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Jena – Eine Stadt im Schatten der DDR

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Im Jahr 1978 war Jena eine typische Stadt der DDR – von sozialistischer Architektur geprägt, wirtschaftlich eng verflochten mit dem industriellen Komplex der DDR und zugleich ein Zentrum für Wissenschaft und Forschung. Als Heimat von Carl Zeiss, dem weltbekannten Hersteller optischer Geräte, und der Friedrich-Schiller-Universität, zog die Stadt viele Akademiker und Fachleute an. Doch hinter dem vermeintlich stabilen Bild einer prosperierenden Industriestadt verbarg sich auch die Realität der politischen und sozialen Einschränkungen, die das Leben in der DDR prägten.

Jena, mit etwa 100.000 Einwohnern, war in dieser Zeit eine Stadt im Herzen des sozialistischen Staates. Die Plattenbauten und stalinistische Architektur prägten das Stadtbild, während die Industrieunternehmen – vor allem Zeiss – die wirtschaftliche Grundlage der Stadt bildeten. Diese Firmen stellten nicht nur optische Geräte wie Mikroskope und Kameras her, sondern waren auch ein wichtiges Symbol für die technologische Entwicklung der DDR. Der Einfluss von Carl Zeiss reichte über die Landesgrenzen hinaus, und das Unternehmen war ein Aushängeschild für die DDR-Industrie.

Die Friedrich-Schiller-Universität war nicht nur ein akademisches Zentrum, sondern auch ein Ort der wissenschaftlichen Innovation. Insbesondere die Physik und Mathematik waren Disziplinen, in denen die Universität internationale Anerkennung fand. Doch auch in der Wissenschaft gab es Einschränkungen: Themen, die nicht mit der sozialistischen Ideologie in Einklang standen, wurden oftmals zensiert. Die Forschung war durch die politischen Vorgaben der DDR reglementiert, und die akademische Freiheit war nicht unbeschränkt.

Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt und ihrer wissenschaftlichen Errungenschaften war das Leben in Jena im Jahr 1978 von den politischen Gegebenheiten der DDR bestimmt. Die Bürger lebten in einem strengen Überwachungsstaat, der Meinungsfreiheit und Reisefreiheit stark einschränkte. Politische Dissidenz war nicht nur unerwünscht, sondern wurde auch verfolgt. Der sozialistische Alltag, von der Arbeit über Freizeitgestaltung bis hin zum kulturellen Leben, war einem engmaschigen Netz an Ideologien und Vorschriften unterworfen.

Doch Jena war auch eine Stadt des kulturellen Lebens. In den Theatern, auf den Sportplätzen und in den Straßen fand eine vielfältige kulturelle Szene statt – wenn auch stark reglementiert. Veranstaltungen, die nicht im Einklang mit der sozialistischen Ideologie standen, wurden vermieden, und auch die Kunst war nicht frei. Dennoch gab es im täglichen Leben eine spürbare Energie, ein Streben nach Gemeinschaft und kultureller Identität, das trotz der Einschränkungen Bestand hatte.

Jena 1978 war also eine Stadt zwischen Fortschritt und Kontrolle, zwischen Wissenschaft und Zensur, zwischen Wohlstand und Einschränkung. In einer Zeit, in der die DDR ihre politische Stabilität und ihren Einfluss ausbaute, war Jena ein Mikrokosmos dieser widersprüchlichen Welt – eine Stadt, die sich nicht nur durch ihre industrielle und wissenschaftliche Bedeutung auszeichnete, sondern auch durch die Herausforderungen, die das Leben in einem totalitären Staat mit sich brachte.

Kinderbetreuung zwischen Ost und West – Ein geteiltes Erbe

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In Deutschland hat die Kinderbetreuung stets eine zentrale Rolle gespielt, wenn es darum ging, Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Dabei haben unterschiedliche staatliche Konzepte in Ost- und Westdeutschland zu kontrastierenden Modellen geführt – Modelle, deren Vor- und Nachteile noch immer nachwirken.

Pionierarbeit in der DDR
Bereits in den 1950er Jahren setzte die DDR auf eine flächendeckende Betreuung ihrer jüngsten Bürger. Frauen sollten schon wenige Wochen nach der Geburt wieder arbeiten, ein politisches Ziel, das maßgeblich auf der Notwendigkeit beruhte, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern. Zunächst nach nur sechs Wochen – später sogar erst nach drei, sechs und dann zwölf Monaten – sollten Mütter ihre Kinder in staatlich organisierte Betreuungseinrichtungen übergeben.

Dieses ambitionierte Programm umfasste den Ausbau von Kindergärten für Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie Kinderkrippen, in denen auch Kleinkinder unter drei Jahren betreut wurden. Zusätzlich wurden innovative Modelle wie die „Wochenkrippen“ eingeführt, die speziell auf die Bedürfnisse von berufstätigen Müttern im Schichtbetrieb zugeschnitten waren. Dabei konnten Mütter ihre Kinder am Sonntagabend oder Montagmorgen abgeben, um sie am Wochenende für einige Stunden wieder abzuholen.

Doch hinter dem staatlichen Anspruch, Frauen und Kinder gleichermaßen zu fördern, zeigte sich bald eine Kehrseite. Kritiker – von Psychologen, Kinderärzten und betriebsinternen Experten – manten, dass das reine Versorgungsmodell den Kindern nicht die intensive Betreuung und emotionale Sicherheit bieten konnte, die sie gerade in den ersten Lebensjahren dringend benötigten. Fehlendes Fachpersonal und eine oft anonyme Betreuung führten dazu, dass viele Kinder in diesen Einrichtungen vor allem „versorgt“ und nicht liebevoll „betreut“ wurden.

Das westdeutsche Modell: Tradition und Zurückhaltung
Im Gegensatz dazu war das westdeutsche Modell von einem tief verwurzelten traditionellen Familienbild geprägt. Verheiratete Frauen galten – auch wenn sie oftmals dennoch erwerbstätig waren – primär als Mütter und Ehefrauen. Die gesellschaftliche Erwartung war, dass sich Frauen vor allem um Haushalt und Kinder kümmern sollten. Daraus resultierte ein weit geringerer Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Diese Zurückhaltung wurde nach der Wiedervereinigung immer wieder thematisiert. Westdeutsche Politiker argumentierten häufig, dass der Ausbau einer flächendeckenden Kinderbetreuung für den Westen gar nicht nötig sei, da der „natürliche“ Platz der Frau in der Familie liege. Diese Haltung übersah jedoch die Realität vieler ostdeutscher Frauen, für die Arbeit nicht nur ein Zwang, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens und der persönlichen Identität war.

Zwischen Ideologie und Alltag
Der Vergleich zwischen den beiden Modellen zeigt, dass beide Systeme ihre eigenen Herausforderungen und Kompromisse mit sich brachten. In der DDR wurden zwar umfassende Betreuungsangebote geschaffen, die jedoch oftmals unter einer unzureichenden Qualität litten. Der Mangel an qualifiziertem Personal und die damit einhergehende emotionale Distanz in der Betreuung konnten die negativen Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung nicht verhindern.

Im Westen hingegen blieb das Angebot an institutionellen Betreuungsmöglichkeiten hinter den Bedürfnissen vieler Familien zurück. Zwar war das familiäre Modell hier oft von intensiveren persönlichen Beziehungen geprägt, doch blieb vielen Frauen die Möglichkeit verwehrt, nach der Geburt – trotz eigenem beruflichen Wunsch – vollständig ins Berufsleben zurückzukehren.

Ein Erbe mit Blick in die Zukunft
Die Debatte um Kinderbetreuung in Deutschland ist somit nicht nur ein Rückblick auf geteilte politische Systeme, sondern auch ein Spiegelbild der sich wandelnden Rollenbilder und gesellschaftlichen Anforderungen. Während heute beide Modelle in Teilen noch nachwirken, ist die Frage nach einer qualitativ hochwertigen, bedarfsgerechten Betreuung aktueller denn je. Es gilt, das Beste aus beiden Welten zu vereinen: Die flächendeckende Betreuung und staatliche Unterstützung der DDR mit der Qualität und dem persönlichen Bezug, wie er im westdeutschen Modell angestrebt wurde.

Die Herausforderungen sind vielfältig – von der Ausbildung und Rekrutierung von qualifiziertem Fachpersonal bis hin zur Schaffung von Betreuungsräumen, die nicht nur den physischen, sondern auch den emotionalen Bedürfnissen von Kindern gerecht werden. Nur so kann es gelingen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig zu sichern und den Grundstein für die Zukunft der nächsten Generation zu legen.

Neuanfang in der DDR – Frauen, die Geschichte schrieben

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Am 25. März 2025 jährt sich ein entscheidender Moment in der deutschen Geschichte: 25 Jahre Deutsche Einheit. An diesem Tag erinnern sich zahlreiche Akteurinnen an den Umbruch in Ostdeutschland, als die erste Welle freier, geheimer Kommunalwahlen und der Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung eingeläutet wurde. Eine Erfolgsgeschichte, die maßgeblich von Frauen gestaltet wurde – ein Erbe des Pioniergeistes und des Pragmatismus, das bis heute Vorbild für Frauen ist, die in kommunale Spitzenämter aufsteigen möchten.

Pionierinnen des demokratischen Wandels
Viele der damaligen Bürgermeisterinnen und Kommunalpolitikerinnen kamen ohne politische Vorerfahrung aus ganz unterschiedlichen Berufen in den öffentlichen Dienst. Mit großem Engagement übernahmen sie Verantwortung vor Ort und traten mutig an, um den Übergang von autoritären Strukturen zu einer demokratischen Selbstverwaltung zu ermöglichen. Ihre persönlichen Berichte – oftmals geprägt von intensiven Stadtratssitzungen, langen Nächten und dem täglichen Ringen um den Wiederaufbau des öffentlichen Lebens – zeugen von einem unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft. Der Schritt in die Politik war häufig ein Akt des Mutes, auch wenn dabei Druck von alten Machtstrukturen und sogar ehemaligen Stasi-Kollegen eine Rolle spielte.

Der Kurzfilm „Frauen der ersten Stunde“
Die beeindruckende Leistung dieser Frauen wird in dem Kurzfilm „Frauen der ersten Stunde“ eindrucksvoll dokumentiert. Der Film, der von der EAF Berlin als Projektträgerin realisiert wurde, beleuchtet den Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in Ostdeutschland als Erfolgsgeschichte, die nicht zuletzt von mutigen Frauen mitgeschrieben wurde. Fördernd unterstützt wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Auch die Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv trug zur Umsetzung bei. Der Kurzfilm lädt dazu ein, mehr über die persönlichen Schicksale, die Herausforderungen und den Triumph dieser Pionierinnen zu erfahren, die die Deutsche Einheit auf kommunaler Ebene lebendig werden ließen.

Erfahrungen, die anspornen
Die ehemaligen Kommunalpolitikerinnen berichten, wie sie in unsicheren Zeiten – als die DDR noch im Auflösungsprozess war – den Sprung ins Unbekannte wagten. In hitzigen Debatten und nächtlichen Sitzungen wurde die Grundlage für eine neue, demokratische Ordnung gelegt. Dabei stand nicht nur der politische Umbau im Vordergrund, sondern auch die praktische Transformation des Alltags: Von der Privatisierung von Versorgungsleistungen bis hin zur Neuordnung des Eigentums. Ein direkter Blick auf das, was im Aufbau war – etwa auf Baustellen, die den Fortschritt symbolisierten – verlieh den Frauen stets neue Kraft und Zuversicht.

Ein Vermächtnis für die Zukunft
Die Geschichten der damaligen Zeit sind mehr als nostalgische Rückblicke. Sie sind ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Mut, Engagement und der unbedingte Glaube an den Wandel den Grundstein für das heutige demokratische Miteinander legten. Die Frauen der ersten Stunde haben nicht nur die kommunale Selbstverwaltung in Ostdeutschland geprägt, sondern auch den Weg für nachfolgende Generationen geebnet. Ihr Einsatz und ihr Pioniergeist bleiben auch heute ein starker Ansporn – sowohl für Frauen als auch für alle, die an den Prinzipien einer offenen, demokratischen Gesellschaft festhalten wollen.

Am 25. März 2025 wird diese bewegte Vergangenheit erneut ins Licht gerückt – ein Anlass, um zu würdigen, wie der unerschütterliche Einsatz dieser Frauen den Neuanfang in der DDR möglich gemacht und bis heute fortwirkt.

Verfallene Industriegeschichte – Vom Produktionsgiganten zum faszinierenden Lost Place

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Zwischen den weitläufigen Feldern östlich Berlins ragt ein Relikt der industriellen Vergangenheit empor: Das ehemalige VEB Chemiewerk Coswig, Betriebsteil Rüdersdorf. Einst pulsierendes Herz der europäischen Futterphosphatproduktion, fasziniert die verfallene Anlage heute Filmteams und Graffiti-Künstler gleichermaßen – ein Ort, der von Geschichte und Verfall gleichermaßen erzählt.

Aufstieg und industrieller Erfolg
Im Laufe der DDR-Zeit gelang es dem Chemiewerk, sich als Produzent eines hochwertigen Futterphosphats zu etablieren, das europaweit unter dem Namen RÜKANA gehandelt wurde. Mit einer einzigen, aber hochmodernen Ofenanlage und einem speziell angepassten Verfahren, das in den 1970er Jahren entwickelt wurde, erreichte das Werk 1988 einen beeindruckenden Produktionsausstoß von 180.000 Tonnen. Diese Erfolgsgeschichte war das Ergebnis großer Investitionen und technologischer Innovation – ein leuchtendes Beispiel für industriellen Fortschritt in schwierigen Zeiten.

Historische Wurzeln und wechselvolle Zeiten
Die industrielle Tradition in Rüdersdorf reicht jedoch weit zurück. Bereits im 17. Jahrhundert lieferte der lokale Kalkstein aus dem Tagebau Baumaterial für monumentale Bauwerke wie das Brandenburger Tor und das Schloss Sanssouci. Mit dem Aufkommen des zementgebundenen Betons im 19. Jahrhundert wandelte sich die lokale Industrie, und es entstanden zahlreiche Zement- und Kalksteinwerke. Das Zementwerk von Carl Otto Wegener, das ab 1900 in Betrieb ging, stand sinnbildlich für den Wandel – von traditionellen Baustoffen hin zu modernen industriellen Prozessen. Die wechselnden Besitzverhältnisse und die Umfirmierungen, wie die Transformation in die C. O. Wegener Baustoff-AG und später die Übernahme durch die PREUSSAG, spiegeln die turbulente Geschichte der deutschen Industrie im 20. Jahrhundert wider.

Vom wirtschaftlichen Motor zum verlassenen Monument
Mit der Wende änderte sich das Bild. Obwohl noch bis 1999 in begrenztem Umfang produziert wurde, führte der Niedergang der traditionellen Industriezweige und die zügigen Veränderungen der Marktwirtschaft letztlich zur Insolvenz der Rüdersdorfer Futterphosphat GmbH. Die einst so lebendige Anlage verfiel zusehends – ein Symbol für die Umwälzungen, die nach dem Fall der Mauer die ostdeutsche Industrie prägten.

Neuer Glanz in alter Ruine
Seit dem Jahr 2000 hat die verlassene Anlage jedoch ein unerwartetes neues Leben erhalten. Die imposanten Ruinen dienten als authentische Kulisse für diverse Kriegs- und Actionfilme. Filme wie „Enemy at the Gates“ und „The Monuments Men“ haben hier ihre dramatischen Szenen gedreht. Auch kulturelle Akteure, wie Graffiti-Künstler, haben in den verfallenen Gemäuern ihre Spuren hinterlassen und den Ort zu einer urbanen Kunstlandschaft transformiert. Die Mischung aus Verfall und künstlerischer Ausdruckskraft macht die Anlage zu einem faszinierenden Zeugnis vergangener Zeiten, das heute Besucher und Filmteams gleichermaßen in seinen Bann zieht.

Ein Ort zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Die Geschichte des ehemaligen VEB Chemiewerk Coswig, Betriebsteil Rüdersdorf, ist mehr als nur die Chronik industrieller Produktion und des wirtschaftlichen Wandels. Sie erzählt von Innovation und Fortschritt, von den Schatten der politischen Umbrüche und von der Kraft der Transformation – von einem Ort, der in seinen verfallenen Hallen die Spuren der Vergangenheit bewahrt und zugleich Raum für neue Geschichten bietet.

In dieser faszinierenden Lost Place verschmelzen Geschichte und Gegenwart zu einem eindrucksvollen Mosaik, das sowohl die Glanzzeiten der industriellen Moderne als auch die poetische Schönheit des Verfalls einfängt. Besucher, Historiker und Filmschaffende finden hier einen Ort, der weit mehr ist als nur ein verlassenes Industriegebäude – er ist ein lebendiges Denkmal der deutschen Industriegeschichte.

Polytechnischer Unterricht in der DDR – Ein Modell für die Zukunft?

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Bereits in den 1950er-Jahren wagte die DDR einen ungewöhnlichen Bildungsansatz: Den polytechnischen Unterricht. Einmal pro Woche tauchten Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 10 in die Arbeitswelt ein – sei es in Handwerksbetrieben oder in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs). Das Ziel war klar: Frühzeitig praktische Fertigkeiten zu erlernen und zugleich die Prinzipien der sozialistischen Arbeit zu verinnerlichen.

Frühe Einblicke in die Berufswelt
In der DDR sollten junge Menschen nicht nur theoretisches Wissen erwerben, sondern direkt erleben, wie die Wirtschaft funktionierte. Ob im Umgang mit der Feile, der Bohrmaschine oder beim technischen Zeichnen – praktische Erfahrungen standen an erster Stelle. „Wir wussten, was eine Feile ist, und wie man sie handhabt“, erinnert sich ein ehemaliger Auszubildender, der noch heute von seinen ersten Schritten in der Produktionshalle berichtet. Dabei wurde nicht nur handwerkliches Können vermittelt, sondern auch ein Bewusstsein für die Bedeutung der Arbeit und den Stolz auf den eigenen Beruf gefördert.

Die Mischung aus Theorie und Praxis
Ab 1970 wurde das Konzept weiter verfeinert: Mehrstündiger Theorieunterricht ergänzte die praktischen Einsätze, um den Schülerinnen und Schülern auch die theoretischen Grundlagen zu vermitteln. Fächer wie technisches Zeichnen und Einführung in die sozialistische Produktion sollten helfen, die gemachten Erfahrungen zu reflektieren und besser in das Gesamtkonzept der beruflichen Bildung einzuordnen. Neben handwerklichen Fertigkeiten stand hier auch die Erziehung zu einer „sozialistischen Schülerpersönlichkeit“ im Vordergrund – ein Anspruch, der nicht ohne Kritik blieb.

Lernen für die heutige Berufswelt
Heutzutage wird das Modell des polytechnischen Unterrichts wieder neu belebt – wenn auch in veränderter Form. Angesichts eines akuten Fachkräftemangels und unbesetzter Ausbildungsplätze in klassischen Handwerks- und Industrieberufen setzen moderne Projekte auf praxisnahe Berufserkundungen. So ermöglicht ein Projekt des Bildungswerks der sächsischen Wirtschaft Schülern in den Klassen 7 bis 9, in nur einer Woche einen umfassenden Einblick in verschiedene Berufsfelder zu erhalten. Ziel ist es, das Interesse an handwerklichen und technischen Berufen zu wecken und jungen Menschen eine realistische Perspektive zu bieten.

Zwischen Tradition und Moderne
Der Rückblick auf das DDR-Bildungssystem zeigt, dass die Verbindung von Theorie und Praxis durchaus Erfolg haben kann – wenn sie richtig umgesetzt wird. Natürlich empfanden nicht alle Schülerinnen und Schüler die Arbeit in den Betrieben als inspirierend; manche kritisierten die oft monotone und körperlich belastende Tätigkeit. Doch viele von ihnen traten später als Lehrlinge in die Betriebe zurück und profitierten von dem früh erworbenen praktischen Wissen.

Die Herausforderung von heute besteht darin, ein Gleichgewicht zu finden: Einerseits sollen Jugendliche fundierte praktische Erfahrungen sammeln, andererseits müssen die Angebote so gestaltet sein, dass sie den modernen Anforderungen und Interessen gerecht werden. Wenn es gelingt, das Interesse an klassischen Ausbildungsberufen nachhaltig zu fördern, könnte das polytechnische Modell – in angepasster Form – einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten.

Ein Modell mit Zukunftspotenzial?
Obwohl das DDR-Bildungssystem aus heutiger Sicht auch seine Schattenseiten hatte, bietet es wertvolle Ansätze: die frühzeitige Einbindung in die Arbeitswelt und die Verknüpfung von praktischen und theoretischen Lerninhalten. Die aktuellen Projekte in Sachsen zeigen, dass diese Ideen durchaus wiederbelebt werden können – mit modernen Mitteln und zeitgemäßen Konzepten. Vielleicht liegt in der Wiederbelebung alter Bildungsansätze der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Berufsausbildung, die nicht nur den aktuellen Herausforderungen, sondern auch den Bedürfnissen junger Menschen gerecht wird.

Scheidungen in Ost und West: Ein Vergleich der Lebensrealitäten von Frauen

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Scheidungen waren in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nicht nur ein juristisches, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen mit tiefgreifenden Unterschieden. Während im Westen traditionelle Rollenbilder die Ehe lange stabil hielten, entwickelte sich die DDR zu einem Land mit einer der höchsten Scheidungsraten weltweit. Ein Interview mit Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, gibt interessante Einblicke in die Ursachen dieser Entwicklung.

Bereits Mitte der 1950er-Jahre schuf die DDR gesetzliche Grundlagen, die den wirtschaftlichen Druck auf Frauen erhöhten, berufstätig zu sein. Ein entscheidender Faktor: Männer waren nach einer Scheidung nicht mehr unterhaltspflichtig für ihre Ex-Frauen. Dies zwang viele Frauen in die Erwerbstätigkeit und förderte ihre finanzielle Unabhängigkeit. „Frauen mussten arbeiten, um wirtschaftlich überleben zu können, und genau das machte sie unabhängiger in ihren Entscheidungen“, erklärt Kaminsky.

Ein markanter gesellschaftlicher Wandel vollzog sich in der DDR Ende der 1960er-Jahre: Während zuvor hauptsächlich Männer die Scheidung einreichten, waren es ab diesem Zeitpunkt mehrheitlich Frauen. Viele gaben in Umfragen an, dass ihre Männer sie nicht ausreichend unterstützten. „Das gewachsene Selbstbewusstsein und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen spielten eine entscheidende Rolle“, so Kaminsky.

In der Bundesrepublik blieben Scheidungen bis in die 1980er-Jahre deutlich seltener. Ein wesentlicher Grund war die traditionelle Rollenverteilung: Der Mann als Ernährer, die Frau als Hausfrau. Eine Scheidung bedeutete für viele Frauen den finanziellen Absturz. Zudem war die Ehe in Westdeutschland auch stark kirchlich geprägt, was das gesellschaftliche Stigma einer Trennung verstärkte. Doch auch im Westen begann sich das Frauenbild ab den 1960er-Jahren zu wandeln: Zeitschriften ermutigten Frauen zur Berufstätigkeit und zur Selbstständigkeit. „Geschiedene Frauen sind die Besten“, titelten Magazine und betonten deren Lebenserfahrung und neue Chancen.

Ein zentrales Problem für geschiedene Paare in der DDR war der Mangel an Wohnraum. Viele Ex-Partner waren gezwungen, auch nach der Trennung noch Jahre in derselben Wohnung zu leben. In Kontaktanzeigen wurde die „eigene Wohnung“ daher oft als entscheidender Vorteil angepriesen.

Heute, mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, haben sich die Scheidungsraten in Ost und West weitgehend angeglichen. Doch die historische Entwicklung zeigt, wie tief verwurzelt gesellschaftliche Strukturen in das Privatleben eingreifen und welche langfristigen Auswirkungen politische Systeme auf das Familienbild haben.

Der Betonwerker in der DDR – Ein Beruf zwischen Tradition und Moderne

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In der Deutschen Demokratischen Republik war der Wohnungsbau eine der zentralen Aufgaben der sozialistischen Planwirtschaft. Ein Beruf, der dabei eine Schlüsselrolle spielte, war der des Betonwerkers. Die Nachfrage nach Betonfertigteilen war enorm, da sie den Bau von Wohnhäusern, Brücken und Industrieanlagen erheblich beschleunigten. Doch was bedeutete es, 1978 in der DDR als Betonwerker zu arbeiten?

Ein vielseitiger Beruf
Betonwerker waren für die Herstellung von Betonfertigteilen verantwortlich, die auf Baustellen nur noch montiert werden mussten. Dabei gab es zwei Spezialisierungen: Zementbeton und Silikatbeton. Während aus Zementbeton Bauelemente für den Hoch- und Tiefbau entstanden – wie Wände, Decken oder Brückenträger –, wurden aus Silikatbeton vor allem Steine für den Hausbau gefertigt. Trotz der unterschiedlichen Materialien waren beide Spezialisierungen in der Bauindustrie unentbehrlich.

Moderne Technik und harte Arbeit
Die Arbeit als Betonwerker war geprägt von maschineller Unterstützung. Große Mischanlagen sorgten dafür, dass Beton aus Kies, Zement, Splitt und Wasser nach festgelegten Rezepturen hergestellt wurde. Automatisierte Prozesse übernahmen viele schwere Aufgaben – vom Formen über das Verdichten bis hin zur Härtung der Betonteile. Doch trotz technischer Fortschritte blieb die Arbeit körperlich anspruchsvoll. Lärmbelastung und schwere Maschinen bestimmten den Arbeitsalltag, wenngleich Schutzmaßnahmen, wie Lärmschutzhauben, nach und nach für bessere Bedingungen sorgten.

Ausbildung und Anforderungen
Um Betonwerker zu werden, war ein erfolgreicher Abschluss der 10. Klasse erforderlich. Die zweijährige Ausbildung umfasste sowohl theoretische als auch praktische Inhalte. Neben dem eigentlichen Betonieren gehörte auch das Schweißen von Stahlmatten zur täglichen Arbeit, da viele Fertigteile mit Stahlbewehrungen versehen wurden, um ihre Stabilität zu erhöhen. Selbstständiges Arbeiten war eine Grundvoraussetzung, da Betonwerker oft in kleinen Teams oder auch allein arbeiteten.

Ein Beruf mit Verantwortung
Betonwerker kannten nicht nur die Produktionsprozesse, sondern auch den späteren Verwendungszweck der Bauteile. Fehler konnten schwerwiegende Folgen für Bauprojekte haben, weshalb Präzision und Sorgfalt entscheidend waren. Darüber hinaus war Schichtarbeit erforderlich, um den hohen Bedarf an Betonfertigteilen kontinuierlich zu decken.

Bedeutung für die DDR-Wirtschaft
Die Bauindustrie war einer der wichtigsten Sektoren der DDR-Wirtschaft, und Betonfertigteile waren unverzichtbar für die Umsetzung der ambitionierten Wohnungsbauprogramme. Die Rationalisierung der Bauprozesse durch Fertigteile ermöglichte es, innerhalb kurzer Zeit große Neubaugebiete zu errichten.

Auch wenn der Beruf des Betonwerkers mit harter körperlicher Arbeit verbunden war, bot er vielen Menschen eine stabile Beschäftigung mit gesichertem Einkommen. Heute erinnert dieser Beruf an eine Zeit, in der industrielles Bauen als Lösung für Wohnraummangel galt – ein Konzept, das in modernisierter Form noch immer eine Rolle spielt.

40 Jahre Thälmann-Film: Ein Rückblick mit Regisseur Georg Schiemann

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Vor 40 Jahren erschien der zweiteilige Film „Ernst Thälmann“, der das Leben des KPD-Politikers nachzeichnete. Der Filmemacher und Drehbuchautor Georg Schiemann spricht über seine Erfahrungen bei der Produktion des Films „Ernst Thälmann“ (Teil 2) aus dem Jahr 1986. Er spricht über die Herausforderungen, die historische Figur Thälmann menschlich und facettenreich darzustellen, sowie die Bedeutung der politischen Botschaft des Films – insbesondere im Hinblick auf die Aktionseinheit von KPD und SPD.

Schiemann betont, dass der Film heute nichts an Aktualität verloren hat und sieht Parallelen zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland. Er blickt gespannt auf die Veranstaltung am 30.03.2025 im Theater Ost, bei der er gemeinsam mit dem Moderator Dietmar Ringel den Film und seine Relevanz für die Gegenwart diskutieren wird.

Herausforderung und historische Verantwortung
Als Schiemann in den 1980er Jahren das Angebot bekam, am Drehbuch des Films mitzuwirken, stand er vor einer großen Herausforderung. „Ich kannte den Film mit Günther Simon aus der Schulzeit und wusste, dass es keine leichte Aufgabe sein würde“, erinnert sich der Regisseur. Zusammen mit Otto Bonhoff und Erich Selbmann entwickelte er das Drehbuch, wobei Selbmann sich vor allem mit den industriellen und historischen Aspekten der NS-Zeit befasste, während Schiemann und Bonhoff fiktive Protagonisten sowie Thälmanns Charakter gestalteten.

Besonders wichtig war es Schiemann, Thälmann nicht nur als politische Symbolfigur zu zeigen, sondern auch als Menschen mit Emotionen, Zweifeln und persönlichen Bindungen. Szenen, die seine private Seite beleuchten, wurden bewusst in die Handlung integriert.

Dreharbeiten zwischen Berlin, Hamburg und Paris
Die Dreharbeiten führten das Team an zahlreiche Schauplätze, darunter Hamburg, Wuppertal und Paris. „Ich wusste, wenn wir Szenen über Thälmanns geheime Aufenthalte in Paris schreiben, werden wir auch dort drehen“, so Schiemann. Eine besondere Szene entstand am Théâtre Montmartre, wo Thälmanns Exilzeit inszeniert wurde.

Neben historischen Fakten wurden fiktive Charaktere eingefügt, um emotionale Zugänge zum Thema zu schaffen. Besonders die Geschichte von Hannelore und ihrem Ehemann, Mitglieder des kommunistischen Jugendverbands, sollte das Publikum emotional mitnehmen. Die Besetzung mit Peer Uwe Tesker, Janina Hartwig und Helmut Scheller trug dazu bei, die Figuren authentisch darzustellen.

Parallelen zur Gegenwart
40 Jahre nach der Veröffentlichung sieht Schiemann in seinem Film nicht nur ein historisches Dokument, sondern auch eine Mahnung für die Gegenwart. Die Frage nach der „Aktionseinheit der Arbeiter“, die im Film thematisiert wird – also das Zusammengehen von KPD und SPD gegen den Nationalsozialismus – sei heute aktueller denn je. „Wenn ich die Wahlergebnisse sehe, frage ich mich, warum nicht ein breites Bündnis gegen rechts geformt wurde,“ so Schiemann.

Obwohl er sich nicht mehr aktiv in die Politik einmischt, sieht er in der heutigen Parteienlandschaft Parallelen zu den 1930er Jahren. Ein gemeinsamer Nenner zwischen linken Parteien hätte seiner Meinung nach eine politische Chance sein können.

Der letzte Abflug: Russische Kampfhubschrauber verlassen Weimar-Nohra

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Am 12.August 1992 verließen die letzten russischen Kampfhubschrauber des Typs Mi-8 und Mi-24 den Flugplatz Weimar-Nohra. Dieses Ereignis markierte das endgültige Ende der über vier Jahrzehnte andauernden Präsenz sowjetischer und später russischer Streitkräfte in Thüringen.

Der Flugplatz Weimar-Nohra, einst einer der wichtigsten Militärflugplätze der sowjetischen Streitkräfte in der DDR, war über Jahrzehnte ein bedeutender Standort für Kampfhubschrauberverbände. Die schweren Mi-24-Kampfhubschrauber, auch als „fliegende Panzer“ bekannt, sowie die vielseitig einsetzbaren Mi-8-Transporthubschrauber waren dort stationiert und spielten eine zentrale Rolle in den taktischen Planungen des Warschauer Paktes. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges blieben sie noch einige Jahre in Deutschland stationiert, bevor die Truppen schließlich abgezogen wurden.

Mit dem Abzug der letzten Hubschrauber im Jahr 1994 schloss sich ein weiteres Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Maschinen starteten in geordneter Formation und verließen deutschen Luftraum mit Kurs auf Russland. Der Abflug erfolgte unter den Augen zahlreicher Beobachter, darunter ehemalige Militärangehörige, Historiker und interessierte Bürger, die diesen historischen Moment miterleben wollten. Der Himmel über Weimar-Nohra, einst regelmäßig durch das Dröhnen der Rotoren erfüllt, wurde an diesem Tag ein letztes Mal von den mächtigen Maschinen durchzogen.

Viele der zurückgelassenen Infrastrukturen des Flugplatzes wurden in den folgenden Jahren zurückgebaut oder einer zivilen Nutzung zugeführt. Dennoch erinnern noch heute Überreste der alten Landebahnen und Gebäude an die jahrzehntelange militärische Nutzung des Geländes. Einige Bereiche wurden als Gedenkstätten oder Museen umfunktioniert, um die Erinnerung an die Zeit der sowjetischen Militärpräsenz wachzuhalten.

Der Abzug der Mi-8 und Mi-24 aus Weimar-Nohra war nicht nur ein technischer Vorgang, sondern auch ein symbolischer Schritt in der Geschichte der Wiedervereinigung und des Abbaus ehemaliger militärischer Strukturen in Ostdeutschland. Damit ging eine Ära zu Ende, die viele Menschen vor Ort direkt oder indirekt beeinflusst hatte. Zeitzeugen berichten noch heute von Begegnungen mit den sowjetischen Soldaten, den gemeinsamen Erlebnissen sowie den Veränderungen, die der Abzug mit sich brachte. Der Flugplatz, einst ein strategischer Stützpunkt, wandelte sich mit der Zeit und wurde zu einem Ort der Erinnerung an eine bewegte Vergangenheit.

Berliner Fernsehturm – Ein Symbol des ehrgeizigen Sozialismus und moderner Ingenieurskunst

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Am Alexanderplatz Berlins erhebt sich seit Jahrzehnten ein stählerner Gigant, der nicht nur die Skyline prägt, sondern auch von einer bewegten Geschichte erzählt: der Fernsehturm. Vor genau vierzig Jahren wurde er eingeweiht, und der Film „Rund um den Fernsehturm“ wirft nun einen detaillierten Blick zurück auf seine Entstehung in einer Zeit, in der die DDR noch an den Möglichkeiten des sozialistischen Städtebaus und technischen Fortschritts glaubte.

Ein Projekt mit politischem Rückhalt
Ende der 1950er Jahre stand die DDR vor der Frage, wie sie ihr städtebauliches Erbe und ihre technologische Kompetenz demonstrieren könnte. Die Standortentscheidung – zuletzt vom damaligen Staatschef Walter Ulbricht getroffen – sollte nicht nur den geografischen Mittelpunkt der neuen Hauptstadt markieren, sondern auch das Selbstverständnis einer ganzen Generation verkörpern. Mit dem Bau des Fernsehturms sollte ein Symbol entstehen, das weit über die Grenzen Ost-Berlins hinausstrahlt.

Technik, Takt und Teamwork
Am 4. August 1965 begann in einem der ambitioniertesten Projekte der DDR-Geschichte der Bau des Fernsehturms. Innerhalb von nur vier Jahren sollte das Bauwerk mit einer Höhe von 250 Metern fertiggestellt werden – ein Maßstab, der den Turm als zweithöchstes Bauwerk Europas auszeichnete. Unter der technischen Leitung von Lothar Pieler, der als Oberbauleiter maßgeblich für das Hochziehen des Betonschaftes verantwortlich war, wurde das Vorhaben mit beispielloser Präzision und Organisation umgesetzt. Rund 300 Betriebe und hunderte Arbeiter aus der gesamten DDR trugen in Tag- und Nachtschichten ihren Teil dazu bei, während logistische Herausforderungen – wie die 200 Kilometer lange Anfahrt des qualitativ hochwertigen Zements aus Nienburg an der Saale – gemeistert werden mussten.

Herausforderungen und Anreize
Trotz des enormen technischen Know-hows und der Erfahrung beim Bau von Schornsteinen, die als unauffällige Fassade für den Turm dienten, brachte das Projekt auch seine Tücken mit sich. So sorgten Wind und Sturm immer wieder für eine spürbare Schwankung des Bauwerks, die bis zu 1,72 Meter betragen konnte. Um die Arbeiter zu motivieren, wurden leistungsbezogene Prämien eingeführt: Für jeden zusätzlichen Meter, der über das Jahresziel hinaus erreicht wurde, winkte eine Prämie von 1.000 Mark – ein Ansporn, der den Ehrgeiz aller Beteiligten zusätzlich anfachte.

Ein bleibendes Denkmal
Heute, vierzig Jahre nach der Einweihung, erinnert der Fernsehturm am Alexanderplatz nicht nur an die bautechnischen Errungenschaften einer vergangenen Ära, sondern steht auch sinnbildlich für den Geist des sozialistischen Modernisierungsstrebens. Der Film „Rund um den Fernsehturm“ verleiht den historischen Aufnahmen aus den 60er Jahren eine neue Dimension und lässt das beeindruckende Zusammenspiel aus politischem Willen, technischer Innovation und menschlichem Einsatz noch einmal lebendig werden.

So blickt Berlin nicht nur auf ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch auf ein Kapitel, das von großen Visionen, unermüdlichem Einsatz und der Fähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen Großes zu vollbringen, zeugt – ein Denkmal, das bis heute den Puls der Stadt bestimmt.