Entscheidung zur Zusammenarbeit mit der AWO sei auch eine Folge der gestiegenen Anforderungen an die Organisation. Wie Sprecher 1 erläutert, hat der Verein mit Jahresumsätzen von über einer halben Million Euro und einem Warenwert von zwei Millionen Euro eine Größe erreicht, die ehrenamtlich nur schwer zu bewältigen ist. Der Anschluss an die AWO soll helfen, die Struktur und Abläufe zu professionalisieren.

Darüber hinaus wird durch die Integration ein umfassenderes Angebot an sozialen Dienstleistungen angestrebt. Viele der Menschen, die die Tafel aufsuchen, benötigen zusätzliche Unterstützung. Die AWO sieht in der Zusammenarbeit eine Möglichkeit, die Betroffenen niederschwellig zu erreichen und weitere Hilfen bereitzustellen. Sprecher 4 unterstreicht die Wichtigkeit der Arbeit der Tafel, insbesondere in Hinblick auf Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung, und ruft in der Weihnachtszeit zu Spenden auf, um diese wertvolle Arbeit zu unterstützen.

Krankenhausschließung in Neuhaus am Rennweg in Thüringen

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Die Schließung des Krankenhauses Neuhaus am Rennweg ist ein brisantes Thema, das exemplarisch die Spannungsfelder im deutschen Gesundheitswesen beleuchtet. Sie steht für eine Entwicklung, die sowohl die strukturellen Schwächen als auch die finanziellen Grenzen ländlicher Versorgungssysteme offenlegt. Für die betroffene Region ist die Entscheidung mehr als nur eine wirtschaftliche Maßnahme – sie ist eine Zäsur im Alltag der Menschen, ein Weckruf an Politik und Gesellschaft gleichermaßen.

Ein Schock für die Region
Das Krankenhaus in Neuhaus, bis vor kurzem ein bedeutender Versorger in einer strukturschwachen Region, wird aufgrund der Insolvenz des Trägers Regiomed und der prekären finanziellen Situation des Landkreises Sonneberg geschlossen. Am 6. Dezember endet der Betrieb endgültig. Bereits seit dem 1. November war die Notaufnahme nur noch tagsüber geöffnet – ein erstes Anzeichen des Abbaus. Für die Bürger, vor allem in Orten wie Schmiedefeld und Reichmannsdorf, bedeutet dies längere Wege im Notfall und ein Gefühl der Unsicherheit. Viele kritisieren, dass dies einer Vernachlässigung des ländlichen Raums gleichkommt, einer Region, die ohnehin mit strukturellen Nachteilen kämpft.

Die Debatte um Gesundheitsversorgung
Eines der zentralen Argumente der Kritiker ist die Gefährdung der medizinischen Versorgung. Notfallpatienten müssen künftig weite Strecken zurücklegen, um Hilfe zu erhalten. In einem Gebiet, das bereits von maroden Straßen geprägt ist, wird dies zu einer realen Gefahr. „Wie lange dauert es noch, bis jemand in einem Notfall sein Leben verliert, weil die Rettung zu spät kommt?“ fragen Demonstranten bei Protestkundgebungen. Auch die Zukunft der hausärztlichen Versorgung ist unklar: Bereits jetzt fehlen Allgemeinmediziner in vielen ländlichen Gemeinden.

Die finanzielle Dimension
Die Befürworter der Schließung betonen die finanzielle Notwendigkeit. Der Landkreis Sonneberg sei nicht in der Lage, das Krankenhaus dauerhaft zu finanzieren. Zudem erleichtere das Insolvenzverfahren die Anpassung von Personalstrukturen, ein Umstand, der angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege zynisch wirken mag. Doch diese Argumentation überzeugt viele Bürger nicht. Die Schließung werde langfristig größere Kosten verursachen, so der Tenor, da die Belastung für umliegende Krankenhäuser steigt und Rettungsdienste stärker beansprucht werden.

Integrierte Notfallzentren – eine unklare Zukunft
Ein „integriertes Notfallzentrum“ soll langfristig die Versorgung sicherstellen. Doch konkrete Konzepte und eine belastbare Finanzierung fehlen bisher. Während die Politik dieses Modell als zukunftsweisend lobt, zweifeln viele an seiner Realisierbarkeit. „Was bleibt uns in der Zwischenzeit?“ fragen sich die Bürger. Übergangslösungen, die eine Versorgung bis zur Umsetzung des neuen Zentrums gewährleisten könnten, existieren nicht.

Die strukturellen Schwächen des ländlichen Raums
Die Schließung macht ein grundlegenderes Problem sichtbar: Die Vernachlässigung des ländlichen Raums in der bundesweiten Gesundheitspolitik. Neben fehlenden Hausärzten und Pflegepersonal zeigt die Entscheidung auch die Abhängigkeit vieler Regionen von finanziell angeschlagenen Trägern. Hinzu kommt eine Infrastruktur, die weder schnelle Rettungswege noch eine zeitgemäße Erreichbarkeit gewährleistet. Neuhaus wird hier zur Symbolfigur für einen flächendeckenden Rückzug öffentlicher Leistungen.

Die emotionale Perspektive
Die Proteste gegen die Schließung sind lautstark und emotional. Für viele Menschen steht die Entscheidung für eine wachsende soziale Ungleichheit. Demonstranten sprechen von existenziellen Ängsten und einer zunehmenden Vernachlässigung des ländlichen Raums. Bürgerinitiativen argumentieren, dass die Schließung mehr als nur eine wirtschaftliche Entscheidung sei – sie sei ein Symbol dafür, dass die Belange der Landbevölkerung in der politischen Agenda kaum Beachtung finden. „Wir werden vergessen“, lautet ein Satz, der auf vielen Plakaten zu lesen ist.

Eine offene Wunde
Die Schließung des Krankenhauses in Neuhaus am Rennweg ist ein exemplarisches Beispiel für die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Sie wirft grundlegende Fragen auf: Wie kann die Politik sicherstellen, dass auch abgelegene Regionen eine adäquate medizinische Versorgung erhalten? Welche Rolle spielen finanzielle Überlegungen gegenüber der Verantwortung für die Bürger? Und was sagt diese Entwicklung über die Zukunft der Daseinsvorsorge in Deutschland aus? Antworten auf diese Fragen gibt es bislang nicht. Doch eines ist sicher: Die Wunden, die diese Entscheidung in der Region hinterlässt, werden lange sichtbar bleiben.

KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS 2 – Alte Helden, neue Mission

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Die legendären Kundschafter des Friedens kehren zurück – und das auf eine Art, die Fans des ersten Teils begeistert. Ab dem 23. Januar 2024 dürfen sich Kinozuschauer auf die Fortsetzung der erfolgreichen Agentenkomödie freuen. Unter der Regie von Robert Thalheim (Eltern, Kundschafter des Friedens) wagt sich das eingespielte Spionage-Dreamteam in ein neues Abenteuer, das an Witz, Spannung und politischen Anspielungen nichts vermissen lässt.

Die Handlung: Fidel, Vollpension und eine letzte Bastion
Im Mittelpunkt steht wieder die einstige Crème de la Crème unter den DDR-Auslandsspionen. Jahrzehnte nach ihren glorreichen Einsätzen – wie etwa der Rettung Fidel Castros bei einem Staatsbesuch an der Ostsee – sind die Protagonisten längst im Ruhestand. Doch das beschauliche Leben mit Cuba Libre und Vollpension wird jäh unterbrochen, als sie zur Beerdigung ihres alten Mentors nach Kuba reisen. Dort erwartet sie nicht nur eine emotionale Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch eine neue Mission, die ihre Loyalität, ihren Einfallsreichtum und ihre altbewährten Spionagefähigkeiten auf die Probe stellt.

Die Agenten stehen vor der Herausforderung, die sogenannte letzte Bastion des Sozialismus vor dem Ausverkauf an skrupellose Geschäftemacher zu bewahren. Dabei sind sie nicht nur mit Verrat auf höchster Ebene konfrontiert, sondern auch mit den eigenen körperlichen und mentalen Grenzen, die das fortgeschrittene Alter mit sich bringt. Ihre größten Gegner könnten jedoch keine internationalen Feinde sein, sondern vielmehr das Leben im Ruhestand, das mit seinen eigenen Tücken aufwartet.

Eine Riege hochkarätiger Schauspieler
Das Herzstück des Films ist zweifellos das herausragende Ensemble, das die Charaktere auf charmante, witzige und authentische Weise zum Leben erweckt. Allen voran brilliert Henry Hübchen (Die Känguru-Chroniken, Stasikomödie) als charismatischer Anführer der Truppe. Ihm zur Seite stehen die ebenso bekannten Größen Katharina Thalbach (Ich bin dann mal weg, Ich war noch niemals in New York), Thomas Thieme (Wir waren Könige, Fritz Lang – Der andere in uns) und Winfried Glatzeder (Der letzte Sommer der Reichen, Kundschafter des Friedens).

Eine besonders starke Ergänzung erhält die Truppe durch Corinna Harfouch (Lara, Sterben), die als Gegenspielerin eine wichtige Rolle einnimmt. Auch Alberto Ruano sorgt für frischen Wind in der Geschichte. Gemeinsam schafft das Ensemble eine Atmosphäre, die gleichermaßen nostalgisch wie zeitgemäß ist und die Zuschauer auf eine rasante Reise mitnimmt.

Produktion und Förderung
Kundschafter des Friedens 2 ist eine Produktion der Kundschafter Filmproduktion in Zusammenarbeit mit ZDF und Arte. Die Umsetzung dieses ambitionierten Projekts wurde durch die Unterstützung verschiedener Filmförderungen ermöglicht, darunter das Medienboard Berlin-Brandenburg, die Mitteldeutsche Medienförderung, Nordmedia, die MV Filmförderung, die Filmförderungsanstalt sowie der Deutsche Filmförderfonds (DFFF).

Die professionelle Produktion sorgt dafür, dass der Film nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell und technisch höchsten Standards entspricht. Die Drehorte, insbesondere die kubanischen Kulissen, verleihen der Geschichte zusätzlich Authentizität und einen Hauch von Exotik.

Warum Kundschafter des Friedens 2?
Die Fortsetzung ist weit mehr als eine simple Aneinanderreihung von Witzen und Spionageklischees. Vielmehr gelingt es Regisseur Robert Thalheim, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Der Film greift gesellschaftliche Themen wie den Ausverkauf sozialistischer Werte, den Generationswechsel und die Bedeutung von Loyalität auf, ohne dabei den humorvollen Grundton zu verlieren.

Besonders spannend ist die Darstellung der ehemaligen Geheimagenten, die trotz fortgeschrittenen Alters zeigen, dass Erfahrung, Kreativität und Teamgeist unersetzlich sind. Dabei sind sie nicht nur Sympathieträger, sondern auch Spiegelbild einer Generation, die sich zwischen Nostalgie und modernem Wandel wiederfindet.

Ein Kinofilm für jeden Geschmack
Kundschafter des Friedens 2 bietet alles, was einen gelungenen Film ausmacht: Spannung, Humor, großartige Schauspieler und eine Handlung, die zum Nachdenken anregt. Die Rückkehr der pensionierten Spione verspricht ein Kinoerlebnis, das Fans des ersten Teils ebenso begeistert wie Neulinge, die die Figuren erstmals kennenlernen.

Ab dem 23. Januar 2024 heißt es also: Zurücklehnen, genießen und sich von einem Film verzaubern lassen, der es schafft, Nostalgie mit einer zeitgemäßen Botschaft zu verbinden. Kundschafter des Friedens 2 ist mehr als nur eine Fortsetzung – es ist ein humorvoller, spannender und berührender Abschied von einer Ära.

Kretschmer fordert politische Einheit und Zusammenarbeit „aus der Mitte heraus“

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Die Pressekonferenz am 04. Dezember 2024 zum Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD in Sachsen gab einen detaillierten Einblick in die politische Ausrichtung und die Ziele der neuen Minderheitsregierung. Die Verhandlungen und der Entstehungsprozess des Koalitionsvertrags wurden als Ergebnis intensiver Gespräche und Zusammenarbeit zwischen Ehrenamtlichen, Hauptamtlichen und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen dargestellt. Der Vertrag umfasst eine Vielzahl von Themen, die als dringend notwendig angesehen werden, um Sachsen zukunftsfähig zu machen.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betonte, dass der Koalitionsvertrag ein „beeindruckendes Werk“ sei, das aus vielen verschiedenen Perspektiven gestaltet wurde. Dabei hob er hervor, dass es sich um ein Dokument handelt, das zwar mit einem gewissen Haushaltsvorbehalt unterzeichnet wird, jedoch wichtige Weichen für die Zukunft stellen soll. Besonders im Hinblick auf den Haushalt und den Generationenfonds wurden Maßnahmen zur finanziellen Stabilität und zur langfristigen Sicherung des Wohlfahrtsstaates in Sachsen angesprochen.

Ein zentrales Element des Koalitionsvertrags ist die Festlegung auf den Ausbau erneuerbarer Energien, um die Energiepreise zu senken und die Wirtschaft zu stärken. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Generationenfonds, dessen Bedeutung in der aktuellen finanziellen Lage unterstrichen wurde. Für Kretschmer ist der Fonds nicht nur ein finanzielles Polster, sondern auch ein Instrument, um Sachsens Zukunft nachhaltig zu gestalten.

In Bezug auf die politische Kultur und Zusammenarbeit betonte Kretschmer die Notwendigkeit einer neuen Kultur der Zusammenarbeit, um das Land „aus der Mitte heraus zu vereinen“. Der Konsultationsmechanismus, der in diesem Koalitionsvertrag als neues Modell eingeführt wird, soll es ermöglichen, dass auch in einer Minderheitsregierung eine breite Unterstützung für wichtige Projekte gefunden wird. Dieser Mechanismus soll alle Parteien frühzeitig in die Entscheidungsprozesse einbeziehen, was eine größere Flexibilität bei der Mehrheitsfindung ermöglichen soll.

Janik Treiber, Politikwissenschaftler, gab in der anschließenden Diskussion eine Einschätzung ab, inwieweit dieser Konsultationsmechanismus in der Praxis funktionieren könnte. Er hob hervor, dass Minderheitsregierungen in der Regel Schwierigkeiten haben, ihre Pläne vollständig umzusetzen, da stets eine Mehrheit gesucht werden muss. Besonders die AfD könnte den Konsultationsmechanismus ausnutzen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen und die Regierung unter Druck zu setzen.

Die Pressekonferenz verdeutlichte die Herausforderungen, die mit der Bildung einer Minderheitsregierung und der Umsetzung eines so umfangreichen Koalitionsvertrags verbunden sind. Dennoch wurde der Konsultationsmechanismus als innovativer Ansatz präsentiert, um die politische Landschaft in Sachsen in den kommenden Jahren zu gestalten. Es bleibt abzuwarten, wie dieser Mechanismus in der Praxis funktioniert und ob er in der Lage ist, die gewünschten Mehrheiten zu sichern.

Wilhelm Domke-Schulz: Die Strategische Planung der „Übernahme“ der DDR

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Wilhelm Domke-Schulz äußert in seinem Beitrag eine deutliche Kritik an der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eingliederung Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung. Sein zentrales Argument lautet, dass der sogenannte Anschluss der DDR an die Bundesrepublik nicht als gleichwertige Vereinigung zweier Staaten verstanden werden kann, sondern vielmehr als strategisch geplante Übernahme. Diese Sichtweise prägt seine Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen der Wiedervereinigung, die er als einen Akt der systematischen Schwächung des Ostens beschreibt.

Bereits in den 1950er Jahren, so Domke-Schulz, habe es in der Bundesrepublik detaillierte Pläne gegeben, wie die DDR bei einem Zusammenbruch in die westdeutsche Ordnung eingegliedert werden könne. Diese Planungen, die seiner Darstellung nach zunächst unter der Leitung eines „Reichskommissars für Finanzen“ entwickelt wurden, seien strategisch darauf ausgerichtet gewesen, die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der DDR gezielt zu übernehmen und aufzulösen. Nach einer Phase der Entspannungspolitik unter Willy Brandt seien diese Pläne unter Bundeskanzler Helmut Kohl wieder aufgegriffen worden. Dabei habe Horst Köhler, später Präsident der Bundesrepublik, eine Schlüsselrolle gespielt. Laut Domke-Schulz ging es in diesen Plänen nicht um eine partnerschaftliche Eingliederung der DDR, sondern vielmehr darum, die ostdeutsche Wirtschaft zu demontieren, deren Vermögenswerte zu veräußern und die Region so in eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Westen zu zwingen.

Ein zentraler Kritikpunkt ist die wirtschaftliche Transformation Ostdeutschlands, die Domke-Schulz als „Plünderung“ beschreibt. In seinen Augen wurden große Teile der ostdeutschen Wirtschaft in den Jahren nach 1990 zerstört, um sie als Konkurrenz für westdeutsche Unternehmen auszuschalten. Er verweist darauf, dass etwa 70 Prozent der Wirtschaftsstrukturen der DDR vollständig verschwunden seien, während die restlichen 30 Prozent überwiegend von westdeutschen Unternehmen übernommen wurden. Diese Übernahmen seien zu „Spottpreisen“ erfolgt, wodurch sich westdeutsche Akteure massiv bereichert hätten. Zugleich habe der Osten dadurch keine Möglichkeit gehabt, eine eigenständige wirtschaftliche Basis aufzubauen, die ihn langfristig konkurrenzfähig gemacht hätte.

Eine weitere Folge dieser wirtschaftlichen Schwächung sei die massive Abwanderung junger und gut ausgebildeter Arbeitskräfte in den Westen. Ostdeutschland habe so nicht nur wichtige Talente verloren, sondern auch die finanziellen Ressourcen, die in deren Ausbildung investiert worden seien. Diese Abwanderung habe zur Überalterung der ostdeutschen Gesellschaft beigetragen und die strukturellen Probleme der Region weiter verschärft. Für Domke-Schulz ist dies ein zentraler Grund, warum der Osten heute keine Chance habe, sich eigenständig zu entwickeln: Ohne eine starke wirtschaftliche Basis und eine junge, dynamische Bevölkerung sei es nahezu unmöglich, langfristig Perspektiven zu schaffen.

Auch in den Bereichen Medien und Eigentum sieht Domke-Schulz eine klare Dominanz westdeutscher Akteure. So sei die ostdeutsche Medienlandschaft vollständig in den Händen westdeutscher Verlage, die oft aus einer Tradition profitierten, die bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückreiche. Diese Unternehmen hätten eine Meinungsmonopolstellung erlangt, die es erschwere, unabhängige ostdeutsche Perspektiven zu artikulieren. Ähnlich sei es bei Immobilien und anderen Vermögenswerten, die nach der Wende großflächig an westdeutsche Investoren gegangen seien. Diese Entwicklungen trügen dazu bei, dass viele Ostdeutsche das Gefühl hätten, in ihrer eigenen Heimat zu Fremden geworden zu sein, während westdeutsche Akteure von den Veränderungen profitierten.

Ein besonders polemischer Punkt in Domke-Schulz’ Analyse ist seine Verwendung von Begriffen wie „Kolonisation“ und „Besatzung“. Er sieht den Osten nicht als gleichberechtigten Teil der Bundesrepublik, sondern als eine Art Kolonie, die wirtschaftlich ausgebeutet und politisch marginalisiert werde. Westdeutsche hätten in dieser Konstruktion die Rolle der „Siedler“ oder „Kolonisten“ übernommen, die in Führungspositionen säßen und von der Schwächung des Ostens profitierten. Für sie gebe es keinen Grund, die Unterschiede zwischen Ost und West wahrzunehmen, da sie selbst in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend als Gewinner hervorgegangen seien. Für viele Ostdeutsche sei diese Trennung jedoch weiterhin spürbar, da sie die Verluste unmittelbar erlitten hätten.

Domke-Schulz sieht diese Entwicklungen nicht als Folge von Zufällen oder Fehleinschätzungen, sondern als Ergebnis einer gezielten Strategie, die darauf abzielte, Ostdeutschland langfristig wirtschaftlich und politisch abhängig zu machen. Offizielle Erklärungen, man habe 1990 keine Alternativen gekannt oder sei unvorbereitet gewesen, seien seiner Meinung nach reine Schutzbehauptungen, um die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Absichten hinwegzutäuschen. Die systematische Schwächung des Ostens habe letztlich dazu geführt, dass die Region auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung strukturell benachteiligt sei.

Insgesamt vermittelt Domke-Schulz ein düsteres Bild der Wiedervereinigung, das geprägt ist von einer tiefen Frustration über die anhaltenden Ungleichheiten zwischen Ost und West. Seine Darstellung mag in Teilen polemisch sein, trifft jedoch einen Nerv, der bei vielen Menschen in Ostdeutschland nach wie vor besteht. Die von ihm angesprochenen Probleme – die wirtschaftliche Abhängigkeit, die demografische Entwicklung und die fehlende Meinungsvielfalt – sind real und bedürfen auch heute noch einer ernsthaften Auseinandersetzung. Allerdings bleibt die Frage offen, welche Lösungen Domke-Schulz für die beschriebenen Probleme vorschlägt. Seine Analyse konzentriert sich stark auf die Kritik an der Vergangenheit, ohne konkrete Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen.

Interview zur Fernwärmeversorgung in Jena – Planung und Ziele der Stadtwerke

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In einem ausführlichen Gespräch mit Udo Weingart, dem Vertriebsleiter der Stadtwerke Jena, wurde der aktuelle Stand und die geplanten Schritte zum Ausbau der Fernwärme in der Stadt beleuchtet. Die Fernwärme stellt eine zentrale Säule für die angestrebte Wärmewende in Jena dar, und Weingart erklärte, wie die Stadtwerke vorgehen, um die Klimaziele bis 2035 zu erreichen.

Jena strebt an, bis 2035 klimaneutral zu werden, was eine zentrale Rolle für die Fernwärmeversorgung bedeutet. Schon heute versorgt Jena über 50 Prozent der Haushalte mit Fernwärme, was im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von unter 20 Prozent eine beachtliche Zahl darstellt. Um die Stadt noch weiter auf dem Weg zur Klimaneutralität voranzutreiben, planen die Stadtwerke, Fernwärmeanschlüsse dort auszuweiten, wo es wirtschaftlich und technisch sinnvoll ist. Besonders in den bereits erschlossenen Gebieten soll die Fernwärmeversorgung durch eine sogenannte Anschlussverdichtung weiter verbessert werden. Darüber hinaus wird an der Erweiterung des bestehenden Wärmenetzes gearbeitet.

Aktuell wird Fernwärme in Jena hauptsächlich aus Erdgas erzeugt, einem fossilen Energieträger. Doch die Stadt verfolgt ehrgeizige Ziele für die Wärmewende und strebt eine Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2035 an. Für die Umstellung sollen verschiedene erneuerbare Energiequellen genutzt werden. Dazu gehören unter anderem die Nutzung von Flusswasserthermie aus der Saale, die Abwärme von Industriebetrieben sowie potenzielle Anwendungen aus Abwasser und thermischen Prozessen. Im Rahmen der Wärmenetzstrategie 2040 werden verschiedene Optionen geprüft, um die Fernwärmeversorgung auf nachhaltige Quellen umzustellen. Ein Beispiel für diese Umstellung ist das bereits bestehende Projekt zur Flusswasserthermie, das in Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Kraftwerks Jena-Winsala vorangetrieben wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Planung ist die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, das künftig in Jena durch das geplante Wasserstoffkernnetz zur Verfügung stehen soll. Allerdings ist es noch unklar, wann und in welchem Umfang Wasserstoff verfügbar sein wird. Die genaue Rolle von Wasserstoff in der Fernwärmeversorgung bleibt daher abzuwarten.

Für den Übergang zur Klimaneutralität wird weiterhin Erdgas als Backup für die Fernwärmeversorgung notwendig sein. Dies ist vor allem für die Übergangszeit relevant, bis die Fernwärmeerzeugung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt ist. Während der Umstellung wird auch die kombinierte Erzeugung von Strom und Fernwärme beibehalten, um die Effizienz zu maximieren und eine stabile Versorgung zu gewährleisten.

Die Stadtwerke Jena haben sich ambitionierte Ziele gesetzt. Um die Wärmewende in der geplanten Zeit umzusetzen, müssen jährlich acht bis zehn Kilometer an Fernwärmeleitungen verlegt werden, was die Bautätigkeit erheblich steigern würde. Zusätzlich müssen bestehende Anlagen ertüchtigt und neue Kundenanschlüsse installiert werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Partnern, einschließlich Handwerkern, die für den Umbau der Heizungsanlagen zuständig sind.

Neben den Bestandsgebieten, die bereits mit Fernwärme versorgt werden, wird in der Stadt auch das Thema der Wärmedichte in neuen Gebieten eine wichtige Rolle spielen. In Gebieten mit niedriger Siedlungsdichte wird es nicht immer wirtschaftlich möglich sein, Fernwärme anzubieten. Hier untersuchen die Stadtwerke die Möglichkeit, alternative Lösungen wie kalte Netze zu implementieren, bei denen die Haushalte mit Wärmepumpen versorgt werden. In solchen Gebieten könnte eine Versorgung mit kaltem Wasser (etwa 20 Grad Celsius) eine sinnvolle Alternative zur Fernwärme darstellen, da so die Notwendigkeit von Wärmepumpen mit Lüftern oder Tiefenbohrungen vermieden werden kann.

Die kommunale Wärmeplanung ist ein weiteres zentrales Thema. Diese Planung, die jede Kommune mit einer bestimmten Größe aufstellen muss, zeigt auf, wie die Wärmeversorgung in der Zukunft auf erneuerbare Energien umgestellt werden kann. Die Stadtwerke Jena sind aktiv in die kommunale Wärmeplanung involviert, die die Grundlage für den Ausbau der Fernwärmeversorgung bildet. Die Planung stellt sicher, dass alle relevanten Quartiere auf ihre Eignung für Fernwärme geprüft werden und alternative Lösungen wie Wärmepumpen oder auch die Nutzung von Wasserstoff berücksichtigt werden.

Im Interview mit Christian Uhlmann von JenaTV erläuterte Udo Weingart, wie der aktuelle Stand der Fernwärmeversorgung ist und welche nächsten Schritte die Stadtwerke in Angriff nehmen werden, um die Klimaneutralität zu erreichen. Darüber hinaus gab Weingart Hinweise, wo sich Kund:innen genauer über die geplanten Maßnahmen informieren können. Die Stadtwerke Jena setzen auf Transparenz und bieten eine interaktive Karte an, die es den Bürger:innen ermöglicht, sich über den geplanten Ausbau der Fernwärmeversorgung zu informieren. Diese Karte wird kontinuierlich aktualisiert und gibt den Anwohner:innen die Möglichkeit, sich zu registrieren, wenn ihre Straße in den kommenden Jahren an das Fernwärmenetz angeschlossen wird.

Die Stadtwerke stehen vor großen Herausforderungen, aber auch vor der Chance, Jena auf den Weg zur Klimaneutralität zu führen. Die Zusammenarbeit mit den Bürger:innen, Handwerkern und verschiedenen Partnern wird entscheidend sein, um die ambitionierten Ziele zu erreichen und die Stadt zukunftsfähig zu machen.

Stadtwerke Jena stellen drei Tage Hochtemperatur-Fernwärmenetz ab

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Die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck machen im kommenden Jahr einen bedeutenden Schritt in Richtung klimaneutraler Fernwärmeversorgung für Jena. Um künftig Fernwärme aus erneuerbaren Energien anstatt fossilem Erdgas zu erzeugen, müssen niedrigere Betriebstemperaturen im Netz erreicht werden. Daher wird im Mai 2025 ein Dampf-Fernwärme-Teilnetz in Jena-Süd stillgelegt und an das Hauptnetz angeschlossen.

Diese Umstellung wird eine großflächige Unterbrechung der Fernwärmeversorgung zur Folge haben. Die Stadtwerke kündigen an, dass in der Mitte von Mai 2025 für voraussichtlich drei Tage keine Fernwärme zur Verfügung stehen wird. Die betroffenen Gebiete umfassen das Stadtzentrum, Jena-Süd, Jena-West und Jena-Nord mit etwa 1.000 Abnahmestellen und rund 12.000 Haushalten. Einige Bereiche, wie die Wohngebiete Nord 2 und Nord 3, werden teils über die Biogasanlage in Zwätzen weiter versorgt, jedoch kann es auch hier je nach Witterung und Wärmebedarf zu Einschränkungen kommen.

Vorankündigung: Mitte Mai 2025 drei Tage keine Fernwärme für große Teile Jenas 

Die Stadtwerke informieren ihre Kunden im Voraus, um den Verzicht auf warme Heizungen und Wasser während dieser Zeit vorzubereiten. Die genaue Terminplanung wird bekannt gegeben, sobald die Vergabe der Aufträge an Fachunternehmen abgeschlossen ist. Die Arbeiten sind von einer notwendigen Unterbrechung des Zugverkehrs durch die Deutsche Bahn AG abhängig und können nicht ohne Weiteres angepasst werden.

Das Dampfnetz, das derzeit mit bis zu 320 Grad heißem Wasserdampf betrieben wird, erstreckt sich über sieben Kilometer von Winzerla bis zum Wissenschafts- und Industriestandort Jena-Süd. Da die Nachfrage nach Prozessdampf zurückgegangen ist und das Hochtemperaturnetz für die Nutzung erneuerbarer Energien ungeeignet ist, erfolgt nun eine Umstellung auf ein moderneres und zukunftsfähigeres Heißwassernetz. Die größte technische Veränderung am Fernwärmenetz seit den 1990er Jahren wird in mehreren Baumaßnahmen umgesetzt, unter anderem mit dem Verlegen neuer Heißwassertrassen und dem Umbau von Wärmeübertragerstationen.

Die Stadtwerke bitten um Verständnis für die temporären Einschränkungen und bieten stets aktuelle Informationen sowie weitere Details zum Projekt an.